- Start
- Gemeinwohlorientierte Stadtteilentwicklung
- Die Projekte: HONSWERK und Wiesenwerke
- Akzeptanz: Umbau für Mitgestaltung öffnen
- Bedarfsermittlung und Beteiligungsformate auf Stadt(teil)ebene
- Beteiligungsformate auf Mietebene
- Rendite fürs Gemeinwohl
- Bezahlbare Mietflächen in Zeiten der Energiekrise
- Kooperation: Auf Partnerschaften setzen
- Kommunen und Unternehmen als Partner:innen
- Zusammenarbeit mit Hochschulen
- Kulturwende in der Zusammenarbeit am Bau
- Chancen: Gemeinschaftsorte prozesshaft entwickeln
- Möglichkeitsräume entwerfen
- Die Gemeinschaft spielt die Hauptrolle
- Gewohnte Strukturen aufbrechen, Transformation ermöglichen
- About the author(s)
- References
Published 2.04.2025
Gemeinwohl bauen im Bestand
Ein Einblick in die Praxis chancengerechter Stadtentwicklung
Building for the Common Good
Insights into Practice of Equitable Urban Development
Keywords: Stadtteilentwicklung; Transformation; Beteiligung; Chancengerechtigkeit; Gemeinwohlrendite; Neighbourhood development; transformation; participation; equal opportunities; return on in-vestment for the common good
Abstract:
Projekte wie das HONSWERK im Remscheid und die Wiesenwerke in Wuppertal tragen zu einer chancengerechten Stadtteilentwicklung bei. Denn es werden nicht nur Häuser errichtet, saniert und umgebaut sowie Freiflächen gestaltet, sondern auch Gemeinschaften, Chancen und Möglichkeitsräume geschaffen. Die Verzahnung von gemeinwohlorientierter Prozessgestaltung, Planung und Vermietung wirkt nachhaltig im Quartier. Es wird anschaulich, dass die gemeinsame Planung und Entwicklung von Nutzungskonzepten mit Nachbarschaft sowie zukünftigen Mieter:innen Akzeptanz für bauliche Veränderungen erhöht und zum Engagement für Mitgestaltung des eigenen Lebensumfelds motiviert. Gemeinwohlflächen sind dabei Kristallisationspunkte für Teilhabe und Gemeinschaftsbildung.
Projects such as the HONSWERK in Remscheid and the Wiesenwerke in Wuppertal contribute to equitable neighbourhood development. As a social impact investor, the Montag Stiftung Urbane Räume does not only build, upgrade and redevelop houses and design open spaces, but also creates communities, opportunities and spaces of possibility within each project. The dovetailing of process design, planning and letting of flats and commercial properties with a focus on the common good has a sustainable impact on the neighbourhoods. The examples of HONSWERK and Wiesenwerke show that the joint planning and development of usage concepts with neighbours and future tenants increases acceptance of structural changes and motivates people to get involved in shaping their own living environment. Areas dedicated to common purpose activities are crystallisation points for participation and community building.
Gemeinwohlorientierte Stadtteilentwicklung
Was haben eine Arbeitersiedlung in Remscheid und eine ehemalige Gummibandweberei in Wuppertal gemeinsam? Beides sind Immobilien-Ensemble, die das Potenzial haben, Quartiere und Stadtteile zu transformieren. Es kommt nur darauf an, was man wie daraus macht. Die Montag Stiftung Urbane Räume hat für das Wie? das Initialkapital-Prinzip entwickelt.
Die Idee dahinter: durch Investition in eine Immobilie dauerhaft eine soziale Stadtteilrendite beziehungsweise Gemeinwohlrendite erzielen, über die sich gemeinnützige Vorhaben im Stadtteil finanzieren.
Bereits zu Projektbeginn bringt die Montag Stiftung Urbane Räume als Initiatorin Kommunen, Menschen aus dem Stadtteil, Planer:innen sowie potenzielle Mieter:innen zusammen. Gemeinsam definieren alle Beteiligten Ziele für die Stadtteilentwicklung und handeln aus, wer welche Kompetenzen in den Bau- und Entwicklungsprozess einbringen kann. Das Fundament der Projekte sind Immobilien, die als Orte der Identifikation dienen können, indem sie Möglichkeitsräume für Engagement, Selbstentfaltung und Zusammenkommen eröffnen. Das Vorgehen der Montag Stiftung Urbane Räume: In Stadtteilen, in denen Menschen mit schwierigen sozioökonomischen Rahmenbedingungen konfrontiert sind, übernimmt die Stiftung Grundstücke im Erbbaurecht. Die Grundstückseigentümer:innen bringen ihre Immobilien langfristig (in der Regel zwischen 66 und 99 Jahre) in das gemeinwohlorientierte Projekt ein. Solange das Projekt gemeinnützig agiert, verzichten sie darauf, einen Erbbauzins zu erheben. So ermöglichen sie, dass alle Überschüsse aus Vermietungen dem Stadtteil für gemeinnützige Nachbarschaftsangebote als Teil der Gemeinwohlrendite zur Verfügung gestellt werden können.
Vor Ort gründet die Montag Stiftung Urbane Räume stets eine gemeinnützige Projektgesellschaft, die als Bauherrin und Entwicklerin den Bauprozess leitet. Zudem koordiniert sie mit eigenen Gemeinwohl-Manager:innen Stadtteilprojekte, koproduktive Prozesse sowie die Community-Entwicklung. Schließlich verwaltet und vermietet die Projektgesellschaft das beziehungsweise die Gebäude langfristig gemeinwohlorientiert, mit dem Ziel, dass sich die Projekte auf längere Sicht hin selbst tragen.
Die Immobilien werden meist im Bestand saniert und leerstehende Räume wieder in Nutzung gebracht. Im Rahmen der Baumaßnahmen werden neue Arbeitsplätze, Kulturorte und (überwiegend geförderte) Wohnungen geschaffen – und neue Räume für die Gemeinschaft. Dies führt zu einer Nutzungsmischung, die den Ort belebt. Bereits parallel zum Umbauprozess startet ein intensives Community Building, mit dem Ziel, eine solidarische Gemeinschaft rund um das Projekt zu bilden und eine nachhaltige, gemeinnützige Struktur – getragen von einem Verein, einer Stiftung oder der Projektgesellschaft selbst – aufzubauen.
Die Projekte: HONSWERK und Wiesenwerke
Die Projekte HONSWERK und Wiesenwerke sind das fünfte und sechste Projekt der Montag Stiftung Urbane Räume nach dem Initialkapital-Prinzip. Ähnlich sind in Wuppertal der BOB CAMPUS, in Halle an der Saale der Bürgerpark FreiFeld, in Bochum die KoFabrik und in Krefeld die Nachbarschaft Samtweberei entstanden.
Gemeinsam mit der Stadt Remscheid und der GEWAG Wohnungsaktiengesellschaft Remscheid baut die gemeinnützige Projektgesellschaft Urbane Nachbarschaft Honsberg gGmbH 15 alte Arbeitersiedlungshäuser im Stadtteil Honsberg um. Neben 39 neuen Wohnungen aus ursprünglich 75 Wohneinheiten und Gewerbeflächen entwickelt die Gesellschaft dort auch neue Begegnungs- und Lernorte im Quartier: so zum Beispiel eine innovative Gemeinbedarfseinrichtung, die HONSWERKSTATT, sowie einen Stadtteilgarten. Beide Projekte finanzieren sich durch Mittel der Städtebauförderung (siehe Abbildung 1).

Im Quartier Mirke in Wuppertal-Elberfeld schafft die gemeinnützige Projektgesellschaft Urbane Nachbarschaft Mirke gGmbH auf dem Gelände einer ehemaligen Gummibandweberei (siehe Abbildung 2) neue Räume für Arbeit, Kultur, Sport, Lernen und Begegnung in Kooperation mit der Stadt Wuppertal und in Kollaboration mit den Nutzer:innen und Akteur:innen aus dem Stadtteil. Dabei saniert die Projektgesellschaft ein Industriedenkmal und baut mithilfe von Mitteln aus der Städtebauförderung im Außenraum einen Nachbarschaftsplatz, eine Wegeverbindung zwischen dem Quartier und einem Fuß- und Radweg auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke, der Nordbahntrasse, sowie einen dicht begrünten Erholungsraum.

Akzeptanz: Umbau für Mitgestaltung öffnen
Anpassung an den Klimawandel, Migration, Energiewende, wirtschaftlicher Wandel und Stärkung des demokratischen Gemeinwesens sind die großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Für Städte und Quartiere bedeutet das umfangreiche Um-, Neu- und Weiterbauprozesse, die den Bewohner:innen eines Stadtteils viel abverlangen. Oft wird ein anstehender Umbau des Wohnumfeldes, einer Straße oder eines Hauses als Stress oder als Zumutung erlebt.
In den von der Montag Stiftung Urbane Räume initiierten Projekten erfahren wir, das gemeinwohlorientierte, auf Beteiligung und gemeinsame Planung ausgerichtete Ansätze der Stadtteilentwicklung die Akzeptanz der Menschen für bauliche Veränderungen der eigenen Lebensumwelt erhöhen. Denn nur wenn die Bewohner:innen gemeinsam mit den Planenden und Projektentwickler:innen überlegen, welche Nutzungen sinnvoll wären, wird Veränderung stärker als selbstbestimmt und weniger als fremdgesteuert empfunden.
Bedarfsermittlung und Beteiligungsformate auf Stadt(teil)ebene
Zum Prozessauftakt beauftragten die Stadt Remscheid, das Wohnungsunternehmen GEWAG und die Montag Stiftung Urbane Räume gemeinsam ein Planungsbüro, für das HONSWERK eine Quartiersentwicklungsstrategie (QES) zu erstellen. Die Kooperationspartner luden fünf innovative Planungsbüros aus Deutschland, Spanien und der Türkei ein, sich und ihre Konzepte vorzustellen. Für das Auswahlverfahren hatten auch alle Stadtteilakteure stimmberechtigte Vertreter:innen entsandt. Die Wahl fiel schließlich auf das Büro Taller de Casqueria aus Madrid. Die Planer:innen arbeiteten und wohnten zehn Tage im Stadtteil. Das Planungsteam sprach die Menschen im Quartier mit niederschwelligen und zugänglichen Formaten an: mit einer Kunstaktion zum Mitmachen, einer Ideenwerkstatt mit Spiel, Spaß und Themenwänden sowie mit einer Einladung zu Kaffee, Tee und Waffeln. An einer gemeinsamen Licht-Kunstaktion (siehe Abbildung 3) nahmen über 100 Honsberger Haushalte teil – sichtbares Zeugnis eines starken nachbarschaftlichen Gefühls.

Die ermittelten Bedarfe und Potenziale der Studie mündeten in die Quartiersentwicklungsstrategie Made by Honsberg, die das Bild eines lernenden und produktiven Stadtteils zeichnete. Die QES bildete somit die Grundlage für die Gesamtkonzeption des Projekts HONSWERK und die Gemeinbedarfseinrichtung HONSWERKSTATT. Zudem schrieb die kooperativ erstellte Quartiersentwicklungsstrategie das bestehende Integrierte Stadtentwicklungskonzept Honsberg/Stachelhausen fort und schuf so die formale Voraussetzung, Städtebaufördermittel für die HONSWERKSTATT beantragen zu können.
Um im Wuppertaler Quartier Mirke räumlich und sozial geeignete Nutzungen für die Gebäude und Außenanlagen der Wiesenwerke im städtischen Umfeld auszumachen, beauftragte die Projektgesellschaft ein Stadtplanungsbüro mit einer Quartiersanalyse. Diese zeigt die räumliche und soziale Struktur sowie die immobilienwirtschaftliche Situation im Quartier auf. Eingeflossen sind geographische und statistische Daten, Interviews mit lokalen Fachleuten aus Stadtverwaltung und Wissenschaft sowie Ergebnisse einer ersten Stadteilwerkstatt (siehe Abbildung 4) zu den Bedarfen im Quartier und möglichen Nutzungen der Immobilie. Die Stadtteilwerkstatt wurde in Kollaboration mit Akteur:innen des Quartiers (Forum:Mirke) geplant und durchgeführt.

Teilgenommen haben Akteur:innen und Menschen aus dem Stadtteil sowie Entscheider:innen aus Stadtverwaltung und Politik. Wesentliche Wünsche und Ziele lauteten:
- die Öffnung des Grundstücks und des Gebäudes für die Quartiersnachbarschaft als Ort der Begegnung und des Lernens,
- eine Verbindung zwischen Quartier und Nordbahntrasse,
- Gewerbenutzungen mit dem Schwerpunkt Handwerk/Urbane Produktion,
- Räume für Kultur und Sport.
Hierauf aufbauend entwickelte die Projektgesellschaft eine Gemeinwohlstrategie für das Projekt. Eine Machbarkeitsstudie der Architekt:innen berücksichtigte die gewonnenen Erkenntnisse. Die Landschaftsplaner:innen nahmen die gemeinsam identifizierten Interessen in ein erstes räumliches Konzept für die Außenanlagen auf. Um nähere Bedarfe und Nutzungen für die Außenanlagen zu klären, lud die Projektgesellschaft zu einem Mitmachfest ein. Pädagog:innen und Landschaftsplaner:innen hielten im Rahmen von Spiel- und Bastelaktionen sowie beim gemeinsamen Essen zwanglos Ideen der Besucher:innen fest. Dem folgte eine Planungswerkstatt (siehe Abbildung 5) mit Mietenden, Akteur:innen und Menschen aus dem Stadtteil, Stadtverwaltung, Politik und den Planer:innen des Gebäudes, moderiert von den Landschaftsplaner:innen. Alle gemeinsam entwickelten in Gruppenarbeit Ideen für konkrete Nutzungen und die Lage der Angebote auf dem Gelände. Die Ergebnisse dieses Prozesses flossen in das Integrierte Stadtentwicklungskonzept ein, das als formale Grundlage für die Städtebauförderung diente. Die Projektgesellschaft informiert seit dem Planungsauftakt die Quartiersnachbarschaft über alle Etappenergebnisse und lädt regelmäßig zu Informationsveranstaltungen ein.

Beteiligungsformate auf Mietebene
75 vorwiegend leerstehende Wohnungen in 15 Arbeitersiedlungshäusern hat die Projektgesellschaft Urbane Nachbarschaft Honsberg gGmbH 2023 von der GEWAG übernommen. In 15 Einheiten wohnten noch langjährige Bestandsmieter:innen, die dem kommenden Umbau besorgt entgegensahen. Hier galt es, einen Weg zu finden, diesen Menschen ihre Ängste zu nehmen und ihnen darüber hinaus die zukünftige Verbesserung ihrer Wohnsituation glaubwürdig zu vermitteln. Die Projektgesellschaft setzte deshalb von Beginn an auf offene Kommunikation und einen Dialogprozess mit den Bewohner:innen. Unmittelbar nach Abschluss des Erbbaurechtsvertrags stellte sich die Urbane Nachbarschaft Honsberg gGmbH den Mieter:innen vor und gab einen Überblick über Ziele und Maßnahmen des kommenden Umbaus. In den folgenden, persönlichen und vertraulichen Gesprächen während der Mietsprechstunden setzten sich die Immobilienverwalterin und der Bauprojektmanager intensiv mit den Wohnbedürfnissen der Menschen auseinander. So konnten zum Beispiel Änderungen im Familienstand (Auszug der Kinder, Wunsch nach kleinerer Wohnung) oder auch Mobilitätseinschränkungen (Wunsch nach Umzug ins Erdgeschoss bei älteren Mieter:innen) im Umbaukonzept und in der Belegungsplanung abgebildet werden. Für die Kernsanierung des ersten Bauabschnitts mussten einige Bewohner:innen in Übergangswohnungen des zweiten Bauabschnitts umziehen. Hier unterstützte die Projektgesellschaft mit finanzieller und praktischer Hilfe beim Umzug. Sie übernahm Umzugskosten, stellte Container für das Entrümpeln von Keller- und Speicherräumen bereit oder lieferte die Umzugskartons.
Ein ähnliches Vorgehen hat in Wuppertal Früchte getragen: Mitarbeitende der Projektgesellschaft der Wiesenwerke führten vor Übernahme der Immobilie und zu Beginn der Entwicklungsphase persönliche Gespräche mit einzelnen Bestandsmieter:innen zu deren Bedarfen. In Kooperation mit der Grundstückeigentümerin, der Stadt Wuppertal, organisierten sie Veranstaltungen mit allen Mietenden zur gemeinwohlorientierten und baulichen Projektentwicklung – diese Formate begleiten die noch laufende Planungs- und Bauphase weiter. Zudem informiert die Projektgesellschaft via E-Mail regelmäßig zum Projektstand und macht auf Einschränkungen zum Beispiel durch lautere Bauarbeiten aufmerksam. Sind Mietende stärker von bestimmten Umbaumaßnahmen betroffen, suchen Verantwortliche der Projektgesellschaft stets im Vorfeld das persönliche Gespräch und stimmen je nach Erfordernis entlastende Maßnahmen ab.
Um Akzeptanz für die zukünftige Gestaltung der Außenanlagen zu schaffen und insbesondere eine Lösung für die Parkraumnutzung auf dem Grundstück zu finden, führte die Projektgesellschaft Workshops durch. Öffentliche Stellflächen gibt es kaum im Quartier. Um den Mietenden ausreichend Stellplätze für wechselnde Bedarfe zur Verfügung stellen zu können, bedarf es deshalb eines durchdachten Parkraumkonzepts auf dem Gelände der Wiesenwerke.
Weiteres Konfliktpotenzial barg eine bereits länger währende Auseinandersetzung zwischen zwei Mietparteien im Bestand. Die Nachbarparteien fühlten sich gegenseitig durch als laut empfundene Tätigkeiten und Veranstaltungen gestört. Eine geplante räumliche Erweiterung seitens einer der Mietparteien verstärkte den Konflikt noch. Der Handlungsspielraum der Projektgesellschaft, den baulichen Schallschutz beim Umbau so zu ertüchtigen, dass beide Parteien ihre Nutzungen ungestört voneinander durchführen könnten, ist jedoch durch die Altbausubstanz des Denkmals eingeschränkt. Um eine Basis für einvernehmliche Vereinbarungen mit den Parteien zu schaffen, beauftragte die Projektgesellschaft deshalb externe Expert:innen mit einer Mediation. Um ähnliche Konflikte zukünftig im Vorfeld auszuschließen, vermeidet die Projektgesellschaft bei weiteren Vermietungen, Nutzungen, die einander stören könnten, direkt übereinander anzuordnen.
Wesentlicher Erfolgsfaktor für die Akzeptanz der baulichen Veränderung ist, dass in beiden Projekten projekteigene Mitarbeiter:innen Teil des Projektentwicklungsteams sind und die Mietverwaltung verantworten.
Aber auch wenn diese Personen das Vertrauen der Mietenden genießen, werden sie häufig mit der Frage konfrontiert: Könnt ihr hier nicht einfach alles so lassen, wie es vorher war? Dies verdeutlicht, dass nicht alle Erwartungen und Wünsche in der Bauphase Berücksichtigung finden können, sondern dass eine Projektentwicklung immer ein Prozess des Aushandelns und der Kompromisse ist. Gemeinsame, im Beteiligungsprozess erarbeitete Ziele helfen jedoch, dass Mieter:innen bleiben und die Gemeinwohlstrategie mittragen.
Rendite fürs Gemeinwohl
Eine große Sorge von Mieter:innen ist, dass nach einem Umbau die Mieten steigen und die Bauphase mit Lärm, Dreck sowie wirtschaftlichen und logistischen Einschränkungen einhergeht. Die Sorge von Projektentwickler:innen hingegen ist, dass unvorhersehbare Steigerungen bei Bau- und Finanzierungskosten die Wirtschaftlichkeit eines Projektes infrage stellen können. Beide Perspektiven treffen auch auf gemeinwohlorientierte Projektentwicklungen zu. Diese können aber die Kraft entfalten, unterschiedliche Perspektiven von Bewohner:innen und Entwickler:innen im Sinne einer Win-Win-Situation zusammenzubringen.
Die Projektgesellschaften der Wiesenwerke und des HONSWERK sind bestrebt, Wohnungen und Gewerbeeinheiten zu dauerhaft fairen und bezahlbaren Preisen zu vermieten. Gleichzeitig ist die Wirtschaftlichkeitsrechnung so konzipiert, dass durch die Vermietung der Immobilien Überschüsse erzielt werden sollen, die gemeinnützigen Projekten und Akteur:innen im Quartier zugutekommen. Die angestrebte Eigenkapitalrendite liegt allerdings deutlich unter der Renditeerwartung gewinnmaximierender Entwicklungsgesellschaften. Bezahlbare Warmmieten auf der einen, Überschüsse für das Gemeinwohl auf der anderen Seite: In diesem Spannungsfeld bewegen sich alle Stadtteilentwicklungsprojekte nach dem Initialkapital-Prinzip.
Für eine seriöse Wirtschaftlichkeitsbeurteilung ist für die Montag Stiftung Urbane Räume eine Mehrjahresplanung inklusive Instandsetzungsrücklagen, möglichem Mietausfall, Zinsen und Tilgung für Kredite, Abschreibungen und Personal sowie die beständige Fortschreibung unerlässlich. In alle ihre Projekte bringen die Montag Stiftungen Eigenkapital von im Regelfall 30 Prozent für die bauliche Investition ein. Dieses Eigenkapital verbleibt in der Projektgesellschaft, muss also nicht an die Stiftungen zurückgezahlt werden.
Bezahlbare Mietflächen in Zeiten der Energiekrise
In Remscheid finanziert die Projektgesellschaft Urbane Nachbarschaft Mirke gGmbH den Umbau der Wohnhäuser über ein Darlehen zur Modernisierungsförderung der NRW.BANK fremd. Somit sind alle 39 dort entstehenden Wohnungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren mietpreisgebunden und bleiben langfristig für Haushalte mit geringem Einkommen bezahlbar.
Ukrainekrieg, Energiekrise sowie Baukosten- und Zinsanstieg stellten auch das Projekt HONSWERK vor große Herausforderungen. Wegen absehbar hoher Preise für fossile Energieträger musste die Projektgesellschaft umplanen und viel mehr in Dämmung und innovative Wärmeversorgung investieren als ursprünglich vorgesehen. Durch die stark gestiegenen Baukosten bei gleichzeitig gesetzlich festgeschriebenen Mieterlösen drohte die Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft dauerhaft in die roten Zahlen zu geraten. Ein Kompromiss musste gefunden werden: Mit dem Bau und Betrieb der Wärmeversorgung beauftragte die Projektgesellschaft schließlich ein Energiecontracting-Unternehmen. So blieb das Gesamtprojekt mit bezahlbarem Wohnraum umsetzbar. Durch das Contracting-Modell konnte ein Teil der Investitionskosten für die Wärmeversorgungsanlage auf die Wärmekosten der Mieter:innen umgelegt werden. Die Wärmekosten selbst werden dafür deutlich niedriger als in den alten Häusern mit Gasthermen sein. Die Mieter:innen profitieren zudem von frisch sanierten Wohnungen mit Fußbodenheizungen und Balkonen. Beim Vertragsschluss mit dem Contractor wurden die umlegbaren Investitionskosten, verteilt auf 20 Betriebsjahre, als Hauptbestandteil der späteren Energieversorgungskosten fest vereinbart. Die Kosten für den Zukauf von Wärmepumpenstrom – in Zeiten, wenn die Photovoltaik-Anlage nicht genug Leistung bringt – verändern sich abhängig von den aktuellen Strompreisen.
In Wuppertal finanziert die Projektgesellschaft der Wiesenwerke die Sanierung und den Umbau des Industriedenkmals über ein Bankdarlehen. Von den rund 6.500 Quadratmetern Mietfläche (rund 80 Prozent befinden sich im Industriedenkmal aus den 1910er Jahren und 20 Prozent in einem Gewerbebau aus den 1980er Jahren) werden rund 50 Prozent im Denkmal neu vermietet. Die Höhe der Bestandsmieten soll bestehen bleiben. Auch die neu vermieteten und modernisierten Flächen möchte die Projektgesellschaft zu fairen Preisen vermieten. Der Anstieg von Energiepreisen, Baukosten und Zinsen machte auch bei den Wiesenwerken Planungsänderungen erforderlich. Um das Mietniveau halten zu können, entschied die Projektgesellschaft beispielsweise, anstatt die gesamte Fassade zu sanieren nur lose Putzstellen und freiliegende Bewehrungsbereiche instand zu setzen. Auch die großflächigen Metallfenster wurden nicht saniert. Dieses Vorgehen hatte die Projektgesellschaft zuvor mit Sachverständigen und mit der Unteren Denkmalpflege abgestimmt. Darüber hinaus übernahm die Projektgesellschaft aus einem Abbruchprojekt eines externen Unternehmens gebrauchte, hochwertige Türblätter und Systemtrennwände kostenfrei und organisierte den Transport selbst. Die gebrauchten Türblätter müssen nun neu lackiert werden. Diese Leistung können die Mieter:innen optional in Eigenleistung erbringen, die Bewohner:innen einer ersten Mieteinheit haben sich bereits für diese Option entschieden.
Diese Umplanungen haben bei allen Beteiligten viel Flexibilität gefordert und rund eineinhalb Monate Zeit sowie ein höheres Planungshonorar gekostet.
Kooperation: Auf Partnerschaften setzen
Beide Projekte setzen in der Projektentwicklung auf starke Kooperationen mit der öffentlichen Hand, Unternehmen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen. Hinzu kommt eine optimale Inanspruchnahme öffentlicher Förderungen aus verschiedenen Quellen. Die Kooperationspartner:innen aktivierten alle Kompetenzen zu Themen wie Baurecht, Denkmalschutz und Mobilitätskonzepten – dieser Austausch ist für das Gelingen beider Projekte von großer Bedeutung. Zudem eröffnet diese Vorgehensweise die Chance, sich auf ein gemeinsames Lernfeld zu begeben, Erfahrungen zu sammeln und zukunftsfähige Ansätze der Stadt- und Stadtteilentwicklung fortzuschreiben.
Wichtige Voraussetzung: Alle Seiten müssen kontinuierliche Ansprechpartner:innen zur Verfügung stellen, die Entscheidungen und Ergebnisse jeweils in weitere Ebenen kommunizieren. Grundlage für diese Kooperationen sind immer schriftliche Vereinbarungen eines gemeinsamen Ziels.
Kommunen und Unternehmen als Partner:innen
Politik und Verwaltung sind in Wuppertal und Remscheid jeweils unverzichtbare Projektpartner, bei den Wiesenwerken ist die Stadt Wuppertal auch Erbbaurechtsgeberin. In beiden Vorhaben stellten die Städte in Abstimmung mit den Projektgesellschaften die Anträge auf Städtebauförderung und bringen den kommunalen Eigenanteil ein, um definierte Projektbausteine zu finanzieren. Fördermittel und Eigenanteile werden an die Projektgesellschaften als Letztempfängerinnen weitergeleitet.
Eine Besonderheit im Projekt HONSWERK: Hier ist ein privates Wohnungsbauunternehmen, die GEWAG Wohnungsaktiengesellschaft, Erbbaurechtsgeberin und hat der Remscheider Projektgesellschaft 15 sanierungsbedürftige Siedlungshäuser als Sachspende zukommen lassen.
Im Projekt Wiesenwerke ist eine Beschäftigungsinitiative eine zusätzliche, wichtige Partnerin. Deren Klient:innen können sich während des Bauprozesses praktisch und theoretisch weiterqualifizieren und leisten gleichzeitig mit ihrer Bautätigkeit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Projekts. Darüber hinaus leistet die Montag Stiftung Urbane Räume mit der Maßnahme einen Beitrag, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Entscheidend für alle Projekte nach dem Initialkapital-Prinzip sind stabile Partnerschaften. Diese gilt es, langsam wachsen zu lassen, schrittweise in Gemeinschaftsprojekten zu erproben und dann in Kooperationsvereinbarungen, Erbbaurechtsverträgen oder Mittelweiterleitungsvereinbarungen schriftlich zu fassen. Denn die Verschriftlichung klärt die Rollen, Erwartungen und Reibungspunkte der Kooperationspartner:innen und hilft jene Sachverhalte zu regeln, die später wichtig sind für die gelebte Kooperation.
Zusammenarbeit mit Hochschulen
Über ihre Projektgesellschaften trägt die Montag Stiftung Urbane Räume das Thema der Gemeinwohlorientierung durch Kooperationen mit Hochschulen auch in die Ausbildung von angehenden Planer:innen und Architekt:innen. So zum Beispiel beim Bau des Gemeinschaftspavillons auf dem Honsberg (siehe Abbildung 6).

Die Projektgesellschaft verfügt zwar nach dem Vertragsabschluss in Remscheid über viele Häuser, eine Interimsnutzung als Gemeinschaftsort ließ der schlechte Bauzustand jedoch in keinem der Häuser zu. So entwickelten die Beteiligten die Idee, einen Gemeinschaftspavillon auf einer Allmendewiese im Blockinnenraum neu zu errichten. In einem zweijährigen Design-Build-Prozess entwarfen, planten und bauten Studierende der TH Köln und des Social Impact Labs an der Peter Behrens School of Arts Düsseldorf einen rund 50 Quadratmeter großen offenen Pavillon in Holzbauweise. Auch das lokale Handwerk half mit, so brachte zum Beispiel der örtliche Dachdeckerbetrieb den Studierenden das Verschiefern bei. Die Projektgesellschaft finanzierte das Material, das zu einem Teil aus wiederverwendeten Baustoffen von Baustellen aus der Region bestand. Im Sommer 2023 konnte der Pavillon dann mit einem großen Techno-Picknick eingeweiht werden und ist seitdem zum beliebten Treffpunkt der Nachbarschaft und zum Ort von Veranstaltungen verschiedener Remscheider Initiativen und Vereine geworden.
Kulturwende in der Zusammenarbeit am Bau
Vertragsregelungen und der Umgang der Beteiligten beim Planen und Bauen miteinander sind allzu oft auf Konflikt und Konfrontation ausgerichtet. Bei den durch die Montag Stiftung Urbane Räume initiierten gemeinwohlorientierten Projektentwicklungen verfolgen alle Projektbeteiligte gemeinsame Ziele, die auch in Verträgen festgehalten sind, um möglichst konfliktarm, agil und innovativ mit Planenden und bauausführenden Firmen zusammenzuarbeiten. Ob und wie das in den beiden hier als Beispiel dienenden Projekten gelingen wird, werden die nächsten zwei Jahre zeigen.
Beim Projekt Wiesenwerke, das sich in der Phase des Baus und der begleitenden Planung befindet, zeigt sich bereits jetzt, dass sich bei vielen Projektbeteiligten, mit denen die Montag Stiftungen bereits anderweitig zusammengearbeitet haben, eine Vertrauensbasis gebildet hat. Die Parteien agieren zuverlässig miteinander. Immer wieder beziehen wir aber auch neue Projektbeteiligte ein – aufgrund der Lage der Projektstandorte, des Fachkräftemangels und dem Bestreben, lokale Firmen zu beschäftigen und für unsere Projekte zu begeistern. Wir entwickeln deshalb neben geeigneten (vertrags-)rechtlichen auch organisatorische Grundlagen und beachten dabei zudem soziokulturelle Faktoren. Hinzu kommt, dass wir kontinuierlich mit den Handwerker:innen auf den Baustellen im Gespräch bleiben, ab und zu laden wir sie auch mittags zum Grillen ein.
Chancen: Gemeinschaftsorte prozesshaft entwickeln
In den Projekten der Montag Stiftung Urbane Räume entstehen Orte zum Mitmachen, die Chancen auf Teilhabe, Bildung, Selbstwirksamkeit und Gemeinschaftserfahrung bieten. In Remscheid-Honsberg sind dies die HONSWERKSTATT und der Stadtteilgarten. Mit der HONSWERKSTATT möchten alle Beteiligte eine Stadtteilwerkstatt als Begegnungsort für Menschen aus dem Quartier und aus der gesamten Werkzeugstadt Remscheid schaffen.
Im Quartier Mirke in Wuppertal können gemeinnützig Tätige und Engagierte innerhalb des Gebäudes einen Projektraum mit Küche in der Größe von rund 120 Quadratmetern nutzen – unentgeltlich. Weitere Räumlichkeiten in unterschiedlicher Lage und Größe sind geplant, die in Zukunft für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden. Zudem stehen im Außenraum drei Allmende-Freiflächen zur Verfügung (siehe Abbildung 7).
Möglichkeitsräume entwerfen
Es war eine bewusste Entscheidung, in Remscheid eine Werkstatt als Möglichkeitsraum zu planen, den eine Vielzahl von Nutzer:innen bespielen und sich aneignen kann. Daher hat das Planungsteam das Gebäude nicht auf eine bestimmte Ankernutzung hin entwerfen lassen. Vielmehr entwickelte es zunächst zusammen mit Quartiersakteur:innen ein Programm fiktiver Angebote im Jahr 2027, dem ersten Jahr des Regelbetriebs. Dieses Programm ersetzte das sonst übliche Raumprogramm bei der Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs, an dem fünf junge Büros teilnahmen. Das Preisgericht aus Vertreter:innen der Projektpartner:innen und der Nachbarschaft entschied sich für den Entwurf des Kölner Büros Wolfgang Zeh Architektur, das ein höchst flexibles Raumgefüge entwarf. Das Gebäude mit 435 Quadratmeter Nutzfläche auf zweieinhalb Ebenen bietet eine große Werkhalle für schweres Werkzeug und Maschinen sowie Seminarräume im Obergeschoss und eine Küche. Ob Eigenbauprojekte der Bewohner:innen, handwerklich-gestalterische Bildung für Jugendliche, Küche der Kulturen oder Repair-Café – hier wird vieles möglich sein.

Auch in Wuppertal werden die von der Allgemeinheit nutzbaren Orte viel Freiraum für die zukünftigen Entwicklungen bieten. Zum Beispiel sind für den Nachbarschaftsplatz ein flexibles Beschattungssystem, das auch als Regenschutz dienen kann, sowie Stromanschlüsse geplant. Eine mobile Möblierung wird viele Nutzungsoptionen eröffnen.
Die Gemeinschaft spielt die Hauptrolle
Die Montag Stiftung Urbane Räume versteht sich als Anstifterin: Zunächst schafft sie lediglich Räume, doch dadurch, dass diese Räume stets als Gemeinschaftsorte geplant sind, spielt von Anfang an die Community vor Ort eine wichtige Rolle. Im Laufe der Projekte übernimmt die Gemeinschaft die Hauptrolle: Sie ist es, die solche Orte mit Aktionen und Angeboten füllt, sie am Leben erhält. Um diesen Prozess des Community-Building und der späteren Aneignung zu begleiten, organisiert die Stiftung schon während der Planung und des Baus Mitmachangebote für verschiedenste Zielgruppen (siehe Abbildung 8). So hatte zum Beispiel das Projekt BOB-Campus im Sommer 2019 das sogenannte BOB LAB veranstaltet, ein experimentelles Format für den späteren Betrieb einer Nachbarschaftsetage. Dieses Format stand dann beim Remscheider Projekt HONSWERK Pate für das MIMA-Festival. Auch war die Residenzwoche der Landschaftsarchitekten des Berliner Büros Le Balto bei der Planung des Nachbarschaftsparks im BOB-Campus Anregung dafür, das Planungsbüro Taller de Casqueria zwei Wochen nach Remscheid einzuladen, um auf dem Honsberg mit den Menschen die Quartiersentwicklungsstrategie zu erarbeiten.

Das MIMA 2024 – ein Mitmachfestival für alle Menschen im Quartier und Neugierige jeden Alters – begeisterte in Remscheid mehr als 300 Besucher:innen. Mit Schlüsselpartner:innen wie der Kulturwerkstatt Ins Blaue, lokalen Handwerksbetrieben und dem Social Impact Lab der Düsseldorfer Peter Behrens School of Arts lockten 20 Kursangebote rund ums Handwerk und künstlerische Gestalten. Drei Tage lang verwandelte sich der Blockinnenraum zwischen zwei Straßenzügen mit vielen Pavillons und Ständen in eine große Freiluftwerkstatt und ein offenes Atelier. Dabei konnten die Beteiligten wichtige Erkenntnisse zur Attraktivität von Angeboten gewinnen und sich mit den Zielgruppen der künftigen HONSWERKSTATT sowie Aktiven und Engagierten im Bergischen Städtedreieck vernetzen. Im Frühjahr 2026 soll die HONSWERKSTATT dann mit der zweiten Auflage des MIMA-Festivals (siehe Abbildung 9) eröffnet werden.

Das Projekt Wiesenwerke in Wuppertal setzt auf Kollaboration: Viele Mieter:innen sind bereits in Schlüsselfeldern wie Kultur, Sport und Bildung engagiert. Daraus ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte zur Vernetzung mit der Nachbarschaft. Die Industriekultur rund um das Denkmal der ehemaligen Gold-Zack-Fabrik wird zum Beispiel durch gemeinsame Veranstaltungen mit dem im Gebäude ansässigen Museum für Bandweberei erlebbar – ob beim Tag der Industriekultur, beim Tag des Denkmals oder im Rahmen von Ausstellungen. Die bereits etablierte Boulderhalle bietet Kurse für Schulklassen. Das ansässige Theater plant, seine Räumlichkeiten für gemeinnützige Zwecke bereitzustellen.
Die Kollaborationen reichen aber auch weiter ins Quartier: Denn Akteur:innen und Initiativen aus dem Stadtteil (siehe Abbildung 10) sind wichtige Multiplikator:innen des Gemeinwohlgedankens. So sind inzwischen viele Gemeinschaftsprojekte entstanden: die zuvor beschriebenen Stadteilwerkstätten, ein mittlerweile jährlich stattfindender Flohmarkt, eine Verschönerungsaktion des Nachbarschaftsplatzes und ein Schenkschrank.

In Zusammenarbeit mit Studierenden der Bergischen Universität Wuppertal vom Studiengang Public Interest Design hat die Projektgesellschaft die Quartiersnachbarschaft zudem zu einem interaktiven Spiel auf das Gelände der Wiesenwerke eingeladen: Beim People Pong haben die Teilnehmenden an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet und untereinander Kontakte geknüpft. Mit den Studierenden entsteht außerdem ein Konzept für Freiraummöbel für das gesamte Quartier Mirke. In einem ersten Schritt können Interessierte aus dem Quartier mit Unterstützung der Studierenden die Möbel für den Nachbarschaftsplatz selbst bauen – und auf diese Weise bauen sie auch ein wenig ihre eigene Zukunft.
Gewohnte Strukturen aufbrechen, Transformation ermöglichen
Die Projekte HONSWERK und Wiesenwerke sind Beispiele und exemplarische Lernfelder für alle Projekte der Montag Stiftung Urbane Räume nach dem Initialkapital-Prinzip. Das Initialkapital-Prinzip umfasst dabei weitaus mehr als die Bereitstellung des Eigenkapitals über die Montag Stiftungen: Wesentlich ist die Haltung, die auf die ko-kreative und kooperative Erarbeitung von Entwicklungszielen und Nutzungsbausteinen gemeinsam mit den Menschen in den Stadtteilen setzt.
Je nach Stadt, Quartier und Umfeld, je nach Bestandsimmobilie und Größe, sind die Projekte der Montag Stiftung Urbane Räume und die damit einhergehenden Anforderungen sehr unterschiedlich. Eines haben alle Projekte jedoch gemeinsam: Sie verändern gewohnte Strukturen, sie setzen auf Transformation. Wir haben gelernt, dass dies zu Unsicherheiten und Ablehnung bei den Menschen vor Ort führen kann, und dass nur behutsame Kommunikation und Moderation solche Transformationen ermöglichen. Unerlässlich sind dabei die persönliche Ansprache und ein schrittweiser Vertrauensaufbau. Das haben zum Beispiel die Mietsprechstunden im HONSWERK gezeigt.
Um an Orten mit wenig gemeinwohlorientierten Aktivitäten Möglichkeitsräume aufzuzeigen, bedarf es besonders starker Impulse. Dafür setzt die Montag Stiftung Urbane Räume auf Akteur:innen aus dem Stadtteil selbst, aber auch auf Expertise von außen. Ohne die Partnerschaft mit der Kulturwerkstatt Ins Blaue hätte es vermutlich kein Stiftungsprojekt auf dem Honsberg gegeben. Ohne die Lehrenden und Studierenden der Hochschulen wäre kein Gemeinschaftspavillon entstanden, ohne die externen Dozent:innen wäre das Mitmachfestival 2024 nicht so erfolgreich gewesen.
Beim Projekt Wiesenwerke hat sich die Zusammenarbeit mit lokal ansässigen gemeinnützigen Einrichtungen sowie Institutionen besonders bewährt. Eine dieser Einrichtungen im Quartier Mirke ist die Alte Feuerwache Wuppertal, die seit über 30 Jahren mit Kindern und Jugendlichen arbeitet. Eine Mieterin, das Fanprojekt Wuppertal, seit fast 20 Jahren ebenfalls im Bereich Jugend- und Sozialarbeit tätig und mit der aktiven Fußball-Fanszene vernetzt, ist ebenfalls unerlässlicher und hilfreicher Partner, um möglichst viele Menschen im Quartier zu erreichen.
Alle in den Projekten der Montag Stiftung Urbane Räume Tätigen lernen voneinander und stehen kontinuierlich in inhaltlichem Austausch untereinander und mit der Stiftung. Einmal im Jahr treffen sie sich zu einer zweitägigen Klausurtagung. Diese Tagungen eröffnen einen Lernraum, in dem alle Mitarbeitenden der Projekte und des Stiftungsteams sich persönlich kennenlernen, Erfahrungen austauschen, vorhandene Ansätze hinterfragen und gemeinsam neue Ideen entwickeln. Zudem gibt es unterjährig in regelmäßiger Taktung sogenannte Erfahrungsaustauschteams. Das sind Kleingruppen in denen sich die Mitarbeitenden von Stiftung und Projektgesellschaften über Fachthemen wie Vermietung, Gemeinwohlmanagement oder Bauprozessmanagement digital oder persönlich austauschen. So wächst nicht nur das in Immobilien gebundene Kapital, sondern auch das gemeinsam erarbeitete Wissenskapital in Bezug auf gemeinwohlorientierte Wege der Stadtteilentwicklung von Jahr zu Jahr.