Published 2.05.2024

Hoffnungsträgerin digitale Partizipation

Ergebnisse einer Befragung zu Chancen und Herausforderungen für die Stadtentwicklung

New Hope Digital Participation 

Findings of a Survey on Chances and Challenges for Urban Development

Keywords: Bürger:innenbeteiligung; digitale Partizipation; multi–channel Partizipation; Stadtentwicklung; Verwaltung; citizen participation; digital participation; multi–channel participation; urban development; administration

Abstract:

Partizipation ist ein zentrales Element einer nachhaltigen und gerechten Stadtentwicklung. Dennoch sind eine soziale Selektivität, die Diskrepanz zwischen Partizipationsinteresse und Einflussspielraum sowie eine unzureichende Einbettung der Ergebnisse in den Planungsprozess fortwährende Herausforderungen. Daher sind große Hoffnungen mit der Etablierung digitaler Partizipation verbunden: Neue technische Möglichkeiten bieten die Chance einer intensiveren und flexibleren Teilhabe. Dennoch stellt die Digitalisierung die partizipative Stadtentwicklung vor völlig neue Aufgaben. Dieser Beitrag möchte vor diesem Hintergrund aufzeigen, mit welchen Chancen und Grenzen digitale Partizipation in der Praxis verbunden ist. Die Ergebnisse einer Umfrage werden vorgestellt, die digitale Partizipation aus Perspektive verantwortlicher Kommunalverwaltungen betrachten. Es wird untersucht, welche Ressourcen und Methoden eingesetzt sowie welche Ergebnisse und Wirkungen erzielt werden. 

Participation is a key element of sustainable and just urban development. Nevertheless, social selectivity, the discrepancy between participation interest and influence as well as an insufficient embedding of the results in the planning process are ongoing challenges. Therefore, great hopes are linked to the emergence of digital participation: New technical solutions offer the chance of a more intensive and flexible participation. Nevertheless, digitalisation confronts participatory urban development with entirely new tasks. In this context, the article aims to show chances and limits of digital participation in practice. The results of a survey are presented that looks at digital participation from the perspective of responsible local governments. It examines which resources and methods are used and which results and impacts are achieved.

Die gerechte Stadt?

Verwaltung und Politik stehen im Kontext wachsender Städte vor der Herausforderung, Wachstum und soziale Gerechtigkeit zu vereinen (Hovik und Giannoumis 2022: 2). Urbane Krisen, wie kürzlich durch die Covid–19–Pandemie hervorgehoben, erfordern transformative und kollektive Handlungsansätze (Morais 2022: 1). Vor diesem Hintergrund haben sich hierarchische administrative Strukturen in Städten zu einer netzwerkartigen Governance entwickelt, in der öffentliche, private und zivilgesellschaftliche Akteur:innen kooperieren (Silva 2020: 2). Diese Urban Governance hat in den vergangenen Jahren einen collaborative und participatory turn erfahren (Dean 2018: 180). Damit geht auch ein verändertes Planungsverständnis einher. Wo Stadtentwicklung ausschließlich abhängig von Plänen öffentlicher Akteur:innen war, wird sie heute vom Handeln vieler Akteur:innen unterschiedlicher Bereiche bestimmt (Selle 2011: 15). Folglich hängt erfolgreiche kooperative Planung von der Partizipation aller Stakeholder ab (Lahode und Schaumann 2022: 291).

Partizipation spielt bei der Gestaltung einer gerechten Stadt mit Chancengleichheit und Umweltgerechtigkeit für alle eine bedeutende Rolle (BMWSB 2020: 1, 5). Dennoch existieren Barrieren, die diese gerechte Teilhabe nicht ermöglichen (Morais 2022: 23). Vor diesem Hintergrund besteht durch den Einsatz digitaler Partizipation die Möglichkeit, Barrieren zu senken und Grenzen analoger Partizipation zu adressieren (Aichholzer und Kubicek 2016: 16). Für ein tieferes Verständnis des Einsatzes von digitalen Partizipationsformaten ist weitere Forschung vonnöten (Akmentina 2022: 2). Dieser Beitrag hat demnach zum Ziel, die Chancen digitaler und multi–channel Partizipation für die Stadtentwicklung auf Basis einer Online–Befragung von Verfahrensverantwortlichen zu beleuchten und gleichzeitig Herausforderungen, die mit der Digitalisierung der Partizipation einhergehen, aufzuzeigen. 

Partizipation in der Stadtentwicklung

Morais (2022: 3) unterscheidet zwei sich ergänzende Dimensionen von Partizipation auf städtischer Ebene. Während institutionalisierte Partizipationsverfahren top–down organisiert sind, wie zum Beispiel Bürger:innenversammlungen, beschreibt nicht–institutionalisierte Partizipation bottom–up initiierte Teilhabe wie Proteste oder Initiativen. In diesem Zusammenhang werden auch die Begriffe invited und invented space geprägt. Invited spaces sind top–down eingerichtete Partizipationsräume, die von staatlichen Akteur:innen strategisch genutzt werden, um eine breitere Grundlage für politische Entscheidungen zu entwickeln. Derweil werden invented spaces von Bürger:innen geschaffen (Wagschal et al. 2022: 89). Zudem sind bei top–down Partizipation formelle, also gesetzlich verpflichtend und in Art und Umfang geregelte von informellen Verfahren ohne Vorschriften abzugrenzen (Gerl 2022: 149).

Partizipation schafft auf lokaler Ebene Responsivität und Vertrauen für politische Entscheidungen. So können Politikverdrossenheit reduziert und Problemlösungen effizienter gestaltet werden (Vetter 2008: 9, 16). Zivile Akteur:innen können in gemeinsamen Lernprozessen die Räume, in denen sie leben und arbeiten, gestalten und nachhaltige, innovative Ideen entwickeln (Lahode und Schaumann 2022: 292; Bastos et al. 2022: 14). Ergebnisse einer gelungenen Beteiligung sind dementsprechend häufig von höherer Qualität, da mehrere Perspektiven in den Prozess fließen (Sommer 2015: 19). Diese partizipative Herangehensweise ermöglicht es durch ihre offene Struktur nachhaltige Stadtentwicklungsprozesse sowie Lebens– und Denkweisen anzustoßen (Amado et al. 2010: 102, 107). Folglich ist Partizipation ein zentrales Element wichtiger Abkommen und Bündnisse nachhaltiger Entwicklung, wie zum Beispiel der Aarhus–Konvention oder den Sustainable Development Goals (Türken und Eyuboglu 2021: 173). Die Neue Leipzig–Charta (2020), die einen politischen Rahmen für die Umsetzung internationaler Abkommen zu einer nachhaltigen Entwicklung bietet, hat eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung zum Ziel. Neben den Dimensionen der grünen und produktiven Stadt wird die gerechte Stadt hervorgehoben, die die Chancengleichheit und Umweltgerechtigkeit für alle Bürger:innen gewährleisten soll. Auch hierin spielen partizipative Ansätze und Teilhabe eine zentrale Rolle (BMWSB 2020: 1, 5). 

Dennoch bestehen wesentliche Grenzen von Partizipation fort. Barrieren der Beteiligung unterrepräsentierter oder vulnerabler Bevölkerungsgruppen können teilweise nicht überwunden werden, da diese Gruppen nicht identifiziert werden oder es an Strategien zur Senkung der Zugangsbarrieren mangelt (Morais 2022: 23). Daher ist Partizipation mit ungleichen Machtverhältnissen (Evans–Cowley und Hollander 2010: 397) und sozialer Selektivität verbunden. Ein weiteres Problem von Beteiligung ist das sogenannte Partizipationsparadox: Es adressiert im Zeitverlauf eines Planungsprozesses steigendes Interesse, welches mit dem kontinuierlich kleiner werdenden Einflussspielraum kollidiert (Westholm 2006: 712–713). Ferner werden Partizipationsergebnisse häufig unzureichend in den Planungsprozess eingebettet (Morais 2022: 24). So ist die Bedeutung der Ergebnisse für Planungs– und Entscheidungsseite und somit deren Nachhaltigkeit häufig zu hinterfragen (Selle 2011: 5, 12), wenn bereits getroffene Entscheidungen lediglich legitimiert oder Proteste beschwichtigt werden sollen (Evans–Cowley und Hollander 2010: 399; Wagschal et al. 2022: 89). Des Weiteren sind für die Umsetzung von Partizipation zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen erforderlich, an denen es städtischen Verwaltungen vielfach mangelt (Stock 2011: 14). Dies hängt auch mit einem fehlenden Erfahrungsschatz aufgrund eines mangelnden Austauschs Verantwortlicher zusammen (Selle 2011: 6). Auch aus Bürger:innenperspektive wird Partizipation teilweise als sehr (zeit)aufwändig betrachtet (Westholm 2006: 726–727). 

Die Digitalisierung von Partizipationsverfahren

Vor dem Hintergrund des zentralen Stellenwerts von Partizipation bei gleichzeitig fortbestehenden Problematiken analoger Verfahren wurden große Potentiale in der Etablierung digitaler Partizipation gesehen (Aichholzer und Kubicek 2016: 16). Digitale Partizipation oder auch E–Partizipation ist eine Form der Teilhabe mithilfe digitaler Tools durch das Internet sowie Informations– und Kommunikationstechnologien (IKT) (Hovik und Giannoumis 2022: 3). Sie kann in allen Phasen des politischen Planungs– und Entscheidungsprozesses eingesetzt werden, um Informationen auszutauschen, Bürger:innen zu konsultieren und kollektive Entscheidungsfindung zu ermöglichen (Gerl 2022: 149–150). Mit der Weiterentwicklung digitaler Medien wird auch die Partizipation in der Stadtentwicklung zunehmend digitalisiert (Märker und Wehner 2014: 59), sodass nach und nach neue Möglichkeiten der Partizipation im digitalen Raum geschaffen werden (Türken und Eyuboglu 2021: 179). Dieser Wandel in der Kommunikation eröffnet grundlegend neue Wege der Mitwirkung an der Gestaltung der Städte (Klemme et al. 2018: 6). So haben sich sowohl top–down als auch bottom–up neue Optionen digitaler Teilhabe in der Stadtentwicklung entwickelt (Selle 2018: 16). In jüngster Vergangenheit haben insbesondere die Kontaktbeschränkungen im Zuge der Covid–19–Pandemie als Katalysator für Angebot von und Nachfrage nach digitaler Beteiligung gewirkt (Hovik und Giannoumis 2022: 1; Berlin Institut für Partizipation 2022: 13). 

Die Umsetzung von digitaler Partizipation bietet die Chance, Beteiligungsbarrieren zu überwinden, da digitale Information und Kommunikation einfacher und flexibler ist (Aichholzer und Kubicek 2016: 16; Kubicek 2017: 270). Für Verfahrensverantwortliche ist die zeitökonomische und kostengünstige Umsetzung einer digitalen Partizipation ein zentraler Vorteil gegenüber analoger Beteiligung (Brake 2008: 73; Aichholzer und Kubicek 2016: 17). Durch die Zeit– und Ortsungebundenheit können sich mehr Menschen synchron und asynchron beteiligen und werden durch unterschiedliche Kommunikations– und Informationsstrategien und –medien wie zum Beispiel Gamification oder Virtual Reality angesprochen. Somit lassen sich Hürden und Ungleichheiten von Partizipation abbauen und insbesondere junge Bürger:innen werden zur Teilhabe motiviert (Othengrafen et al. 2022: 68; Gerl 2022: 146–151). Simulationen, 3D–Modelle und Videos tragen durch Visualisierungen zur Verständlichkeit raumbezogener Planungen bei (Klemme et al. 2018: 9). Auch durch GIS–Anwendungen lassen sich Informationen und Planungen visuell vereinfacht darstellen und damit Sprach– und andere Barrieren überwinden. Zudem können Bürger:innen die eigene Teilhabe durch digitale Plattformen organisieren (Türken und Eyuboglu 2021: 172; Evans–Cowley und Hollander 2010: 398–400). In urbanen Designprozessen wird immer häufiger digitales Ko–Design eingesetzt, um konkrete Konzepte durch Lai:innen in Zusammenarbeit mit Expert:innen zu entwickeln (Stelzle et al. 2020: 85), wodurch lokales Wissen und Kreativität der Bürger:innen für den Designprozess genutzt werden können (Münster et al. 2017: 2396).

Um die Qualität eines Planungsprozesses zu erhöhen, ist es zielführend die Stärken von Online– und Offlineformaten der Partizipation gleichermaßen zu nutzen und beide Sphären zu verknüpfen (Gerl 2022: 153). Da verschiedene Nutzer:innengruppen Medien unterschiedlich nutzen, kommt es auf den richtigen Mix aus alten und neuen Medien an, mit dem die Adressat:innen möglichst vollständig erreicht werden können (Kubicek et al. 2009: 14). Die Kombination von Online– und Offline–Beteiligung spielt daher eine zentrale Rolle in städtischen Planungs– und Entscheidungsprozessen, die in Zukunft noch weiter wachsen wird (Akmentina 2022: 24). Dieser Modus der Partizipation wird als multi–channel–, blended oder hybrid bezeichnet. Digitale Partizipation hat dementsprechend eher eine komplementäre Funktion, statt traditionelle Beteiligungsformate vollständig zu ersetzen (Freschi et al. 2009: 64). Kubicek (2014: 67–69) schlägt auf Basis einer praktischen Erprobung informeller Konsultation das Format 2 x 2 vor, bei dem sowohl in der Phase der Ideensammlung als auch Prioritätenbildung Online– und Präsenzbeteiligungsformate durchgeführt werden. 

Dennoch sind digitale Beteiligungsverfahren mit Grenzen und neuen Herausforderungen verbunden. Voss (2014: 16) konstatiert, dass das Problem der sozialen Selektivität und Exklusion trotz der theoretischen Vereinfachung der Teilhabe durch digitale Partizipation nicht immer gelöst werden kann. Da digitale Partizipationsverfahren wie konventionelle Beteiligung offen und selbstrekrutierend sind, besteht die Schwierigkeit, diejenigen zu erreichen, die schwer zu erreichen sind (Märker und Wehner 2014: 61). Der sogenannte digital divide, der die Fragmentierung der Gesellschaft auf Basis des Zugangs und der Nutzung des Internets und digitalen Medien abhängig von verschiedenen sozioökonomischen Determinanten beschreibt, resultieren unter Umständen in einer Verzerrung der Beteiligungsergebnisse, da bestimmte Perspektiven nicht in den Prozess einfließen (Kubicek 2017: 270; Gerl 2022: 152). Der digitale Raum führt zudem potenziell zu einem unzureichenden interaktiven Austausch (Othengrafen et al. 2022: 68; Akmentina 2022: 5). Ferner ist digitale Beteiligung trotz der beschriebenen Effizienzvorteile gegenüber analoger Partizipation mit Aufwänden auf Anbieter:innenseite verbunden. Dementsprechend ist strittig, in welchem Kosten–Nutzen–Verhältnis digitale gegenüber herkömmlichen Partizipationsverfahren stehen (Berlin Institut für Partizipation 2022: 18). Obwohl die Digitalisierung das Potenzial hat, kommunale Planungsverfahren zu beschleunigen (Kuscher 2023: 89), ist digitale Partizipation insbesondere mit hohen Anlaufkosten verbunden, wenn Tools zunächst neu implementiert werden müssen (Türken und Eyuboglu 2021: 177). Fehlende technische und personelle Ressourcen verhindern folglich in vielen Fällen die Einführung digitaler Beteiligung. Zudem mangelt es häufig an finanziellen Mitteln, um Dienstleister zu beauftragen (Gerl 2022: 152).

Angesichts der Interdisziplinarität des Forschungsfeldes wurde digitale Beteiligung in der Vergangenheit zunehmend aus diversen Blickwinkeln und mit verschiedenen methodischen Herangehensweisen beleuchtet. 

Freschi et al. 2009: 7

In Zukunft besteht dennoch weiterer Forschungsbedarf, um ein tieferes Verständnis dafür zu schaffen, wie digitale Beteiligung in übergeordnete Planungsprozesse passt und wie sie Planungspraxis und Teilhabe verändert hat (Akmentina 2022: 2). Andererseits werden Barrieren für die Nutzung von digitaler Partizipation auf Nutzer:innen- und Anbieter:innenseite in der Forschung selten berücksichtigt. Es mangelt an empirischen Auseinandersetzungen mit dem Kontext des Einsatzes von digitaler Beteiligung sowie Möglichkeiten und Grenzen dieser (Othengrafen et al. 2022: 64). Ferner werden die Wirkungen von digitaler Partizipation auf die Teilhabe der Bürger:innen nur selten und unzureichend evaluiert (Pratchett et al. 2009: 75). Es zeigt sich dementsprechend eine Diskrepanz zwischen den Bestrebungen nach Partizipation und der mangelnden Fokussierung auf die Evaluation der Wirksamkeit durch festgelegte Kriterien und vergleichende Studien (OECD 2005: 10–11; Aichholzer und Kubicek 2016: 11). 

DIGIPART: Beteiligungsprobleme digital gelöst?

Vor diesem Hintergrund verfolgt das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsprojekt DIGIPART: Beteiligungsprobleme digital gelöst? Multi–Channel–Partizipation an den drei kritischen Schnittstellen des politischen Planungsprozesses das Ziel, zu untersuchen, inwieweit digitale und multi–channel Partizipation die klassischen Probleme der Bürger:innenbeteiligung lösen kann. Dabei gilt es zu ermitteln, welche Formate im Rahmen der digitalen Partizipation zum Einsatz kommen, welche Ressourcen aufgewendet und Methoden eingesetzt werden (Input), welche Ergebnisse entstehen (Output) und mit welchen mittel– und unmittelbaren Wirkungen dies verbunden ist (Outcome und Impact). Neben der Durchführung von Fallstudien wurde im Rahmen des Projekts eine Datenbank von digitalen und multi–channel Partizipationsverfahren in Städten, Kreisen, auf Regionalplanungs– sowie Landesebene aufgebaut. 

Auf dieser Basis wurde im April/ Mai 2023 eine Online–Befragung von Verfahrensverantwortlichen digitaler und multi–channel Partizipation verschiedener Fachstellen innerhalb der Verwaltung (zum Beispiel Planungsamt, Umweltamt, Amt für Inklusion, Anliegenmanagement, diverse Stabstellen) über das Tool Limesurvey durchgeführt, um Input, Output, Outcome und Impact vertiefend zu untersuchen und vergleichend zu analoger Partizipation darzustellen. Der Fokus lag zum einen auf dem gesamten Partizipationsprozess, zum anderen auf einzelnen eingesetzten Methoden. 

Es wurden alle 3.320 Verantwortlichen der Partizipationsverfahren in der entwickelten Datenbank, für die Kontaktdaten vorlagen, per E–Mail kontaktiert. Das entspricht 2.730 der 3.320  Verfahrensverantwortlichen. Dieser Beitrag hat zum Ziel, Ergebnisse der Befragung für die städtische Ebene vorzustellen. So werden Chancen und Grenzen digitaler und multi–channel Partizipation in der Praxis der Stadtentwicklung beleuchtet. Im Rahmen des Beitrags liegt der Fokus auf institutionalisierten top–down Partizipationsprozessen (siehe Abschnitt 1), da mit dem methodischen Ansatz der Befragung die Perspektive verfahrensverantwortlicher städtischer Verwaltungen beleuchtet wird. Bottom–up invented spaces sind ein zentraler Bestandteil der Teilhabe von Bürger:innen zur Gestaltung urbaner Räume. Dementsprechend werden diese im Forschungsprojekt in weiteren Bausteinen ebenfalls betrachtet. Sie sind jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrags.

Digitale und multi–channel Partizipation im Einsatz

Folgend werden die Ergebnisse der Online–Befragung Verantwortlicher von digitalen und multi–channel Partizipationsverfahren in der Stadtentwicklung dargestellt und diskutiert. Abschließend werden Vorgehensweise und Ergebnisse kritisch reflektiert.

Überblick über die Online–Befragung

Insgesamt nahmen 380 Personen mit Verantwortlichkeit von digitalen oder multi–channel Partizipation in Städten an der Befragung teil. Das entspricht einer Rücklaufquote von 14 Prozent. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die räumliche Verteilung der Städte, denen die Befragten zugehörig sind. Es wird deutlich, dass städtische Räume sowie Mittelstädte etwas überrepräsentiert sind.

Tabelle 1: Überblick über die Struktur der teilnehmenden Städte. Befragung (n=380). Tabelle: eigene Darstellung.

Tabelle 1 gibt Aufschluss über die thematischen Bereiche, in denen digitale und multi–channel Beteiligungsverfahren eingesetzt wurden. Bei der Frage waren Mehrfachnennungen möglich. Auffällig ist der markante Anteil des Themenbereichs Stadtentwicklung und Stadtplanung mit 292 Nennungen. Weitere häufig genannte Themen sind die Bereiche Verkehr/ Mobilität, Klima/ Umwelt so wie Allgemeines. Die Beteiligungsformate greifen aktuelle politische Debatten etwa zur Mobilitätswende oder Klima– und Umweltschutzmaßnahmen auf. Thematisch enger gefasste Themen zu Finanzen, Bildung/ Schulentwicklung oder Sport/ Spiel wurden nur selten genannt und spielen daher eine untergeordnete Rolle bei der digitalen Bürger:innenbeteiligung. 

Die Abbildung zeigt ein Säulendiagramm. Den größten Anteil des Einsatzes digitaler Beteiligung im Rahmen der Befragung macht der Bereich Stadtentwicklung und Stadtplanung mit 292 Nennungen aus. Zudem wurde der Bereich Verkehr und Mobilität häufig genannt (99). Unter zehn Nennungen verzeichnen die Bereiche Bildung und Schulentwicklung sowie Sport und Spiel.
Abbildung 1: Bereiche der digitalen und hybriden Beteiligungsverfahren. Quelle: Befragung (n=380).

Es lässt sich daher folgern, dass digitale und hybride Partizipationsverfahren primär auf Themenfelder ausgerichtet sind, die eine hohe Relevanz für die gesamte städtische Bevölkerung haben und eine breite Beteiligung erfordern.

Eingesetzte Methoden und Ressourcen digitaler Partizipation

Neben den Themenbereichen gilt es ebenso einen Überblick über die Struktur der eingesetzten Partizipationsmethoden und –formate zu erhalten. Abbildung 2 stellt hierfür die Anteile formeller und informeller Partizipation, die eingesetzten Formate, die Kanäle sowie den Anteil digitaler und analoger Methoden in hybriden Verfahren dar.

Die Abbildung zeigt zwei Kuchendiagramme und zwei Säulendiagramme. Es wurden 70% informelle, 10% formelle und 15% gemischt formell-informelle Partizipationsverfahren betrachtet, 23% der Verfahren sind digital und 73% multi-channel. Als Beteiligungsmethode wurden Umfragen am häufigsten genannt (198), gefolgt von Ideensammlungen und Informationsveranstaltungen (156 und 146). Sprechstunden und Bürger:innenhaushalte wurden am seltensten eingesetzt. 27% der Befragten, die ein multi-channel-Verfahren durchgeführt haben setzten gleichermaßen digitale und analoge Methoden ein (50%/ 50%). Darüber hinaus setzten 40% mehr analoge als digitale Methoden ein.
Abbildung 2: Überblick über die eingesetzten Methoden. a) Anteil formeller und informeller Beteiligung, b) Eingesetzte Formate, c) Anteil digitaler und hybrider Methoden, d) Anteil digitaler und analoger Methoden in hybriden Beteiligungsverfahren. Quelle: Befragung (a) n=380, b) n=380, c) n=305, d) n=222). 

Abbildung 2 a) zeigt, dass mehr als drei Viertel der Beteiligungsprozesse informell ohne gesetzliche Pflicht umgesetzt wurden. Dies könnte bedeuten, dass die Durchführung digitaler Partizipationsverfahren flexibel gestaltet wird und verschiedene partizipative Ansätze genutzt werden, um eine breitere Beteiligung der Bürger:innen zu ermöglichen. In Abbildung 2 b) werden die eingesetzten Formate innerhalb der digitalen Beteiligungsverfahren dargestellt. Es zeigt sich, dass Umfragen am häufigsten angewendet wurden. Sie sind ein bevorzugtes Werkzeug im Rahmen von digitaler Partizipation, um gezielt Informationen und Rückmeldungen zu spezifischen Fragestellungen zu erhalten, um Entscheidungen auf Basis eines breiten Meinungsbildes zu treffen. Ebenfalls häufige Formate sind Ideensammlungen und Informationsveranstaltungen. Hingegen kommen Workshops, Mängelmeldungen und Stellungnahmen deutlich seltener zum Einsatz. Digitale Sprechstunden und Bürger:innenhaushalte spielen im Rahmen der Antworten eine untergeordnete Rolle.

Die Auswertung der Abbildungen 2 c) und 2 d) macht ferner deutlich, dass in der Praxis digitale Partizipationsmethoden häufig in Kombination mit analogen Elementen eingesetzt werden. Drei Viertel der Befragten gaben demnach an, multi–channel Partizipation durchzuführen. Die Anteile digitaler und analoger Elemente in diesen hybriden Beteiligungsverfahren kann als ausgewogen beschrieben werden. Nur in einzelnen Fällen ist ein leichtes Übergewicht analoger Verfahren zu beobachten.

Dementsprechend wird digitale Partizipation in der Praxis, wie von Freschi et al. (2009: 64) beschrieben, eher komplementär zu analoger Partizipation eingesetzt, statt analoge Partizipationsformate vollständig zu ersetzen. Somit werden die Stärken beider Formate genutzt (Gerl 2022: 153). Auch im Rahmen von Freitextantworten zu Gründen des Einsatzes hybrider Partizipation heben viele Befragte die Relevanz dieser hervor, um möglichst die gesamte städtische Bevölkerung zu erreichen, indem verschiedene Anforderungen und Kompetenzen abgedeckt werden. Zudem wird konstatiert, dass die Entscheidung für den Modus immer vom Thema, Ziel und den zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängt. 

Die Integration von digitalen Partizipationsformaten in der Stadtentwicklung ist für Städte mit zusätzlichen Aufwänden verbunden. Abbildung 3 zeigt zusammenfassend auf, welche Ressourcen von den Städten im Rahmen ihrer Beteiligungsformate eingesetzt werden und wie hoch der Ressourcenaufwand der jeweiligen Aspekte eingeschätzt wird, da die konkreten Fragen nach der Dauer und den Arbeitsstunden über den Rahmen dieses Beitrags hinaus gehen würden. 

Mehr als zwei Drittel der Befragten geben an, dass für die permanente Moderation der digitalen Partizipation mindestens eine Person in der Verwaltung zuständig war. Der Aufwand für die Begleitung und Moderation der Verfahren bedeutet damit den größten Aufwand für die teilnehmenden Verwaltungen. Ebenso ist die Durchführung von digitalen Partizipationsverfahren mit Kosten verbunden. Insgesamt schätzen über 40 Prozent der Befragten den finanziellen Aufwand als eher hoch, hoch oder gar sehr hoch ein. Deutlich seltener wurde für die digitalen Partizipationsvorhaben Personal geschult, neue Webseiten geschaffen oder Lizenzen für neue Tools erworben. Hier gibt weniger als die Hälfte der Befragten an, diese Ressourcen eingesetzt zu haben. Diese bewerten den Aufwand dann auch im Schnitt als eher gering. Nur in seltenen Fällen musste die Serverausstattung verbessert, Stellen aufgestockt oder gar neues Personal eingestellt werden.

Somit ist der Ressourceneinsatz primär finanzieller beziehungsweise personeller Natur, um das Format und die Interaktion permanent zu begleiten. Technisch–infrastrukturell scheinen die Städte größtenteils hinreichend aufgestellt zu sein, um digitale Beteiligungsformate durchzuführen.

Die Abbildung zeigt ein prozentuales Balkendiagramm. Die Ressourcen der permanenten Moderation der Beteiligung durch mindestens eine Person sowie Kosten durch die Umsetzung und Betreuung wurden mit 70,3% von den meisten Befragten eingesetzt. Nur 16,1& gaben an, dass neues Personal eingestellt wurde. Zudem gaben die Befragten an, mit welchem Aufwand der Einsatz der Ressource verbunden war. Mit über 40% gaben an, dass die permanente Moderation sowie die Kosten für Umsetzung und Betreuung sehr hoher, hoher oder eher hoher Aufwand waren.
Abbildung 3: Ressourcenaufwand bei der Umsetzung digitaler und hybrider Partizipationsverfahren. Quelle: Befragung (n=380). 

Ergebnisse und Wirkungen digitaler Partizipation

Neben dem Ressourceneinsatz ist für die Betrachtung der Chancen und Grenzen digitaler Partizipation zentral, welche Ergebnisse und Wirkungen daraus resultieren. Im Rahmen der Umfrage wurden folglich zunächst die entstandenen Ergebnisse abgefragt (siehe Abbildung 4). 

Fast die Hälfte der Befragten gibt an, dass diverse Arten von Konzepten aus den Verfahren hervorgehen. Bei fast 40 Prozent waren Maßnahmenkataloge das Ergebnis der digitalen Partizipation, um notwendige Veränderungen besser einschätzen und priorisieren zu können. Auch die Entwicklung von (Master–)Plänen und Leitbildern findet regelmäßig Anwendung. Daraus folgt, dass Bürger:innen primär zum Planungsbeginn konsultiert und im fortgeschrittenen Prozessverlauf nur selten einbezogen werden. Da ein Großteil der Beteiligungen informell ist, lässt sich folgern, dass durch informelle Partizipation, die häufig im Vorfeld zu formeller Öffentlichkeitsbeteiligung eingesetzt wird (Kaczorowski 2014: 87), die Problematik des Partizipationsparadox (Westholm 2006: 712–713) adressiert wird. So berichten weniger als 10 Prozent der Befragten von Evaluationen, Umsetzung, Monitoring, Konzeptanpassungen oder Arbeitsgruppen als Ergebnis. 

Digitale Partizipation verfolgt damit zumeist das Ziel einer Teilhabe der Bevölkerung, um ein breites Meinungsbild über Bedarfe und damit eine Entscheidungsgrundlage zu erhalten. 

Die Abbildung zeigt ein Säulendiagramm. 46 Prozent aller Befragten, gaben an, dass als Ergebnis aus dem digitalen oder hybriden Partizipationsverfahren ein Konzept entstanden ist. Dies ist damit das zentralste Ergebnis. Initiativen und Bewerbungen bzw. Anträge entstanden in nur 13 bis 11 Prozent aller Fälle. Sonstige Ergebnisse sind Strategien, B-Plan-Entwürfe, Plan- oder Konzeptanpassungen, Monitoring, Arbeitsgruppen und Auslobungstexte. 9 Prozent der Befragten machten keine Angabe.
Abbildung 4: Ergebnisse aus den digitalen und hybriden Partizipationsverfahren. Quelle: Befragung (n=380).

Es liegt die Vermutung nahe, dass sich hierfür digitale Formate besonders eignen, da diese Aspekte prägnant digital übermittelt werden können und weniger auf Interaktion angewiesen sind. Über die Ergebnisse der Verfahren hinaus gilt es Wirkungen der digitalen Beteiligungsformate zu analysieren. Abbildung 5 zeigt die mittlere Zustimmung der Befragten zu einzelnen Aspekten. 

Die Aussage, dass Projekte mit digitalen Partizipationsformaten eine höhere Öffentlichkeitswirksamkeit erfahren, wird von den Befragten im Schnitt als eher zutreffend bewertet. Ebenso berichten die befragten Verantwortlichen eher von einer gesteigerten Akzeptanz und Qualität der Verfahren durch die Partizipation und neu entwickelten Ideen. Dass sich die politische Meinung zu dem Thema des Verfahrens verändert, wird weder bestätigt noch widerlegt. Leicht ablehnend ist die Haltung zu zeitlichen Veränderungen durch digitale Beteiligungsverfahren. Es ist also weder von einer beschleunigten Verfahrensdauer durch die Digitalisierung (Kuscher 2023: 89), noch von einer erhöhten Dauer durch den Aufwand der Umsetzung digitaler Partizipation auszugehen. 

Abschließend sind einige Limitationen der methodischen Vorgehensweise der Online–Befragung aufzuzeigen sowie die Ergebnisse kritisch zu reflektieren, um diese besser einordnen zu können. Auf Basis der Befragung konnten die eingesetzten Partizipationsformate und deren Ergebnisse und Wirkungen nur überblicksartig beleuchtet werden. Dementsprechend konnte nicht gemessen werden, welche Ziele mit welchen Methoden im Detail erzielt werden. Hier ist auch ein Vergleich der Zielsetzungen und –erreichung zwischen analogen, digitalen oder hybriden Partizipationsprozessen nicht möglich. Zudem werden die Wirkungen der Beteiligungen auf Basis der Einschätzung der Verfahrensverantwortlichen dargestellt, nicht etwa mit spezifischen Indikatoren gemessen oder durch Verfahrensbeteiligte bewertet. Zudem ergibt sich eine eventuelle Verzerrung der Ergebnisse dadurch, dass ausschließlich Personen an der Befragung teilgenommen haben, die bereits Erfahrungen in der Durchführung digitaler Partizipation haben. Daraus resultieren zukünftige Forschungsbedarfe, die im Ausblick dargestellt werden.

Die Abbildung zeigt ein Punktdiagramm. Die Aussage „Das Verfahren/Projekt hat durch die Beteiligung eine höhere Öffentlichkeitswirksamkeit“ sowie die Aussage „Die Akzeptanz für das Verfahren/Projekt wurde durch die Beteiligung erhöht“ erhielten auf einer Skala von „trifft voll und ganz zu“ bis „trifft gar nicht zu“ die meiste Zustimmung. Die Aussage „Das Verfahren/Projekt wurde durch die Beteiligung in seiner Umsetzung beschleunigt“ wurde durchschnittlich am meisten abgelehnt.
Abbildung 5: Wirkungen der digitalen und hybriden Partizipationsverfahren. Quelle: Befragung.

Zukunft digitaler Partizipation in der Stadtentwicklung

Der Beitrag hatte zum Ziel, die Inputs, Ergebnisse und Wirkungen digitaler und multi–channel Partizipation zu untersuchen, um zu einem tieferen Verständnis der Chancen und Grenzen der Digitalisierung von Partizipation in Forschung und Praxis beizutragen. Abschließend werden vor diesem Hintergrund in Abbildung 6 die Zustimmungen zu Aussagen bezüglich der Chancen und Herausforderungen dargestellt und Entwicklungsperspektiven digitaler Partizipation in der Stadtentwicklung sowie Forschungsbedarfe aufgezeigt.

Dass mit hybrider Beteiligung ein breiterer Adressat:innenkreis angesprochen werden konnte, die Kombination aus analogen und digitalen Elementen zu einer Qualitätsverbesserung führt und durch digitale Beteiligung Personengruppen eingebunden werden, die sich auf analogem Wege nicht beteiligt hätten, wird als eher zutreffend bewertet. Hiermit wird erneut die Relevanz hybrider Partizipation hervorgehoben. Eher ablehnend sehen die Befragten, dass der digital divide zu einem ungleichen Partizipationszugang führt. Auf technischer Seite sehen sich die Städte ausreichend aufgestellt, um digitale Beteiligung umzusetzen. Auch Problematiken mit Datenschutz, Hasskommentaren oder Fake News treffen laut der Befragten gar nicht zu. Sie stellen demnach keine markante Barriere dar, digitale Beteiligungsformate einzusetzen.

Die Abbildung zeigt ein Punktdiagramm. Die Ausgabe „Mit hybrider Beteiligung konnte/kann ein breiterer Adressat:innenkreis erreicht werden als bei analoger/digitaler Beteiligung“ erhielt durchschnittlich am meisten Zustimmung auf einer 7-stufigen Skala von „trifft voll und ganz zu“ bis „trifft gar nicht zu“. Die Aussage „Aufgrund des Datenmissbrauchsrisikos und Datenschutzproblemen beteiligten/beteiligen sich Menschen nicht an der digitalen Beteiligung“ wurde im Schnitt am stärksten abgelehnt.
Abbildung 6: Chancen und Grenzen der digitalen im Vergleich zu analogen Partizipationsverfahren. Quelle: Befragung. 

In der Neuen Leipzig Charta wird die aktive Gestaltung des digitalen Wandels in Städten als zentraler Ansatz für eine nachhaltige, integrierte und gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung bewertet. Für den Einsatz von digitalen Technologien in urbanen Entscheidungsprozessen sind ein verantwortungsvoller und sicherer Umgang, die Inklusion aller Bürger:innen sowie die Stärkung digitaler Kompetenzen erforderlich. Auf dieser Basis kann die Digitalisierung der Stadtentwicklung und Partizipation dazu beitragen, gesamtgesellschaftliche Bedürfnisse besser zu erfüllen, Transparenz zu schaffen und handlungsfähig zu bleiben (BMWSB 2020: 12–13). Die Ergebnisse dieses Beitrags zeigen aus Anwendungsperspektive, dass digitale und multi–channel Beteiligung insbesondere das Potential einer sozialen Inklusion durch die Erreichung von mehr Menschen birgt. Zudem geben die Ergebnisse Hinweise darauf, dass die digitale Partizipation zu einer Qualitäts– und Akzeptanzsteigerung des Prozesses führen kann. Digitale Partizipation wird folglich weiter an Relevanz für eine nachhaltige, gerechte Stadtentwicklung und Lösung urbaner Probleme gewinnen. 

Nichtsdestotrotz werden Verantwortliche mit Herausforderungen der Digitalisierung umgehen und Lösungsansätze entwickeln müssen, die mit personellen und finanziellen Ressourcen verbunden sind, um die Potentiale voll ausschöpfen zu können. 

Eine zentrale Strategie ist dabei der kombinierte Einsatz digitaler mit analoger Partizipation und neuer Technologien für eine Stärkung der Interaktion im digitalen Raum. Dazu zählen auch Ansätze des digitalen Ko–Designs (Stelzle et al. 2020) und künstlicher Intelligenz zur Durchführung und Auswertung digitaler Partizipation, wo künftig Fortschritte zu erwarten sind (Berlin Institut für Partizipation 2022: 22).     

Die Ergebnisse der dargestellten Online–Befragung geben einen umfassenden Überblick über die Chancen und Grenzen von digitaler und multi–channel Partizipation. Sie können somit ein Ausgangspunkt für vertiefende Studien sein, die auch die zukünftigen Entwicklungen untersuchen. Um offene Fragen zu klären und Limitationen des hier vorgestellten methodischen Vorgehens zu adressieren, sind insbesondere qualitative empirische Forschungsansätze zentral. Unter anderem durch Fallstudien, Interviews und Beobachtungen sollte untersucht werden, welche Rahmenbedingungen Akzeptanz und Erfolg digitaler Partizipation bedingen und wie Ergebnisse in übergeordnete Planungs– und Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Hierbei ist auch die Perspektive Beteiligter sowie von Personen, die ausschließlich analoge Partizipation durchgeführen, einzubeziehen.

About the author(s)

Sarah Karic, Dr., Geographin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Raumplanung und Stadtgeographie an der Justus–Liebig–Universität Gießen. Ihre Ar-beitsschwerpunkte liegen neben der digitalen und hybriden Bürger:innenbeteiligung auf eventorientierten Formaten der Stadtentwicklung.

Sarah Karic, Dr., Geographer, is research associate at the Chair of Spatial planning and urban geography at theJustus Liebig University Giessen. Her research focus is on digital and multi–channel citizen participation as well as on event–led urban development.

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