Published 27.07.2022

Kollaborationsformate in der Zentrenentwicklung

Reallabore aus der Governance-Perspektive 

Collaboration Formats in City Center Development 

Real-World Labs From a Governance Perspective

Keywords: Reallabor; Zentrenentwicklung; Governance; Real-world laboratories; city center development

Abstract:

Stadtzentren sind nicht erst seit der COVID-19-Pandemie durch funktionale und räumliche Transformationsprozesse gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund hat der Forschungsverbund Transformation urbaner Zentren (TransZ) in lokalen Real- und Innovationslaboren akteursgetragene Projekte zur Weiterentwicklung städtischer Zentren initiiert, begleitet und reflektiert. Das methodische Konzept von TransZ beinhaltete, zu Beginn auf Innovationsakteur:innen zuzugehen, um dann über konkrete Projekte weitere, lokal verankerte Unterstützung zu gewinnen. Der Beitrag ordnet den Reallaboransatz in bestehende Formate der Stadtplanung ein. Er konzentriert sich auf die Erkenntnisse aus zwei durchgeführten Reallaboren und diskutiert, inwieweit Reallabore Stadtforschung und -planung über die bestehenden Partizipationsansätze hinaus weiterentwickeln können, welcher Stellenwert ihnen als explorative Kollaborationsformate zukommt und wie sie in die einschlägige Governance-Diskussion eingeordnet werden können.

Even before the COVID-19 pandemic, city and town centers have been affected by functional and spatial transformation processes. The research initiative Transformation of urban centers explores possible responses to these changes with the help of real-world laboratories. It focuses on initiating, supporting, and evaluating local actor-driven projects in five city centers. At the beginning, TransZ first identified so-called “innovation actors” with the expectation that their concrete ideas and projects would then find further local support. Drawing on two examples from TransZ’s research, the article reflects on the use and value of real-world laboratories in urban planning. It highlights their significance as explorative collaboration formats in regard to existing participatory approaches and pays special attention on their link to governance.

Reallabore und Stadtplanung

Reallabore als neue Art des Experimentierens und der Kollaboration erfahren im wissenschaftlichen Diskurs und in der Praxis der Stadtplanung zurzeit eine große Aufmerksamkeit. Auch im Zusammenhang mit dem Strukturwandel im Einzelhandel und den sich abzeichnenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Zentren- und Innenstadtentwicklung werden von unterschiedlichen Akteur:innen verstärkt neue Formen des Ausprobierens, neue Organisations- und Wirtschaftsformen sowie neue Arten der Beteiligung und temporärer Nutzungen eingefordert (BBSR 2021; Anders et al. 2020). Damit einher geht die Forderung nach resilienten und nachhaltigen Innenstädten, die zukunftsfähige gewerbliche Strukturen und eine Nutzungsmischung unterstützen sowie eine Neubewertung des öffentlichen Raums und neue Mobilitätsformen ermöglichen (BMI 2021; DST 2021). 

Reallabore beschränken sich aber nicht nur auf das Ausprobieren neuer Partizipations- oder Empowerment-Ansätze und interventionistische oder kollaborative Stadtentwicklungsprojekte. Sie implizieren insbesondere die Integration der Wissenschaft, die nicht erst am Ende eines Projektes evaluierend tätig wird, sondern Teil des gesamten Erarbeitungs- und Entwicklungsprozesses ist. Dies kann so weit gehen, dass Wissenschaftler:innen den Prozess aktiv steuern und in Entwicklungsschritte eingreifen. Als weiteres Charakteristikum von Reallaboren wird die Interdisziplinarität von Forschung und Praxis, das heißt die Integration unterschiedlicher Sichtweisen in den Arbeitsprozess, angesehen (Schäpke et al. 2017: 3–5; Parodi et al. 2016: 9–12, 16–17; Schneidewind 2014: 2– 4). Obwohl Reallabore in der Regel im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte aufgegriffen werden (Rose et al. 2018), kann man sie breiter verstehen. Hahne (2021: 307) beschreibt Reallabore zum Beispiel als „zeitlich begrenzte Experimentierräume in technisch-sozialen Systemen.“

Reallabore sind aus stadtplanerischer Perspektive allerdings kein gänzlich neues Instrument. 

Die Stadtplanung oder genauer die Stadtforschung kann – anders als in anderen Wissenschaftsdisziplinen – als anwendungsbezogene Wissenschaft auf einen reichen Erfahrungsschatz bei der Partizipation unterschiedlicher Akteur:innen, der Integration anderer Wissenschaften (Interdisziplinarität) und eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis (Transdisziplinarität) zurückgreifen. Auch die Auseinandersetzung mit der Vielfalt der Akteur:innen, die in derartigen Prozessen beteiligt sind, und mit den daraus entstehenden Konflikten sind der anwendungsbezogenen Stadtforschung nicht neu (Hahne 2021: 309, 312; Kanning 2018: 12). 

Vor diesem Hintergrund diskutieren wir in diesem Beitrag die aktuelle Debatte um Reallabore und interventionistische, kollaborative und temporäre Formate und ordnen diese in den Kontext der Diskussionen von Stadtplanung und Governance der vergangenen Jahrzehnte ein (Gailing und Hamedinger 2019). Dabei bewerten wir, welches Potenzial diese neuen Entwicklungs- und Handlungsansätze vor dem Hintergrund der sich aktuell abzeichnenden städtischen Transformationsprozesse in den Innenstädten besitzen. Unsere Ausführungen stützen sich dabei unter anderem auf die Erfahrungen, die wir im Kontext des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojektes Transformation urbaner Zentren (TransZ) sammeln konnten (Krüger et al. 2021). Unser Ziel ist es, Gelingensbedingungen, Herausforderungen, Akteurskonstellationen und Prozesse herauszustellen, die sich im Rahmen der durchgeführten Reallabore gezeigt haben und diese in den übergeordneten Diskurs zu Governance und neuen Herausforderungen der Stadtentwicklung einzuordnen. 

Zum Wandel des Planungsverständnisses: Transdisziplinarität und Governance

Der transdisziplinäre Forschungsansatz der Reallabore, verstanden als Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis (Rose et al. 2018: 4), ist in der Stadtplanung und Stadtforschung weitestgehend etabliert. Zu nennen sind hier vor allem die verschiedenen Förderprogramme, bei denen die Integration lokaler Akteur:innen in den Planungs- und Entscheidungsprozess seit langer Zeit fest verankert ist. Herauszustellen sind insbesondere die Förderprogramme der Städtebauförderung des Bundes und der Länder, die mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen seit rund 50 Jahren die integrierte und partizipative Stadt- und Zentrenentwicklung unterstützen und die Entwicklung der Zentren und Wohnquartiere in den vergangenen Jahrzehnten erheblich mitgeprägt haben. Auch im für die Zentrenentwicklung wichtigen Städtebauförderungsprogramm Lebendige Zentren (ehemalig Aktive Stadt- und Ortsteilzentren) liegt neben der gewerblichen und strukturellen Stärkung der gewachsenen Zentren ein Programmschwerpunkt bei der Partizipation und Berücksichtigung der Interessen der unterschiedlichen Akteursgruppen. Engagierte Beteiligte sind in diesen Prozessen in der Regel – neben den zuständigen Fachämtern und der Politik (öffentliche Hand) – vor allem die Gewerbetreibenden (Handel, Dienstleistungen und Handwerk), die Immobilieneigentümer:innen und die Zivilgesellschaft sowie kulturelle und soziale Institutionen (BBSR 2018; BMVBS 2012). Diese akteursübergreifenden Beteiligungsansätze sind mittlerweile soweit etabliert, dass sie Grundvoraussetzung für die Mittelzuweisungen durch die Städtebauförderung von Bund und Länder sind (BMI 2020: 18).

Außerdem kann die Stadtplanung auf eine Vielzahl von Konzepten und Modellprojekten verweisen, die einen experimentellen Charakter haben. Beispielhaft sind die Internationalen Bauausstellungen (IBA) oder regionale Entwicklungsprozesse, die im Rahmen der Europäischen Regionalförderung LEADER umgesetzt worden sind, zu nennen (Kanning 2018: 8). Vergleichbare Ansätze verfolgen auch die Projekte des experimentellen Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt), mit dem der Bund seit 1986 innovative Planungen und Maßnahmen zu unterschiedlichen stadtplanerischen Themen unterstützt (Hahne 2021: 313). Ähnlich verhält es sich mit den Modellvorhaben der Raumordnung (Moro) und den Projekten der Nationalen Stadtentwicklungspolitik (NSP) (Anders et al. 2020: 7–9). 

Darüber hinaus ist die inhaltliche Ausrichtung der Reallabore, die sich sehr stark (wenn auch nicht ausschließlich) an den Nachhaltigkeitszielen (WBGU 2016) orientiert, in der Stadtentwicklung nicht erst seit der Leipzig-Charta 2007 (BMUB 2007) fest verankert. In den vergangenen Jahren hat die Nachhaltigkeitsdebatte die Auseinandersetzungen um eine Weiterentwicklung von stadtplanerischen Ansätzen sogar maßgeblich mitbestimmt (Hahne 2021: 309).

Stadtplanung und Stadtforschung haben sich auf diese Weise in den vergangenen Jahrzehnten umfangreiches Wissen aus der Einbindung professioneller und nicht-professioneller Akteur:innen, auch aus kokreativen Prozessen, angeeignet. 

Dies wird innerhalb der Disziplin schon lange als große und notwendige Bereicherung verstanden und zeigt sich unter anderem daran, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten eigene Forschungsschwerpunkte etabliert haben, die sich der (Weiter)Entwicklung von Beteiligungsformaten, der Beteiligung (und dem Empowerment) der Zivilgesellschaft, der Wirkung von Beteiligungsprozessen und der Integration dieser Prozesse in die stadtpolitischen Entscheidungen widmen (Koch et al. 2018; Petrin 2016; Oswalt et al. 2014). Mit der Forschung zu sogenannten urban commons (BBSR 2021; Dellenbaugh et al. 2015), also zur Kooperation und Koproduktion im Quartier, wird der Fokus auch auf neue Modelle abseits des klassischen hoheitlichen Planungsprozesses gelegt.

Die bisherigen Forschungen zur Partizipation und Beteiligung relevanter Akteur:innen in Stadtentwicklungsprozessen beziehen sich dabei meist (mitunter in abgewandelter Form) auf die unterschiedlichen Partizipationsniveaus beziehungsweise die Ladder of citizen participation nach Arnstein (1969) (siehe Abbildung 1). 

Ladder of citizen von Arnstein.
Abbildung 1: Ladder of citizen participation von Arnstein. Quelle: Eigene Darstellung nach Arnstein (1969).

Dieses Modell von Partizipation differenziert unterschiedliche Stufen. Auf der untersten Stufe steht die Nicht-Beteiligung und die Manipulation; auf der obersten Stufe steht Eigenständigkeit beziehungsweise Citizen-Control oder Empowerment (Gebhardt und König 2021: 338). Der Reallaboransatz kann hier auf der obersten Stufe eingeordnet werden.

Es finden allerdings ebenso Debatten statt, die sich kritisch mit der teilweise sehr offenen Beteiligung in Stadtentwicklungsprozessen auseinandersetzen. Selle (2013: 49) berichtet beispielsweise von Praxiserfahrungen, bei denen Bürgerbeteiligungsprozesse inszeniert werden und Teilhabe an Meinungsbildung suggeriert wird, ohne die Ergebnisse schließlich in der Planung aufgreifen zu wollen oder zu können. Andererseits bewertet Selle die Ergebnisse vieler Beteiligungsprozesse als zu wenig zielorientiert und ordnet viele Wünsche, die in Beteiligungsprozessen geäußert werden, als für die Planungsebene irrelevant ein, weil sie entweder unbezahlbare Wunschlisten enthalten oder andere, teilweise immer wiederkehrende Themen und Zuständigkeiten betreffen, die von der Stadtplanung kaum beeinflusst werden können. Nach Selle sind demnach letzten Endes lediglich rund 10 Prozent der in Partizipationsprozessen geäußerten Hinweise wirklich hilfreich für den jeweiligen Planungsprozess (ebd. 11). Ähnlich kritisch äußert sich auch Hahne (2021: 317), der beschreibt, dass die Ansprüche der aktiven Zivilgesellschaft oft mit den Realitäten von Politik, Verwaltung und Projektentwicklung aneinanderstoßen. Diese seien allerdings auch häufig nicht bereit, neue Wege zu gehen oder eigene Prioritäten in Frage zu stellen. Hieraus wird klar, dass trotz umfangreicher Erfahrungen bei Beteiligungsprozessen die Auseinandersetzung um eine erfolgreiche Partizipation und das Empowerment der unterschiedlichen Akteur:innen auch in den etablierten Stadtplanungsprozessen nicht abgeschlossen ist und kontinuierlich weiterentwickelt wird – auch im Kontext politischer Debatten vor Ort.

Aus dieser kurzen Zusammenschau wird deutlich, dass sich das Verständnis darüber, was Stadtplanung überhaupt ist, welche Pläne und Prozesse dahinterstecken und welche Akteur:innen eine große Bedeutung besitzen und in Planungs- und Umsetzungsprozesse integriert werden müssen, in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert hat.

In der Stadtentwicklung und Stadtforschung wird das Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteur:innen aus Politik und Verwaltung, der Zivilgesellschaft, der Gewerbetreibenden und der Immobilienwirtschaft dabei insbesondere in der Governance-Diskussion aufgegriffen (Selle 2012; Albers 1993). Governance steht als neuer Ansatz staatlicher Steuerung und wird als interdisziplinärer Begriff in vielen Fachrichtungen verwendet – auch, oder vor allem, abseits der Stadtplanung (Kilper 2010). Fürst hat in diesem Kontext schon 2004 von einem Paradigmenwechsel gesprochen (Fürst 2004). Im Fokus der Diskussion innerhalb der Stadtplanung steht dabei das sich ändernde Planungsverständnis von Government im Sinne einer leitenden und planenden Funktion des politisch-administrativen Systems hin zu Governance im Sinne einer die gesellschaftlichen Akteur:innen beteiligenden Planung (Selle 2017; Krüger 2007) (siehe Abbildung 2). Dabei wird aus unterschiedlichen Perspektiven aufgezeigt, welche Akteur:innen die Stadt mit welchen Plänen und Strategien entwickeln, welche Inhalte sie einbringen, wie die einzelnen Akteur:innen zueinander stehen und welche Machtpositionen oder Entscheidungskompetenzen die unterschiedlichen Akteursgruppen besitzen (Gailing und Hamedinger 2019: 174–176). In diesem Kontext eines sich ändernden Planungsverständnisses ist aus unserer Sicht auch die Debatte um neue Formate wie Reallabore einzuordnen.

Stadt als Resultat des Handelns von unterschiedlichen Akteur:innen.
Abbildung 2: Stadt als Resultat des Handelns von unterschiedlichen Akteur:innen. Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Selle (2012: 30).

In der Auseinandersetzung um die Änderung des Planungsverständnisses hat sich dabei die Sichtweise von Selle (1995: 240) etabliert, wonach sich das veränderte Planungsverständnis nicht anhand nacheinander folgender Phasen (Albers 1993: 100), sondern vielmehr anhand von Schichten erklären lässt (siehe Abbildung 3). Dabei argumentiert Selle, dass sich die einzelnen Planungsphasen inhaltlich, methodisch und bezogen auf die Akteurskonstellationen eher überlagern. Das heißt, spezifische Rahmenbedingungen führen zu einer Änderung der Planungsschwerpunkte, bis hin zu einem neuen Planungsverständnis, welches dann dominant wird. Die Phasen lösen sich also nicht gänzlich ab. Das bedeutet, dass kooperative und kommunikative Planungsansätze, die seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Bedeutung gewonnen haben, immer Elemente des vorherigen Planungsverständnisses enthalten. Diesem Verständnis folgend enthält also auch die aktivierende und kooperative Perspektivplanung Elemente der rahmensetzenden Auffangplanung aus dem vorherigen Jahrzehnt, et cetera. 

Die Reflexion über das eigene Handeln ist innerhalb der Stadtplanung also bereits in der Vergangenheit Inhalt zahlreicher Debatten gewesen. Entsprechend sind die theoretisch-wissenschaftlichen Diskussionen über partizipative Ansätze im Stadtplanungsdiskurs weitestgehend etabliert und nicht grundsätzlich neu (Healey 2012; Altrock und Bertram 2012; Selle 2006: 557577). Infolgedessen stellt der Reallaboransatz im Sinne einer beteiligenden und reflektierenden Integration der Wissenschaft für die Stadtplanung keinen gänzlich neuen Zugang dar. Nichtsdestotrotz können aber im stadtplanerischen Kontext bei der Durchführung von Reallaboren planerische Ansätze weiterentwickelt und neue Forschungsergebnisse abgeleitet werden. Dies wird im Folgenden anhand zweier Beispiele aus dem Forschungsprojekt TransZ dargelegt.

Wandel des Planungsverständnisses in Phasen und Schichten.
Abbildung 3: Wandel des Planungsverständnisses in Phasen und Schichten. Quelle: Eigene Darstellung nach Selle (1995: 240).

Der TransZ-Ansatz

Viele gewachsene Innenstädte sind nicht erst seit Beginn der COVID-19-Pandemie durch erhebliche Veränderungsprozesse gekennzeichnet. In Klein- und Mittelstädten, aber auch in den Randbereichen der Innenstädte und den Stadtteilzentren größerer Städte werden insbesondere die strukturellen Veränderungen im Einzelhandel, die Digitalisierung verschiedener Arbeits- und Lebensbereiche und das sich geänderte Mobilitätsverhalten durch gewerbliche Mindernutzungen und Leerstände in den Erdgeschosszonen sichtbar (Anders et al. 2021: 237239). In der Folge verlieren in vielen Städten ehemals vitale Zentren an Bedeutung und Wertschätzung, nicht nur als Orte des Konsums und der Versorgung, sondern auch als Wohn-, Kommunikations-, Aufenthalts- und Identitätsorte für den Stadtteil und die Gesamtstadt.

Vor diesem Hintergrund war die Basishypothese des Forschungsprojektes TransZ, dass sich Stadtzentren nur dann zukunftsfähig entwickeln können, wenn unterschiedliche Funktionen in den Zentren gestärkt werden und es gelingt, die Potenziale, die sich aus den Synergien zwischen den verschiedenen Nutzungen und ihren Akteur:innen ergeben, zu erkennen und zu nutzen. Daraus folgt, dass es vom gemeinsamen Handeln der verschiedenen Akteur:innen und ihrer Selbstorganisation abhängt, ob und inwieweit eine soziale, ökonomische und ökologische Transformation der Zentren gelingt. Je nach Situation können das Eigentümer:innen, Einzelhändler:innen und Gewerbetreibenden, soziale, Kultur- und Bildungseinrichtungen oder die Zivilgesellschaft sein (Anders und Krüger 2018). 

Mit TransZ sollten deshalb im Rahmen von Reallaboren akteursgetragene Prozesse initiiert werden, in denen „Raumpioniere“ (Noack 2015: 36) über eigene raumbezogene Interessen hinausgehend Neues und Innovatives entwickeln und voranbringen, d. h. Grenzen der üblichen Routinen überschreiten und eigene Ressourcen einbringen, um die Vielfalt und Attraktivität der Zentren zu steigern. In dem Projekt TransZ wurde davon ausgegangen, dass diese Innovationsakteur:innen auf die bestehenden Problemlagen reagieren können und selbst aktiv werden. Dem Forschungsverbund war dabei bewusst, dass die Innovationsakteur:innen grundsätzlich auch durch die etablierten Förderprogramme erreicht werden können. Wir haben aber in anderen Zusammenhängen die Erfahrung gemacht, dass die inhaltlichen und organisatorischen Grenzen dieser Programme häufig auch als Barrieren für Neuerungen wirken, da die institutionalisierten Prozesse nicht alle Akteur:innen ansprechen und nicht sämtliche (häufig auch privatwirtschaftlich oder zivilgesellschaftlich initiierten) Innovationen aufgreifen können. Die TransZ-Reallabore waren deshalb gerade zu Beginn darauf ausgerichtet, Innovationsakteur:innen zu identifizieren und sie bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer innovativen Ideen zu begleiten und inhaltlich und organisatorisch zu unterstützen.

Vor diesem Hintergrund war der TransZ-Reallabor-Ansatz insbesondere durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet:

  • Thematische Offenheit, d.h. die Projektinhalte wurden ausschließlich durch die Beteiligten vor Ort bestimmt, einziger thematischer und räumlicher Bezugspunkt war die Transformation urbaner Zentren.
  • Ein erheblicher Schwerpunkt der Vor-Ort-Arbeit lag auf der kontinuierlichen Unterstützung der Akteur:innen zur Selbstorganisation.
  • Die Hochschulen haben im gesamten Prozess als Impulsgeber:innen eine besondere, neutrale Rolle eingenommen und agierten gleichzeitig in einer Doppelrolle als wissenschaftliche Evaluator:in.
  • Andererseits konnten die Kommunen den Reallabor-Prozess inhaltlich nicht vorab steuern, sich aber (wie alle anderen Akteur:innen auch) in den Prozess einbringen. Sie haben also eine für sie eher ungewohnte Rolle eingenommen.
  • Sachmittel standen während des Projektes nur sehr begrenzt zur Verfügung. 

Kreativhaus in Hamburg-Elmsbüttel und Bürogenossenschaft in Holzminden

Wesentlicher Kern des Reallaboransatzes in Hamburg-Eimsbüttel war das Zugehen auf mögliche Innovationsakteur:innen. Dabei wurde bewusst vermieden, öffentlichkeitswirksame Auftaktveranstaltungen durchzuführen, die zu unrealistischen „Wunschlisten“ an Ideen geführt hätten (Selle 2013: 11). Der Zugang zu den Akteur:innen verlief deshalb in einem ersten Schritt über Expertengespräche mit insgesamt 14 institutionellen und bekannten Akteur:innen aus dem Quartier. Dies waren neben der Bezirksverwaltung vor allem Vertreter:innen des Quartiersmanagements vor Ort, des Gewerbevereins Osterstraße e. V., einzelne größere und/oder bedeutende Immobilieneigentümer:innen und Einzelhändler:innen sowie Vertreter:innen aus der Zivilgesellschaft, die bereits in der Vergangenheit durch (kollaborative) Initiativen und Interesse an der Stadtteilentwicklung in Erscheinung getreten waren. Nach diesen Gesprächen wurden mit einem erweiterten Kreis an zwei Workshop- und Präsentationsterminen Schwerpunktthemen und Projektideen konkretisiert und im weiteren Verlauf umgesetzt. In Eimsbüttel sind dadurch aus fünf Projektideen zwei konkrete Projekte entstanden, die umgesetzt wurden. Das Kreativhaus Eimsbüttel (KHE) ist eines dieser Projekte (siehe Abbildung 4).

Der TransZ-Prozess illustriert am Beispiel der Entwicklung des Kreativhauses Eimsbüttel.
Abbildung 4: Der TransZ-Prozess illustriert am Beispiel der Entwicklung des Kreativhauses Eimsbüttel. Quelle: Eigene Darstellung.

Schon zu Beginn des Reallabor-Prozesses wurde artikuliert, dass im Zentrum Eimsbüttels ein Ort für gemeinschaftliches und kreatives Miteinander fehle. Das KHE griff dies auf und schuf mit viel ehrenamtlicher Arbeit einen Ort für Kreativität, der gleichzeitig als soziale Begegnungsstätte dient. Das inhaltliche Konzept des KHE liegt darin, kreative Kurse (Fotografieren, Singen, Basteln, et cetera) anzubieten, regelmäßige Stadtteiltreffen zu organisieren (Klönschnack, Flohmarkt) und sich als Ort für Ausstellungen, Konzerte und kleine Gewerbemessen zu etablieren. Außenstehenden können die angemieteten Räume gegen eine geringe (sozialverträgliche) Mietzahlung ebenfalls nutzen. 

Im Laufe des Entstehungsprozesses hat sich das KHE mit der Gründung eines eingetragenen und gemeinnützigen Vereins einen institutionellen Rahmen gegeben und hatte das Glück, in einem hochverdichteten und attraktiven Stadtteil leerstehende Nebenflächen einer ehemaligen Grundschule anmieten zu können. Herz des KHE ist das sogenannte Kernteam, das die Organisation und Weiterentwicklung des KHE übernimmt und sich regelmäßig in 14-tägigen Abständen zu Besprechungen trifft. Die betreuenden Hochschulen moderieren und protokollieren diese Sitzungen. Das KHE ist bis auf die Einrichtung einer 450 Euro-Stelle und die Unterstützung durch die Hochschulen ehrenamtlich organisiert. Das Kernteam setzt sich bislang ausschließlich aus der Zivilgesellschaft und Kreativen zusammen, es bestehen jedoch enge Verbindungen zum Gewerbeverein Osterstraßen e.V., mit dem bereits in Kooperation Veranstaltungen durchgeführt worden sind. Das KHE ist zu Beginn finanziell durch TransZ unterstützt worden, kann mittlerweile aber durch Mieteinnahmen für die Räume, Einnahmen durch den Flohmarkt und Fördermittel durch das Bezirksamt eigenständig agieren. Innerhalb kürzester Zeit hat das KHE im Stadtteil zahlreiche Unterstützer:innen gefunden, in den ersten zwei Jahren fanden im KHE mehr als 800 Veranstaltungen statt. Das KHE hat sich also trotz schwieriger Rahmenbedingungen – die Eröffnung des KHE fand im Oktober 2019 statt, ab März 2020 kamen die ersten Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie – als kulturelle Institution im Stadtteil etabliert.

In Holzminden bestand die Idee, eine Bürgergenossenschaft zu gründen, um Immobilien aufzukaufen, zu sanieren und wieder einer zentrenaffinen Nutzung zuzuführen, bereits vor Beginn von TransZ. Die Umsetzung scheiterte jedoch aus unterschiedlichen Gründen immer wieder. Anders als in Hamburg-Eimsbüttel wurde in Holzminden versucht, über öffentliche Veranstaltungen für das Thema Innenstadtrevitalisierung zu sensibilisieren. Dafür wurden verschiedene Vorträge und Veranstaltungen organisiert, um mit potenziellen Interessent:innen in Kontakt zu kommen. TransZ unterstützte in der Folge zunächst zwei Initiatoren bei der Durchführung einer Informationsveranstaltung, um weitere Mitstreiter:innen für die Bürgergenossenschaft zu gewinnen. 

Durch die gut vernetzten Initiatoren konnten schnell potentielle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder benannt werden und im Herbst 2019 fand bereits die Gründungsversammlung der Bürgergenossenschaft Holzminden eG (BG-HOL) statt. Nach kurzer Zeit war die Genossenschaft eingetragen und voll geschäftsfähig; die erste Immobilie zur Sanierung wurde im Jahr 2021 erworben. Die Planung der Sanierungsarbeiten sowie alle weiteren organisatorischen Angelegenheiten wie Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse obliegen dem Vorstand in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat der Genossenschaft. Ein erheblicher Teil der Sanierungsarbeiten wird in gemeinschaftlicher Eigenleistung erbracht. Bis Anfang 2022 bestand die BG-HOL bereits aus 208 Mitgliedern, die insgesamt mehr als 1.150 Genossenschaftsanteile gezeichnet haben – dazu gehört auch die Stadt Holzminden. Neben den gezeichneten Genossenschaftsanteilen erfolgt die Finanzierung der BG-HOL über Sach- und Geldspenden.

In beiden TransZ-Projekten hatten die begleitenden Wissenschaftler:innen die Aufgabe, den Prozess zu Beginn zu organisieren und Interessen zusammenzuführen. Nach einer gewissen Zeit ist sowohl in Hamburg als auch in Holzminden die Projektverantwortung komplett an die Innovationsakteur:innen vor Ort übergegangen und die Hochschulen haben lediglich begleitende und beratende Funktionen zu einzelnen Themen übernommen, waren aber als offizielle Kooperationspartnerinnen und Unterstützerinnen des Projektes für die Außenwirkung von großer Bedeutung. Die beteiligten Bezirks- und Stadtverwaltungen haben sich im gesamten Entwicklungsprozess eher zurückgehalten und waren nur punktuell in die Projektarbeit eingebunden. Dazu gehörte zu Beginn vor allem die Beteiligung an den großen Auftaktveranstaltungen. Zusätzlich haben die involvierten Mitarbeiter:innen als Schnittstelle für die Kommunikation mit den unterschiedlichen Verwaltungseinheiten und -ebenen fungiert. Im Laufe der Projekte trugen die Verwaltungen und die Politik durch ihre finanziellen Unterstützungen außerdem wesentlich zur Etablierung der beiden Projekte bei.

Verstetigung kollaborativer und geförderter Projekte

In Reallaboren wird häufig ein großer Wert auf temporäre und interventionistische Ansätze gelegt. Reallabore bieten aber auch die Möglichkeit, das Thema Verstetigung bereits zu Beginn des Projektes mitzudenken. Deshalb lag bei TransZ ein wesentlicher Fokus darauf, die Innovationsakteur:innen nicht nur von Anbeginn in den Prozess zu integrieren, sondern diese im Prozess zu den wesentlichen Trägern des Projektes zu machen. Die Annahme war, dass diese Akteur:innen die Kompetenz besitzen, mittel- bis langfristig selbsttragende Strukturen im Quartier aufzubauen. Bei der Begleitung und Steuerung des Prozesses hat sich TransZ dabei an den Erkenntnissen zur Verstetigung von Projekten orientiert, die im Kontext der Städtebauförderung herausgearbeitet worden sind. Das BMVBS identifiziert zum Beispiel vier sogenannte „Ankerpunkte der Verstetigung“ (2012: 60–67), wonach die Verstetigung von geförderten Projekten vor allem dann erfolgreich ist,

  • wenn es gelingt, feste Orte oder Räume zu schaffen und zu finanzieren, die die Kontinuität und Sichtbarkeit im Quartier sicherstellen,
  • wenn Gremien zur Selbstorganisation etabliert werden, mit denen es gelingt, belastbare Entscheidungen zu treffen,
  • wenn eine Verankerung zu den bestehenden Entscheidungs- und Steuerungsstrukturen im Quartier (also zum politisch-administrativen Bereich) aufgebaut werden kann und
  • wenn es gelingt, Partnerschaften mit bedeutenden privatwirtschaftlichen Akteur:innen (Eigentümer:innen, Händler:innen, Immobilienbesitzer:innen et cetera) aufzubauen.

TransZ war von Beginn an neben dem Fokus auf die Innovationsakteur:innen darauf ausgerichtet, diese Ankerpunkte umzusetzen und dadurch die Finanzierung der Projekte mittel- bis langfristig zu sichern. Es hat sich allerdings gezeigt, dass für eine Verstetigung der kollaborativ entwickelten Projekte nicht nur die Innovationsakteur:innen und die Berücksichtigung dieser Ankerpunkte von Bedeutung sind. Vielmehr muss es zudem gelingen, diejenigen anzusprechen, die diese Neuerung aufgreifen und verinnerlichen. Rogers (2003) hat in diesem Zusammenhang nicht nur von Change Agents (Innovationsakteur:innen) gesprochen, sondern auch die Bedeutung der sogenannten Adopters herausgestellt. Die durchgeführten TransZ-Reallabore haben gezeigt, dass kollektives Innovationshandeln durch Anreize stimuliert werden kann und kein Zufallsprodukt ist. Voraussetzung ist, dass Unterstützungsstrukturen aufgebaut werden. Wie und mit welchen Partner:innen die Unterstützungsstrukturen dann vor Ort umgesetzt werden, kann sich jeweils unterscheiden. Die Verstetigung von Projekten aber ist keinesfalls ein Selbstläufer.

Weiterentwicklung des partizipativen Planungsverständnisses

Ein Blick zurück in die Stadtentwicklungsgeschichte und Zentrenentwicklung offenbart, dass Stadtentwicklung stets von neuen Ideen und Interventionen geprägt war. Auch in den eingangs beschriebenen Förderprojekten der Städtebauförderungen, bei ExWost-Vorhaben, der IBA oder bei den Projekten der NSP werden interventionistische und kollaborative Methoden seit längerer Zeit angewendet. Neu an den beschriebenen kollaborativ entwickelten TransZ-Projekten und Reallaboren ist die besondere Akteurskonstellation, der Fokus auf das Ausprobieren und auf interventionistische Ideen sowie die Unterstützung der Selbstorganisation der Akteur:innen vor Ort.

Der zuvor beschriebene Wandel des Planungsverständnisses, der in der Governance-Forschung im Kontext der Diskussion um die Relevanz der drei Akteursebenen Staat (Verwaltung und Politik), Zivilgesellschaft und marktwirtschaftlich agierender Akteur:innen aufgegriffen wird (siehe Abbildung 2), lässt sich auch auf die Einordnung der Reallabor-Ansätze – nicht nur innerhalb von TransZ – übertragen. Im Rahmen von TransZ haben die kommunalen Partner (Verwaltung, Politik) eine für sie ungewohnte Rolle eingenommen, sie waren weniger Impulsgeber, sondern vielmehr ein Player unter vielen und konnten deshalb die thematische Ausrichtung der Projekte nur sehr begrenzt steuern. Gleichzeitig wurde den zivilgesellschaftlichen Innovationsakteur:innen eine größere Aufmerksamkeit zuteil. Die Unterstützung durch die Hochschulen hat dabei letzten Endes dazu beigetragen, dass sich deren Möglichkeiten, sich zu artikulieren und durchzusetzen, verbessert haben. Die Verlagerung der Zuständigkeiten vom politisch-administrativen Planungssystem auf die kollaborativ organisierten Innovationsakteur:innen stellt in diesem Zusammenhang eine Verschiebung der Machtverhältnisse und Entscheidungskompetenzen dar (Gailing und Hamedinger 2019: 174–176), die in der Stadtplanung zwar nicht gänzlich neu ist, aber wie beschrieben in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen hat. 

Einschränkend ist festzuhalten, dass das politische-administrative System in vielen anderen Bereichen der Stadtentwicklung nach wie vor ein entscheidender Akteur mit großer Bedeutung bleiben wird. Das ist durch die finanziellen, personellen Ressourcen und durch die Verfügungsrechte (Planungsrecht) begründet und legitimiert sich letzten Endes durch die demokratisch gewählten Gremien und das Fachwissen der Expert:innen. Letzten Endes bestätigt dies die Ausführungen von Selle (1995: 240), der mit dem Schichtenmodell die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Planungsverständnisse dargestellt hat und gleichzeitig betont, dass sich die Inhalte und Prozesse der Stadtplanung ständig weiterentwickeln (siehe Abbildung 3).

Diesem Verständnis folgend, können die kollaborativen und interventionistischen Ansätze der Reallabore als eine Weiterentwicklung und Ergänzung des bestehenden partizipativen Planungsverständnisses aufgefasst werden. 

Ähnlich argumentiert auch Altrock (2012: 16–26), der performative (also interventionistische und kooperative) Planungsansätze als ein sich mit anderen Ansätzen überlappendes und koexistierendes Planungsverständnis begreift, die das vorhandene Repertoire der Planung sinnvoll ergänzen und so neue Handlungsspielräume für eine Veränderung räumlicher Nutzungsmuster bieten können. Altrock (ebd.) stellt dabei wie Selle (1995) heraus, dass sich das ändernde Planungsverständnis stets im Kontext mit den Herausforderungen der jeweiligen Zeit verändert und es dadurch zu einer Dominanz des neuen Planungsverständnisses kommt. Das heißt: Während der Stadterweiterungen des 20. Jahrhunderts, die weitestgehend in den damaligen Außenbereichen der Städte umgesetzt wurden, dominierte das rationale, synoptische Planungsverständnis. Zum Ende des 20. Jahrhunderts fanden durch den Umbau von einer Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft dann strukturelle Veränderungen im Bestand statt, Teile der Städte wurden umgebaut und umstrukturiert. Zu dieser Zeit der Stadterneuerung gewannen kommunikative Planungsmodelle eine größere Bedeutung. In den folgenden Jahrzehnten kamen schließlich kooperative Elemente hinzu, die sich in der Regionalentwicklung zum Beispiel durch Netzwerke und Stadt-Umland-Kooperationen etablierten, aber auch durch neue Kooperationsformen zwischen privaten Akteur:innen und der öffentlichen Hand sichtbar wurden. 

Aktuell steht die Stadtentwicklung durch Schrumpfungsprozesse einerseits und innerstädtischen Transformationsprozessen in wachsenden Kommunen andererseits vor tiefgreifenden Stadtumbauprozessen, die neuer Planungsansätze bedürfen. Hier lassen sich performative oder kollaborative Planungsansätze durchaus als neu hinzutretendes Planungsverständnis – oder als Weiterentwicklung des Bestehenden – einordnen. Folgerichtig argumentiert Altrock (2012: 25), dass „Planung […] also durch die Art der langfristigen Entwicklungsprobleme beeinflusst [wird], die auf typische Weise angegangen werden. Beide werden aufeinander bezogen und passen im Normalfall zueinander. Wenn Planung als solche nicht mehr in der Lage ist, die vorherrschenden Probleme zu lösen, verändert sich das Selbstverständnis von Planern durch explorative Ansätze schnell.“ Man könnte hinzufügen, dass sich das Selbstverständnis von Planung nicht nur durch die neuen Herausforderungen und die gemachten Erfahrungen verändert, sondern auch dadurch, dass (immer wieder) neue Akteur:innen zum Planungsprozess hinzutreten und durch ihr Verhalten Planung weiterentwickeln.

Reallabore, die auf den bestehenden Planungsansätzen aufbauen und Akteur:innen dabei unterstützen, durch kollaborative und transformative Ansätze sowie durch das Erproben von neuen Lösungen (gegebenenfalls auch auf Zeit) Dinge zu verändern, sind demnach als eine Antwort auf die aktuellen Herausforderungen der innerstädtischen Transformation zu verstehen.

Sie stellen eine Weiterentwicklung bestehender Planungsansätze dar und können von der Integration der Wissenschaftler:innen in den Prozess profitieren, die unter Umständen als neutrale Instanz einige Entwicklungen und Innovationen anstoßen, die bei anderen Akteurskonstellationen wesentlich schwieriger sind. Ob kollaborative Formate dabei ein eigenes Planungsverständnis hervorbringen und in der Argumentation von Selle (1995: 240) als eine „eigene, neue Planungsschicht“ einzuordnen sind, oder ob sie vielmehr als eine Weiterentwicklung innerhalb der etablierten kooperativen Handlungsansätze anzusehen sind, wird die Zeit zeigen.

About the author(s)

Sascha Anders, Dr.-Ing., Stadtplaner, hat lange in der Praxis zur Zentren- und Quartiersentwicklung gearbeitet. Seit mehreren Jahren forscht er im Arbeitsgebiet Projektentwicklung und Projektmanagement in der Stadtplanung an der HCU Hamburg zur Zentrenentwicklung, Governance und Transformationsprozessen.

Sascha Anders, Dr.-Ing., urban planner, has spent years working on city center and neigh-borhood development. For several years he has been doing research in the field of project development and project management in urban planning at the HCU Hamburg. His research interest include city center development, governance, and transformation processes.

Luise Stoltenberg, Dr., Soziologin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg und Mitglied im Forschungsverbund Transformation urbaner Zentren. Sie forscht außerdem zu Stadtsoziologie und neuem Städtetourismus.

Luise Stoltenberg, Dr., sociologist, is a research associate in urban planning at HafenCity University Hamburg and a member of the research network Transformation of Urban Centers. She also conducts research on urban sociology and new urban tourism.

References

Albers, Gerd (1993): Über den Wandel im Planungsverständnis. In: Raumplanung, Heft 61,
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Altrock, Uwe (2012): Das Ende der Angebotsplanung? Instrumente der Planung im Wandel. In: Küpper, Patrick; Levin-Keitel, Meike; Maus, Friederike; Müller, Peter; Reimann, Sara; Sondermann, Martin; Stock, Katja und Wiegand, Timm (Hg.): Raumentwicklung 3.0 - Gemeinsam die Zukunft der räumlichen Planung gestalten. Hannover: Verlag der ARL - Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 15–32.

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