- Start
- Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt Pocket Mannerhatten Ottakring
- Eigentümer:innen als Handelnde im Prozess der Stadterneuerung
- Die Eigentums-Besitzstandstypologie
- Ein Pilotblock im Prozess
- Vorhaben 1 und die überforderten Gefesselten
- Der Entwicklungs- und Kommunikationsprozess im Vorhaben 1
- Logiken des Handelns
- Vorhaben 2, die Eigennutzmaximierer:innen und die Eigentum-verpflichtet-Denker:innen
- Der Entwicklungs- und Kommunikationsprozess im Vorhaben 2
- Logiken des Handelns
- Learnings: Prozesslogik und die Logik der Eigentümer:innen als Herausforderung
- About the author(s)
- References
Published 27.07.2022
Die Logik der Unlogik
Einblicke in die Handlungslogik von Hauseigentümer:innen in der Stadterneuerung
The Logic of Illogic
Insights Into the Logic of Action of Homeowners in Urban Renewal
Keywords: Soziale Stadterneuerung; Gemeinwohl; Handlungspraxis; Hauseigentümer:innen; Wien; Social urban renewal; public welfare; practice of action; homeowner; Vienna
Abstract:
Liegenschaftsübergreifende und gemeinwohlstiftende Maßnahmen sind ein innovativer Lösungsansatz für eine aktualisierte sozial-ökologische Stadterneuerung. Die beteiligten Akteur:innen, vor allem die wirkmächtigen Eigentümer:innen, aber sind so vielfältig wie auch deren Interessen. Im Beitrag werden die Handlungslogiken und soziobiografischen Interessenslagen beteiligter Eigentümer:innen im Forschungsprojekt Pocket Mannerhatten Ottakring (PMO) anhand zweier Vorhaben dargestellt und analysiert. Grundlage hierfür ist die fokussierte Ethnografie und Identitätstheorie zusammen mit einer im Projekt entwickelten Eigentums- und Besitzstandstypologie, entlang der die Handlungsmotive von Eigentümer:innen eingeordnet und erklärt werden können. Unsere Untersuchung macht deutlich, dass den sozialen Prozessen in solchen Vorhaben deutlich mehr Ressourcen bereitgestellt werden müssen; sowohl im Forschungs- und Entwicklungsprojekt wie letztlich auch im Rahmen einer öffentlich geförderten Erneuerung.
Cross-property and public welfare-beneficial interventions are an innovative approach for an updated socio-ecological urban renewal. However, the actors involved, especially the powerful owners, are as diverse as their interests. In this article, the logics of action and socio-biographical concerns of the owners involved in the research project Pocket Mannerhatten Ottakring (PMO) are presented and analyzed on the basis of two projects. The basis for this is the focused ethnography and identity theory together with a property and ownership typology developed in the project, along which the motives for action of owners can be classified and explained. Our investigation makes it clear that significantly more resources must be made available to the social processes in such projects; both in a research and development project, as well as in the context of a public funded renewal.
Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt Pocket Mannerhatten Ottakring
Der Artikel beschäftigt sich mit dem erneuerungsbezogenen Handeln von (Einzel)Hauseigentümer:innen im gründerzeitlichen Bestand Wiens, das im Rahmen des vom Klima- und Energiefonds Österreichs geförderten transformativen Forschungs- und Entwicklungsprojektes (F&E) Pocket Mannerhatten Ottakring (PMO) erkundet werden konnte. Unter dem Motto Wer teilt bekommt mehr ist es das Alleinstellungsmerkmal dieser Strategie, dass alle Vorhaben grundsätzlich liegenschaftsübergreifend und kollaborativ organisiert sein müssen. Erneuerungsmaßnahmen können nur durch die Zusammenarbeit von mindestens zwei Eigentümer:innen auf mindestens zwei Liegenschaften realisiert werden, und sie dürfen nicht ausschließlich für Mieter:innen, sondern müssen auch geregelt öffentlich nutzbar sein. Alle Maßnahmen müssen, um förderungswürdig zu sein, einen gesellschaftlichen Mehrwert hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit, Bezahlbarkeit, ihrer sozialen Inklusionseffekte und in ökologischer Hinsicht aufweisen. Ohne diese Gemeinwohleffekte, die mittels eines im Projekt entwickelten Index bewertet werden können, kann es keine öffentliche Förderung geben.
Ziel ist eine effizientere, ressourcenschonendere und explizit gemeinwohlorientierte Ausrichtung der Stadterneuerungsförderung. Auch muss, wie in Wien, nicht mehr das ganze Haus erneuert werden. Stattdessen können Module mit passgenauen Erneuerungsoptionen zusammengestellt werden. Mit diesem Konzept wird zudem die Hoffnung verbunden, dass wegen der Kollaborationsanforderungen auch diejenigen Eigentümer:innen eingebunden werden, die mit den bisherigen Förderungen der Wiener Stadterneuerung nicht erreicht werden konnten.
Das transformative Forschungsprojekt wurde in zwei Phasen durchgeführt: Einer einjährigen Sondierungsphase (07.2016 – 06.2017), in der die grundlegende Idee des Vorhabens gezielt als F&E-Projekt ausdifferenziert, ein Pilotgebiet ermittelt und eine Gruppe von interessierten Eigentümer:innen aktiviert wurde. Nach der Evaluierung durch den Fördergeber konnte eine dreijährige, in der Umsetzung leider von der Pandemie beeinflusste Durchführungsphase erfolgen (03.2018 – 04.2021 plus Nachbearbeitungszeit), in der im Piloten entsprechende Maßnahmen entwickelt und teilweise umgesetzt wurden. Das Projektteam setzte sich aus einem interdisziplinär besetzten Konsortium mit Kompetenzen aus der Architektur, Architekturvermittlung, Stadt- und Raumplanung, Soziologie, Bau-, Miet- und Verwaltungsrecht, Energiewissenschaften und Energierecht zusammen. Teil des Forschungsprojektes war ein Monitoring, um zum einen die Prozesserfahrungen zu dokumentieren. Zum zweiten sollte es der Verhinderung möglicher Fehlentscheidungen im Prozess dienen. Im Zuge des Monitorings wurde ein Set unterschiedlicher, vor allem qualitativer Methoden angewendet. Eine Schlüsselaufgabe des Monitorings war es, die Handlungslogiken aller relevanten Akteur:innen – Eigentümer:innen, Mieter:innen, den beteiligten Personen aus der Verwaltung, lokalen Unterstützer:innen und dem Forschungskonsortium selbst – zu erkunden und zu reflektieren.
Im Artikel fokussieren wir uns auf die bisher wenig untersuchten Eigentümer:innen als Handelnde in der Stadterneuerung. Wir skizzieren zunächst die konzeptuelle Einbettung unserer Untersuchung und die im Projekt entwickelte Eigentums- und Besitzstandstypologie, entlang der die Handlungsmotive der unterschiedlichen Eigentümer:innen eingeordnet und erklärt werden können. Anschließend stellen wir zwei Vorhaben und die darin involvierten Eigentümer:innen in jeweils drei Schritten dar: Wir skizzieren das Vorhaben, stellen den Entwicklungs- und Kommunikationsprozess vor und analysieren die Logiken des Handelns. Abschließend werden unser Learnings zur Diskussion gestellt.
Eigentümer:innen als Handelnde im Prozess der Stadterneuerung
Obwohl Eigentümer:innen aufgrund ihres Rechtsstatus wirkmächtige Akteur:innen in der Stadterneuerung sind, wurden ihre Handlungsmuster in Planungsprozessen in Österreich bisher kaum untersucht. Auch in Deutschland ist dies nicht viel anders. Erst 2010 formulierten Krüger et al. (2010), dass in den letzten 30 Jahren nur wenige Studien vorgelegt wurden. Auch seither liegen nur wenige Arbeiten vor (Vollmer 2014; Krahl und Schönig 2020). Einschlägige Recherchen des Projekt-Teams in Österreich haben ebenfalls keine expliziten Studien zum Ergebnis. Im Suchsystem der Bibliothek der TU Wien finden sich unter entsprechenden Schlagworten wenn, dann Masterarbeiten, in denen weitgehend pauschal zwischen kommunalen, professionellen und Einzeleigentümer:innen unterschieden wird. Weitere wissenschaftliche Studien konnten wir nicht ermitteln.
Im Forschungsprojekt wurde von Beginn an mit der Hypothese gearbeitet, dass die Eigentümer:innen die Schlüsselakteur:innen für die Erneuerung sind. Entsprechend war es ein Erfordernis, diese Akteursgruppe besser zu verstehen. Einige der gewonnenen Erkenntnisse sollen hier dargestellt und zur Diskussion gestellt werden.
Die Eigentums-Besitzstandstypologie
Während zu erwarten ist, dass sich fachlich Involvierte professionell und weitgehend (sach)logisch verhalten, so ist es Teil planungspraktischer Erfahrungen, dass bei Eigentümer:innen höchst heterogene Handlungsmuster zu erwarten sind (siehe hierzu auch Lenger et al. 2013). Hypothetisch ging das Forschungsteam davon aus, dass Eigentümer:innen je nach Art, Menge und Struktur sowie Organisationsform ihres Eigentums und den Varianten des Besitzes einen je spezifischen Umgang mit diesem haben. Zudem dürften Verwertungsmöglichkeiten, die finanziellen Mittel wie auch persönlichen Präferenzen und Absichten in Bezug auf die Bewirtschaftung und Instandhaltung des Eigentums höchst unterschiedlich ausgeprägt sein.
In Folge dessen dürfte eine je spezifische Logik im Handeln der beteiligten Eigentümer:innen vorzufinden sein. Basierend auf dieser These wurde in der ersten Phase des Projekts eine Eigentums-Besitzstands-Typologie entwickelt, die dem Forschungskonsortium als Grundlage für eine passgenaue Aktivierungs- und Kollaborationsstrategie dienen sollte. Hierzu wurden aus der Kenntnis des Teams, dann vertiefend aus der der fachlichen Letter of Intent-Partner:innen (LoI, Wiener Verwaltung, Wohnfonds Wien, lokale Akteur:innen, Immobilienwirtschaft) mögliche Typen von Eigentümer:innen und Besitzstandsformen identifiziert.
Gezielt wurden in Bedacht auf die angestrebten Erkenntnisse vor allem über die Gruppe der nicht oder weniger professionellen Eigentümer:innen entsprechende Personen angesprochen und im Rahmen von leitfadengestützten Interviews zu ihrem Umgang mit ihrem Besitz befragt. Für die Typisierung wurden soziobiografische, -kulturelle, -strukturelle und subjektiv-biografisch bedingte Interessenlagen erkundet und im Zusammenhang mit dem Besitzstand und dessen Bedeutungen verknüpft. Der Besitzstand leitet sich dabei nach Art des Eigentums ab. Neben bspw. der Anzahl, Größe, und Substanz der Immobilie/n waren auch die Formen der Verwaltung und Organisation der Immobilienobjekte sowie der Professionalisierungsgrad der Personen relevant.
Durch diesen Zugang wurde es möglich, Eigentümer:innen als mehr als ein homo oeconomicus zu sehen, dessen Interessen sich vor allem in Renditeerwartungen und Nutzenmaximierung erschöpfen.
Entlang der Typologie können nun die vielfältigen Bedeutungszusammenhänge der Eigentümer:innen zu ihrer/n Immobilie/n über die üblichen Kriterien hinaus erfasst werden.
(Böhme et al. 1974: 290)
Die oben genannten drei Grundtypen, kommunale, professionelle und Einzeleigentümer:innen, konnten zu 11 ausdifferenziert werden (siehe Abbildung 1). Zudem konnte herausgearbeitet werden, wie an Eigentum als Besitzstand unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten wie auch -logiken geknüpft sind. Die Typologie konnte, weil sie in kurzer Zeit als Grundlage für das transformative Projekt entwickelt werden musste, empirisch noch nicht sehr umfangreich belegt werden; sie bekam jedoch eine grundlegend positive Response der per Letter of Intent in das Forschungsprojekt involvierten Fachkolleg:innen aus den Handlungsebenen der Stadterneuerung.
Im Folgenden gehen wir aus Platzgründen ausführlich nur auf die Eigentums-Besitzstandstypen ein, die in unseren Beispielen untersucht werden:
- Die Interessen von Eigentümer:innen, die auf ihrer Liegenschaft leben, unterscheiden sich deutlich von denen, die nicht in ihren Immobilien leben, und/ oder die mehrere Immobilien besitzen und gegebenenfalls auch immobilienwirtschaftlich aktiv sind. Die Gruppe der vor Ort wohnenden Eigentümer:innen kann als Die Traditionellen typisiert werden. Weil ihre Biografie mit der des Hauses verbunden ist, stehen vielfach Emotionen im Vordergrund. Ein Schwerpunkt der Bewirtschaftung ist das soziale Miteinander im Haus. Oft werden nachbarschaftliche Netzwerke gepflegt. Die Rendite steht nur bedingt im Vordergrund. Der Veränderungswille ist nicht stark ausgeprägt. Oftmals hat sich diese Gruppe baustrukturell an ihr Gebäude gewöhnt, und kann sich einen Umbau ihres Objektes nur bedingt vorstellen, auch wenn ein Erfordernis besteht und die Mittel hierzu zur Verfügung stünden.
- Ein ähnlicher Typus sind Die Eigentum-verpflichtet-Denker:innen. Auch für diese Personen steht die Rendite nicht per se an erster Stelle. In dieser Gruppe kommt es vor, dass die Mieten sozial gestaffelt werden. Die Gebäude werden bewusst sozial bewirtschaftet. Auch hier bestehen starke emotionale Bindungen an das Objekt und seine Bewohner:innen.
- Die Eigennutzmaximierer:innen sind explizit an Rendite, Wertsicherung und der finanziellen Verwertung der Immobilie orientiert. Häuser werden aus Kapitalinteressen gekauft, und bei mangelnder Rentabilität und/oder je nach Immobilienpreiskonjunkturlage auch wieder abgestoßen. Eine gute Nachbarschaft ist in ihren Häusern im Sinne der ruhigen Vermietung gewünscht, aber eigentlich eher nachrangig. Die Verwaltung der Häuser beschränkt sich oft auf technische Belange. Das Wohlbefinden der Mieter:innen spielt nur im Rahmen des rechtlich Erforderlichen oder auch für Vermarktungszwecke eine Rolle.
- Ein weiterer Typus sind Die Gefesselten. Aufgrund von bestehenden Altmietverträgen und hohem Instandhaltungsbedarf können diese kaum agieren. Schon einfache Instandhaltungsmaßnahmen stellen eine große finanzielle Belastung dar. Beim Bewirtschaften der Immobilie muss stets abgewogen werden. Nur die nötigsten Instandhaltungen sind möglich. Durch geringe Mieteinnahmen fehlen oftmals auch die Rücklagen. Die prekäre Lage kann Die Gefesselten veranlassen, ihr Haus aus Leidensdruck zu verkaufen.
- Oftmals sind die eben Genannten auch dem Typus Die Überforderten zuzuordnen, insbesondere dann, wenn es wenig Ideen zur Verwaltung und Nutzung des Gebäudes gibt. Als Die Überforderten ließen sich auch Eigentümer:innen identifizieren, die ihre Immobilien geerbt haben und/oder sich der Verantwortung, Eigentum zu besitzen nicht gut stellen können oder mögen.
Ein Pilotblock im Prozess
Während der Sondierung wurde ein geeigneter Block als Pilot für das F&E ausgewählt. Dieser wies neben Erneuerungsbedarf auf den Liegenschaften auch die materiell-physischen Rahmenbedingungen für eine Umsetzung von Maßnahmen im Sinne der PMO-Konzeption auf. Das Team wagte sich an die hypothetisch schwierigste Eigentumsstruktur: Der Pilotblock ist überwiegend im Einzelhausbesitz.
Während der Umsetzungsphase konnte die PMO-Entwicklungsstrategie mit mehreren Eigentümer:innen auf mehreren Liegenschaften im transformativen Forschungsprozess erprobt werden: Die Eigentums-Besitzstandstypologie diente zum einen der Erstellung von spezifischen Aktivierungen, wobei deren Aufwand je nach Typus respektive Kombination mehrerer Typen deutlich variierte. Zum anderen diente sie als Grundlage für das Monitoring des Handelns der Eigentümer:innen, das die Erkundung der Logiken ihres jeweiligen Handelns zum Ziel hatte, und erkunden sollte, was für weitere Prozesse im Sinn des F&E fruchtbar gemacht werden kann. Entsprechend dieses Erkenntnisinteresses wurde eine interpretierende Untersuchungsstrategie entwickeln, die es im knappen zeitlichen Rahmen der transformativen Forschung erlaubt, möglichst genau den Bedeutungsgehalt des Handelns unserer Protagonist:innen zu erkunden und zu verstehen (Geertz 1983; Garfinkel 2002; Hughes et al. 1994; Knoblauch 2001; Straub 2000).
Wir orientierten uns speziell entlang des Konzeptes der fokussierten Ethnografie auf das Handeln der Praxispartner:innen „als Teil der eigenen Gesellschaft in einer besonderen Situation“ (Berding 2020: 129f.). Der Untersuchungsansatz wurde entlang Lenger et al. (2013) mit dem Struktur-Habitus-Konzept nach Bourdieu informiert, wodurch auch gesellschaftliche Strukturen und Institutionalisierungen, die im individuellen Handeln inkorporiert sind, in die Interpretation einbezogen werden können.
So wird es möglich lebensweltliche Zugänge, Werthaltungen, Aktivitäten und Interaktionen im Kontext des Handelns der Eigentümer:innen mit ihrem Eigentum als Bedeutungsstrukturen zu erkennen und zu interpretieren.
(Knoblauch 2001: 132)
Die Daten wurden vor allem in den Arbeitstreffen erhoben. Sie stammen also aus kurzen und punktuellen Erhebungszeiten. Der Zugang ist auch aus pragmatischen Gründen heuristisch, denn die Ziele des F&E wie auch die zur Verfügung stehenden Mittel der Forschung standen weniger für die sozialwissenschaftliche Analyse, sondern vor allem für die Entwicklungsleistungen, die konkreten Umsetzungen und die Entwicklung eines Geschäftsmodells bereit. Um die Informationen dennoch validieren zu können, wurden extra Monitoring-Sitzungen im Team abgehalten und Monitoring-Interviews mit den Praxispartner:innen geführt. Im Folgenden werden nun am Beispiel zweier Umsetzungsvorhaben des Forschungsprojektes die Logiken vor allem der Eigentümer:innen dargestellt und diskutiert.
Vorhaben 1 und die überforderten Gefesselten
Das betagte Eigentümer:innenpaar X zeigte sich in der Sondierungsphase als Erstes an der PMO-Strategie interessiert. X waren Mehrheitseigentümer:in eines dreistöckigen Gründerzeithauses mit einem L-förmigen zweigeschossigen Hofgebäude. Das Gründerzeithaus am Blockrand wird ausschließlich als Wohngebäude genutzt. Grundsubstanz und die gesamte technische Ausstattung beider Gebäude sind erneuerungsbedürftig. Das Stiegenhaus ist eng und steil. Es gibt es keinen Aufzug. Das Hofgebäude wurde bis etwa 2000 gewerblich genutzt, und steht seither nahezu leer. Ein Raum wird von Hausbewohner:innen als Lager verwendet. X lebten seit Jahrzehnten im zweiten Obergeschoss. 2015 verkauften X aus finanziellen Gründen die Wohnung im Erdgeschoss an eine vierköpfige Familie mit Migrationshintergrund. Im ersten Obergeschoss lebt eine Nichte der X in einer Wohngemeinschaft (WG) zur Miete. Die WG setzt sich aus drei Erwachsenen und einem Kind zusammen.
X und die WG verfügten über ein hohes Maß an sozialem Kapital, und praktizierten grundlegende Prinzipen des räumlichen Teilens und Tauschens. So gab es zu einer der benachbarten Liegenschaften mit einem Wohnhaus mit Eigentumswohnungen keine Mauer. Die Abfallbeseitigung dieses Hauses durfte über den Hof und das Haustor der X erfolgen. Die WG ist Mitglied in einem Lastenradkollektiv, deren Räder auch von Nichtvereinsmitgliedern niederschwellig ausgeborgt werden können. Sie sind kostenfrei im Hofhaus untergestellt. Der Hof zwischen dem Wohngebäude und dem Hofhaus durfte von der Hausgemeinschaft und den Kindern aus dem Nachbarhaus genutzt werden. Private Fahrräder durften im Hof geparkt werden. X freuten sich, dass die Familie aus dem Erdgeschoss und die WG den Hof begrünten. X waren in quartiersbezogenen Theater- und Musikgruppen aktiv, die den Hof nutzen konnten. Temporäre Konflikte bei der gemeinschaftlichen Nutzung wurden laut Auskunft von X dialogisch gelöst. Auch einen dauerhaften Lärm- und Geruchskonflikt mit einem auf einem weiteren Nachbargrundstück gelegenen Restaurant versuchten X dialogisch zu begegnen. Schon lange aber wünschten sich X eine neue Heizungsanlage, neue Fenster, eine Dämmung des Daches sowie einen Aufzug.
Offenbar fehlten ihnen die Mittel für eine substanzielle Instandhaltung oder gar Erneuerung der Gebäude. Ohne Vermietung des Hofhauses und bei sehr moderaten Mieteinnahmen für die WG konnten keine Rücklagen gebildet werden. X formulierten einen vagen Wunsch, das Hofhaus Instand zu setzen und zu vermieten. Wie dieses geschehen kann, war den X nicht im Detail bekannt. Es war also klar, dass ohne Unterstützung und Kollaboration, vielleicht auch einem Verkauf oder Teilverkauf des Hofhauses die Erneuerung nicht realisiert werden konnte. Später im Prozess berichteten X, dass sie von ihrer Hausbank aus Altersgründen nicht mehr als kreditwürdig eingestuft seien.
Der Entwicklungs- und Kommunikationsprozess im Vorhaben 1
Die Zusammenarbeit des Teams mit X erwies sich als komplex, zeitintensiv und nicht geradlinig. X signalisierten die gesamte Zeit, dass sie am Projekt teilnehmen wollen, und engagierten sich vor allem in der Sondierung und der Planungsphase der Umsetzung intensiv. Von 2016 bis 2017 wurden zunächst mit X, anschließend auch mit der WG Nutzungsideen entwickelt, die den Kriterien des F&E entsprachen. Die Wohnungseigentümer:innen aus dem Erdgeschoß konnten trotz Bemühungen von X und dem Team nicht zur aktiven Teilhabe bewegt werden. In den Phasen der Ideenfindung und -konkretisierung wurde deutlich, dass X kein ausgeprägtes baulich-architektonisches Vorstellungsvermögen hatten. Entsprechend entwarf und kalkulierte das Team verschiedene Entwicklungsvarianten mit den Wünschen von X und bausteinartigen gebäude- und liegenschaftsübergreifenden Entwicklungsmöglichkeiten. Diese wurden im Rahmen der Projektbegleitung durch die Verwaltung der Stadt Wien auf ihre reale Förderungswürdigkeit geprüft. Das Team achtete darauf, dass sowohl die Prämissen des PMO-Konzeptes erfüllt wurden, wie auch dass nachfolgend eine solide Bewirtschaftung der Liegenschaft möglich gewesen wäre.
Ein am Hofhaus interessiertes Architektenpaar wurde von April 2018 bis Februar 2019 Teil des Prozesses. Nach rund 30 Verhandlungsterminen über die Modalitäten der Entwicklung und der Eigentumsteilung sowie die Frage, welche der Forschungsprojekt konformen Maßnahmen realisiert werden sollten, sprangen die Interessent:innen mit der Begründung ab, dass die Verhandlungen mit X zu kompliziert seien. Diese hatten, ohne dies den anderen Beteiligten zu berichten, Begehungen mit weiteren potenziellen Käufer:innen durchgeführt. Hierin sahen die ersten Interessent:innen einen Vertrauensbruch, vor allem weil der Prozess zu dem Zeitpunkt nahezu abgeschlossen schien: Planungen, Entwürfe und der Kaufpreis waren fixiert.
Auch mit den neuen Interessent:innen gestalteten sich die Verhandlungen kompliziert und nicht linear. Wiederum ohne Informationsweitergabe banden X den bisher nicht aktiven Wohnungseigentümer aus dem Erdgeschoss ein, der unabhängig vom Aushandlungs- und Planungsstand und ohne Genehmigung mit Abbruch- und Sanierungsarbeiten im Hofhaus begann. Dies sahen die neuen Interessent:innen als Vertrauensbruch an. Zudem befürchteten sie, dass die Arbeiten nicht in der vereinbarten Qualität durchgeführt würden. Mit der Kritik der Unverbindlichkeit und Sprunghaftigkeit zogen auch diese Interessent:innen ihr Angebot zurück. Das Team wies X darauf hin, dass die Baumaßnahmen genehmigungspflichtig sind. Letztlich wurde das Hofhaus von X unter Preis und ohne F&E gemäße Planungen an den Wohnungseigentümer aus dem Erdgeschoss verkauft. Die intensive Begleitung von X und den Interessierten führte zu keinem Ergebnis.
Logiken des Handelns
Dem Team wurde erst während der ersten Verhandlungsrunden mit den Kaufinteressent:innen deutlich, dass sich X trotz ihres Willens zu Erneuerung, nicht auf konkrete Maßnahmen und den Verkauf des Hofhauses festlegen konnten. Trotz intensiver und sensibel ausgestalteter Wissensvermittlungen, präzisen Konzepten für die Entwicklung und die Unterstützung durch das Team auch bei formalen Schritten des Prozesses, hielten sie sich immer wieder Optionen offen, und änderten mehrmals ihre Haltung zu den Zielen und zu den anderen Beteiligten. Zwar war die Kollaboration mit dem Team grundlegend vertrauensvoll, insgesamt aber wurde deutlich, wie stark X durch Unsicherheiten, Gefühle und Ängste in ihren Entscheidungen beeinflusst waren.
Es stellte sich heraus, dass für X trotz der von ihnen gelebten gemeinsamen Nutzung des Hofes, letztlich weitergehende Öffnungen des Grundstückes für weitere Personen nicht vorstellbar waren. Nicht immer wurde sachlogisch argumentiert. Trotz ihrer guten Erfahrungen im Umgang mit Alltagskonflikten im Hof, wurden immer öfter Befürchtungen vor Lärm, Konflikten und unerwünschten Nutzungen vorgetragen. Im Monitoring wurde deutlich, dass sich bei X im Laufe des Prozesses ein Gefühl des Überblicks- und Kontrollverlustes entwickelte. Auch der ökonomische Druck beeinflusste ihr Handeln stark. Aber erst nachdem X dem Team gegenüber formuliert hatten, dass ihnen die Kreditwürdigkeit abgesprochen worden war, rückte die Option Verkauf des Hofhauses in den Vordergrund. Entgegen der fachlichen Einschätzungen aus dem Team formulierten sie hierfür deutlich überhöhte Preisvorstellungen.
Als X in der in der zweiten Phase die Abbrucharbeiten am Hofhaus zuließen, ohne diese bei den Behörden anzuzeigen, musste das Team des F&E der Hinweispflicht nachkommen, was zu deutlichen Verstimmungen bei allen Beteiligten führte, und langwierige und kommunikativ herausfordernde Schlichtungen und Absprachen erforderlich machte. Im Monitoring stellte sich heraus, dass X bereits einmal Umbaumaßnahmen durchführen wollten, und nach ihrer Ansicht schlechte Erfahrungen mit der Baubehörde gemacht haben. In dieser Situation wurden die höchst unterschiedlichen Wissensbestände und formalen Kenntnisse wie auch der unterschiedliche Professionalitätsgrad der Beteiligten besonders deutlich. Die Situation konnte nicht durch das Team aufgefangen werden. So verstärkten sich Kommunikationsmängel und gegenseitiges Misstrauen auf Seiten aller Beteiligter. X gaben daraufhin dem Miteigentümer als einer ihnen länger persönlich bekannten Person das Vertrauen, und zogen sich aus dem F&E zurück.
In einem abschließenden Monitoring-Gespräch berichteten X, dass ihnen die zeitlichen Abläufe des Prozesses zu schwierig waren. Einzelne Prozessschritte gingen ihnen zu schnell, andere, vor allem formale gingen ihnen zu langsam. Insbesondere für inhaltliche Entscheidungen benötigten X längere Zeit und waren sprunghaft. Es konnte mehrfach dokumentiert werden, dass sie sich in einem Treffen gegen eine Maßnahme aussprachen, und bei dem nächsten dafür. Die Einbindung von X als Praxispartner:innen des F&E produzierte eine wechselseitige Abhängigkeit mit dem Team, da dessen Planungsleistungen im Rahmen der Förderung finanziert wurden. Die Planungsleistungen konnten jedoch nur geliefert werden, solange projektkonforme Maßnahmen entwickelt wurden. Das Team wiederum war gegenüber dem Fördergeber abhängig, und musste auf projektbezogene Zielsetzungen beharren.
Gegen Ende der rund dreijährigen Kollaboration, als das Team in Abstimmung mit dem Fördergeber eine Exit-Strategie verhandelte, schlug das Verhalten von X gar in eine Abwehrhaltung um. Entgegen ihrer bisher geäußerten Überzeugung, das Vorgehen sei sinnhaft, argumentierten sie nun, die Maßnahmen seien nicht erwünscht, und sie hätten einen zu hohen Arbeits- und Verwaltungsaufwand. Dieser würde sie überfordern und mentale und körperlich zu sehr anstrengen. Mitte 2019 wurde die Kollaboration aller im Einvernehmen beendet. Im Nachhinein wurde deutlich, dass X in mehrfacher Hinsicht überfordert waren; nicht nur im Hinblick auf die baurechtlichen Angelegenheiten, sondern ebenso aus Vertrauens-, zeitlichen und körperlichen Gründen. Auch im abschließenden Monitoring-Gespräch betonten X, dass der Prozess zu mühsam sei und zu lange dauern würde. Letztendlich berichteten X erst in der letzten Phase der Kollaboration, dass es bereits vor zehn Jahre einen langwierigen Prozess um das Hofhaus gegeben hat, der ohne Erfolg verlaufen ist. Sie hätten die Hoffnung gehabt, dieses Mal zu einem guten Ende zu kommen. Der aktuelle Prozess sei aber zu schwierig für sie; eigentlich seien sie von Beginn an ermüdet gewesen.
Vorhaben 2, die Eigennutzmaximierer:innen und die Eigentum-verpflichtet-Denker:innen
Ein weiteres Projekt war die Entwicklung einer Block-bezogenen Garage mit einem gemeinschaftlich nutzbaren Gründach auf zwei nebeneinander liegenden Grundstücken der Brüder Y, die ebenso auch von deren anderen Seite des Blocks über das Grundstück der Brüder Z zugänglich wäre.
An den Blockrändern aller drei Liegenschaften stehen jeweils gründerzeitliche Wohngebäude mit Wohnungen in den Obergeschossen. Hier könnten die Dachgeschosse ausgebaut und verträglich nachverdichtet werden. Im Erdgeschoss des einen Gebäudes der Brüder Y ist eine Autowerkstatt, im Zweiten eine Wohnnutzung. Rückwärtig befinden sich auf beiden Grundstücken zwei eineinhalbgeschossige Hallen, die mittels eines Durchbruchs miteinander verbunden sind. In den Hallen sind Kfz-Stellplätze vermietet. Die kleinen Höfe zwischen Hallen und Häusern werden als Wende- und Lagerplatz genutzt.
Im angrenzenden Grundstück der Brüder Z befindet sich im Erdgeschoss eine Arztpraxis. In ihrem Hof waren zu Beginn des F&E drei Stellplätze ausgewiesen, der Rest war begrünt. Zudem gibt es einen kleinen Anbau, in dem Fahrräder und Gartenwerkzeug untergestellt sind. Z haben sich früh in der Sondierungsphase für die Mitarbeit im F&E interessiert. Zu Beginn wohnten beide in ihrem Gebäude. Im gesamten Verfahren trat der jüngere als traditionell Bedachter, der ältere als progressiv auf. Entscheidungen wurden jedoch stets von beiden getroffen. Beide Brüder Z sind sehr mit ihrer Liegenschaft verbunden. Sie pflegten mit ihrem Mieter:innen eine freundschaftliche Hausgemeinschaft. Der nicht ausgebaute Keller wurde als Partykeller genutzt, zudem veranstalteten die Brüder zusammen mit Freund:innen und Nachbar:innen Hoffeste, für die sie vor dem Schuppen eine kleine Bar eingerichtet hatten. Die Außentoilette im Erdgeschoss ihres Gebäudes wurde für solche Ereignisse extra als Besucher:innentoilette Instand gehalten. Beide Z waren nicht auf die Verwertung des Gebäudes angewiesen. Die Mieten sind gering. Vor allem der Ältere zeigt sich von Anbeginn als gut über die rechtlichen Rahmenbedingungen informiert, und verfügte über umfangreiche bauliche Kenntnisse und ein technisches Verständnis. Der Jüngere trat eher als Alltagsexperte für seine Liegenschaft auf, und brachte unmittelbar nutzungsbezogenen Argumente und Anforderungen vor. Rücklagen für die Instandhaltung und mögliche Erneuerungsvorhaben waren vorhanden. Beide Brüder Z zeigen sich grundlegend allen Überlegungen gegenüber aufgeschlossen. So konnte das Vorhaben der Garage auf den Grundstücken der Y, das in einer Maximalvariante auch einen Zugang über die Liegenschaft der Z vorsah, auch mit ihnen konstruktiv als Option diskutiert werden.
Die Brüder Y waren vor allem an der guten Verwertung ihrer Liegenschaften interessiert. Das Team hat persönlich nur einen der Brüder kennengelernt, der für beide agierte. Sein Handeln war uneingeschränkt rational. Neben den beiden Gebäuden im Pilotblock besitzen Y drei weitere Liegenschaften, eine davon auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Hier befindet sich im Untergeschoss eine Firma, und in den Obergeschossen ebenfalls Wohnungen. Y ist hauptberuflich mit der Verwaltung und Bewirtschaftung befasst. Die Wirtschaftlichkeit und gewinnbringende Verwertung des Eigentums sind Ziel seines Handelns. Seine Mieter:innen bezeichnet Y als Kund:innen. Die Mietpreisgestaltung erfolgt korrekt an der Obergrenze des rechtlich Möglichen. Gerade der Mix aus gewerblicher und Wohnnutzung wird von Y als Grundlage für die erfolgreiche Bewirtschaftung gesehen. Gleichwohl zeigte er sich als an dem Konzept liegenschaftsübergreifender, kollaborativer Entwicklung der Liegenschaften interessiert. Aufgrund der geplanten zugänglichen Grünfläche am Dach, und weil die Stellplätze in den Hallen vor allem an Betriebe im Block vermietet wurden, konnte das Vorhaben aufgrund des dadurch verminderten Parkdrucks auf den öffentlichen Raum als auch gemeinwohlorientiert gewertet werden.
Der Entwicklungs- und Kommunikationsprozess im Vorhaben 2
Beide Brüderpaare waren wie alle Eigentümer:innen im Pilot zu Beginn der Sondierung 2016 zur Mitwirkung eingeladen gewesen. Während die Brüder Z gleich mit Energie und Umsetzungswillen in umfangreiche Planungen für ihre Liegenschaft einstiegen, von denen das Garagenprojekt eine der Entwicklungsoptionen war, zeigten Y nur allgemeines Interesse und blieben nach dem Erstkontakt weiteren Veranstaltungen fern. Die Brüder Z traten gleich nach dem Erstkontakt in einen konkreten Erneuerungsprozess ein, der 2021 mit der erfolgreichen Errichtung einer innovativen liegenschaftsübergreifend bewirtschafteten Photovoltaikanlage, und einem Gemeinschaftskeller endete.
2019 war die Entwicklung der Blockgarage noch offen. Das Konsortium trat ein zweites Mal an Y heran. Y äußerte kein Interesse am Dachgeschossausbau. Der Umbau der Hallen war für Y aber eine bedenkenswerte Option. Das Nichtinteresse am Dachgeschossausbau begründete er damit, dieser allenfalls eine langfristige Perspektive darstellt. Als praktisch Erfahrender könne er sich eine Umsetzung während der Laufzeit des F&E nicht vorstellen. Y betonte gleich, dass das Vorhaben nur dann sinnvoll wäre, wenn es sich auch rechnen. Das Team entwickelte daraufhin drei Szenarien, die explizit die Vorstellungen der Y erfüllten, zugleich aber räumliche Verbesserungen im Sinne der PMO-Ziele vorsah.
Logiken des Handelns
Die Brüder Z zeigten sich von den Überlegungen angetan, und begrüßten die Aussicht auf eine weitere begrünte Fläche im Blockinneren. Sie setzten sich in den Arbeitstreffen hierfür ein, auch mit der Bereitschaft, ihren Hof kontrolliert für Nachbar:innen und gegebenenfalls die Öffentlichkeit zu öffnen. Y bekundete nach der zweiten Ansprache zwar ein klares Interesse an einer konkreten Studie, blieb dem Team gegenüber jedoch stets zurückhaltend. Die Machbarkeitsstudie ermöglichte ihm eine zweckrationale Abwägung seiner finanziellen Interessen.
Zu Beginn formulierte Y bei baulichen Aufwertungen eine Renditeerwartung von zwei Prozent. Nach Sichtung der Szenarien revidierte er diese auf vier. Die Entwicklung von Wohnflächen sei aus seiner Sicht unrentabel, weil die Fläche zu klein sei. Die Autowerkstatt und die Vermietung der Stellplätze seien die Säulen seines Wirtschaftlichkeitskonzeptes. Beides dürfe nicht beeinträchtigt werden. Seine übergeordnete Sorge war ein vermuteter Mietausfall. Zugleich aber betonte er, dass sie aufgrund ihrer fünf Liegenschaften liquide seien. Der möglichen öffentlichen Förderung des Vorhabens wie auch die forschungsbezogenen Zusatzmittel, die das Team zusammen mit den LoI-Partner:innen den Brüdern vorbehaltlich einer formalen Fachprüfung in Aussicht stellen konnte, stellte für ihn keinen Anreiz dar; ebenso wenig wie städtebauliche, ökologische und soziale Effekte der Planungen.
Letztendlich kann das Handeln von Y als professionell und explizit von wirtschaftlichen Interessen getragen eingestuft werden. Er zeigte sich verhandlungssicher, spekuliert offensiv mit dem Eigentumswert und sucht den persönlichen Vorteil. Zu Beginn der Zusammenarbeit äußerte Y die Bereitschaft, die Stellplatzmieter:innen in den Prozess miteinzubeziehen, denn er könne als Eigentümer keine Entscheidung ohne diese treffen. Er gehe davon aus, dass diese dem Umbau skeptisch gegenüberstünden, vor allem weil sie während eines Umbaus nicht vor Ort parken könnten. So formulierte er von Anfang an eine Exit-Strategie.
Y zeigte sich bewusst, dass das Team aufgrund der Zielsetzungen des transformativen F&E auch seinen Interessen abhängig war. Dieses Wissen spielte Y in Verhandlungssituationen ein, indem er seine Mitwirkung an der Erstellung einer professionellen Machbarkeitsstudie inklusive Investitions-Rentabilitätsmodellierungen festmachte, und sich zugleich den Ausgang des Prozesses offenhielt. Die Studie wurde in den Verhandlungsrunden mehrfach überarbeitet, ohne dass Y sich deshalb verbindlicher gegenüber den Planungszielen gezeigt hätte. Zweckrational und im Sinn typischer Wertsicherungs- und Verwertungsinteressen formulierte Y, dass sich die Immobilie mit einer ruhigen Mieter:innenschaft langfristig besser verwerten lässt. Eine liegenschaftsübergreifende gemeinschaftliche Nutzung der Dachterrasse auf der Garage und mögliche Wegerechte hierfür, brechen mit diesem Verwertungsmodell. Letztlich bedankte sich Y für die Studien und die Darstellung der Entwicklungsmöglichkeiten für seine Liegenschaften, und wollte dennoch nicht am Projekt teilnehmen. Den gemeinschaftlichen Nutzungsüberlegungen sei er von Anbeginn skeptisch gegenübergestanden.
Der Prozess zeigt, dass auch in der Kollaboration mit zweckrationalen, professionellen Eigentümer:innen nicht per se ein stringenter Prozess erwartet werden kann, der zur Umsetzung gewünschter Erneuerungsziele führen muss.
Y hat den Prozess mittels Verzögerungen, nicht offener Kommunikation, durch Umformulieren seiner Interessen und früh der Formulierungen von Ausstiegsmöglichkeiten gesteuert. Ein abschließendes Monitoring-Gespräch mit Y konnte nicht stattfinden.
Learnings: Prozesslogik und die Logik der Eigentümer:innen als Herausforderung
Die Ausführungen bestätigen nicht nur wesentliche Annahmen aus der Eigentums-Besitzstandtypologie, sie geben Einblicke in die nicht immer logischen Handlungen der Eigentümer:innen, und sie erhellen das komplexe Spannungsfeld der Kollaboration in transformativen Forschungsprojekten.
Hier treffen stets höchst unterschiedliche Logiken aufeinander. Für eine Klärung der Interessen untereinander erscheint der Förderungszeitraum, zumal bei komplexen Bauvorhaben als zu kurz.
Die lineare Prozesslogik, die für ein F&E-Projekt erforderlich ist, kann den Interessen vor allem nichtprofessioneller Eigentümer:innen sehr entgegenstehen.
Hier sind äußerst sensible Zugänge und ein aufmerksames Monitoring grundlegend sinnvoll, um affektiven Handlungs- und Kommunikationsmustern und einer sich gegebenenfalls sprunghaft einstellenden Überforderung begegnen zu können. Durch komplexe Handlungsmuster insbesondere der Eigentümer:innen kann sich der Zeitaufwand aller deutlich erhöhen. Selbst nach einem zielgerichteten, aufwändigen Betreuungsprozess ist die Zielerreichung nicht sicher.
Ebenso deutlich wird, wie stark sowohl der Wille zur Mitwirkung wie auch die Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen, an subjektiv-biographisch gebundene Interessen geknüpft sind. Dabei spielt insbesondere bei den Nichtprofessionellen - und dies ist eine unseres Erachtens neue Erkenntnis - die Verknüpfung der eigenen Biografie mit der des Hauses eine erhebliche Rolle. Ressentiments und Misstrauen gegenüber dem Neuen, Unbekannten sind nachvollziehbare Reaktionen. Das Monitoring zeigt, dass sich diese im Prozess in Sprunghaftigkeiten ausdrücken, und einen stringenten F&E-Prozess beeinflussen. Um diesen begegnen zu können, ist eine intensivere Betreuung der Eigentümer:innen erforderlich. Dies braucht mehr Zeit.
Die Herausforderung wird bei transformativen F&E noch größer, wenn sich die Eigentümer:innen erst auf Grund dessen Durchführung mit der Thematik zu befassen beginnen. Forschungsteam, Eigentümer:innen wie auch Fördergeber:in stehen hier in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Die grundlegend komplexen Hierarchien innerhalb eines baubezogenen F&E werden noch weiter verkompliziert. F&E tragen einen Zielwiderspruch in sich: So kann es sein, dass sich Eigentümer:innen unter Druck gesetzt fühlen, wenn sie den Eindruck gewinnen, das Vorhaben sei ihnen aufgedrückt. Dies kann passieren, auch wenn der Prozess auf Augenhöhe geführt wird, denn es bestehen auch aufgrund der verpflichtenden qualitativen und quantitativen Zielsetzungen des F&E deutliche Hierarchien. Zugleich aber kann es ohne Kollaboration die angestrebten Innovationen nicht geben; wie auch im hier skizzierten Projekt, dessen Ansatz der Etablierung einer neuen Strategie nur gemeinsam mit Eigentümer:innen erprobt werden kann. Für die Durchführung eines weitgehend friktionsfreien Prozesses sind die Anforderungen an die transdisziplinäre Kommunikations-, Vermittlungs- und Mediationskompetenz für alle Beteiligten sehr hoch.
Die Erfahrungen mit den Brüdern Z zeigen, dass ein Projekt stringent organisiert werden kann und größere Umsetzungschancen hat, wenn die subjektiv-biografisch bedingten Interessen weniger zum Tragen kommen. Allerdings können Akteur:innen den Prozessverlauf auch aus rationalem Kalkül beeinflussen, wie bei den Brüdern Y. Unsere Erkundungen bestätigen aber deutlich den Einfluss von spezifischen Alltagspraktiken vor Ort, wie die Stellplatzsituation im Fall Y, oder die alltäglichen Konflikte im Fall X. Die gegenwärtig angewandten Akteurs-sensiblen Kollaborationsformate müssen offensichtlich systematisch um Kenntnisse über die vorhandene „Vielfalt komplexer, oft übereinander gelagerter oder ineinander verwobener Vorstellungsstrukturen, die fremdartig und zugleich ungeordnet und verborgen sind […] “ (Geertz 1987: 15) erweitert werden.
Unsere Ergebnisse bestätigen nicht zuletzt, dass insbesondere bei einer kollaborativen und liegenschaftsübergreifenden Stadterneuerung dynamische, iterative, zeitlich wenig begrenzte Prozessstrukturen angewendet werden müssten.
Hierzu muss die Kollaboration in transformativen Vorhaben substanziell gefördert werden. Eine gesicherte sozialwissenschaftliche Begleitung erscheint sinnvoll. Soll auch die eigentumsmäßig kleinteilige gründerzeitliche Bestandstadt sozialökologisch transformiert werden, wobei die Bestands- und Bewohner:innensicherung und die Bezahlbarkeit trotz ökologischer Anpassung im Vordergrund steht, dann müssen gerade die hier im Fokus stehenden Eigentümer:innen intensiver in die Transformation eingebunden sein. Wie unseres Erachtens deutlich wird, müssen die Mittel hierfür dringlich über übliche Fördergrenzen hinausgehen. Vielleicht ist es gar erforderlich, die Stadterneuerung als eigentumsbezogenes System grundlegender zu hinterfragen.
References
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