Published 27.07.2022

Dem Klimawandel ko-kreativ begegnen!

Kollaborative Formate der quartiersbezogenen Klimavorsorge aus dem Projekt iResilience

Facing Climate Change co-creatively!

Collaborative Neighborhood-Based Formats of Climate Precaution From the Project iResilience

Keywords: Urbane Klimaresilienz; Reallabor; Soziale Innovation; kollaborative Stadtentwicklung; Ko-Planung; Urban climate resilience; living labs; social innovation; collaborative urban development; co-creation

Abstract:

Der Klimawandel betrifft innerstädtische Quartiere besonders. Um souverän mit dessen Folgen umgehen zu können, braucht es sowohl die Widerstands- als auch die Veränderungsfähigkeit der Räume und Akteur:innen. Deshalb erprobt das Forschungsprojekt iResilience kollaborative Planungsformate. Durch sie sollen neue Kooperationen zwischen lokalen Akteur:innen angestoßen und dem Klimawandel vor Ort begegnet werden. Zentrales Format im Projekt sind die lokalen Aktionsgruppen (LAG). Mit den LAGs Kasemattenstraße für Morgen und der Wasser-Tanke werden die Bandbreite des Formates und die Unterschiede in den Arbeitsprozessen dargestellt. Anschließend wird reflektiert, inwiefern das Konzept der LAG in der (Projekt-)Praxis anwendbar ist. Im Fokus steht dabei die Relevanz der (Klima-)Betroffenheit vor Ort, die Bedeutung einer Umsetzungsperspektive sowie das Vorhandensein einer vermittelnden Instanz innerhalb des LAG-Prozesses.

Climate change particularly affects inner-city neighborhoods. In order to be able to deal with its consequences, both resilience and capacity for change of spaces and actors are highly needed. Therefore, the research project iResilience experiments with collaborative planning formats. The aim is to initiate new co-operations between local actors and to face climate change locally and collectively. The main format in the project is that of local action groups (LAG). The LAGs Kasemattenstraße für Morgen and Wasser-Tanke present the range of the format and the differences in the work processes. Subsequently, the article reflects on the extent to which the LAG concept is applicable in (project) practice. The focus is on the relevance of the local climate affectedness, the importance of an implementation perspective and the existence of a mediating body within the LAG process.

Mehr urbane Klimaresilienz durch den Reallabor-Ansatz

Die Folgen des Klimawandels wie Starkregenereignisse, Trockenheit und anhaltende Hitzeperioden stellen die Gesellschaft schon heute vor bisher nicht gekannte Herausforderungen. Vor allem den Städten kommt bei der vorausschauenden Anpassung an den Klimawandel eine zentrale Rolle zu. Für die Stadt der Zukunft zeichnet sich in den Diskursen zu Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung, Klimawandelanpassung und aktuell auch in der Pandemiebekämpfung ein komplexes Anforderungsspektrum ab:

  • unsichere Zukunftstrends und heterogene Vulnerabilität;
  • ausstehende Innovationen bei der Integration, Koordination und Kooperation von Politikebenen, Ressorts, Fachdisziplinen, (neuen) Stakeholdern und (neuen)
  • Geschäftsmodellen;
  • soziale Innovationen als Komplement und Korrektiv zu technisch-naturwissenschaftlichen Innovationen;
  • inter- und transdisziplinäres Mitgestalten von Transformationsprozessen.

Das 2021 veröffentlichte Memorandum Urbane Resilienz – Wege zur robusten, adaptiven und zukunftsfähigen Stadt spiegelt dieses Spektrum deutlich wider (BMI 2021).

Mit der Bekanntmachung Umsetzung der Leitinitiative Zukunftsstadt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Ministerium Kommunen seit 2016 dabei, im Verbund mit der Wissenschaft, innovative Prozesse, Konzepte und Instrumente zu entwickeln und zu erproben, mit denen die (Klima-)Resilienz unserer Städte und der Stadtgesellschaft kontinuierlich gestärkt werden kann.

Mit urbaner Klimaresilienz sind die Widerstands- und Veränderungsfähigkeiten einer Stadt gegenüber klimatisch induzierten Naturgefahren, Wetterereignissen und/ oder klimatischen Entwicklungen gemeint. Die Entwicklung und Erprobung neuer Lösungen und Handlungspraktiken zur Verbesserung der Klimaresilienz ist Kern des im Rahmen der Leitinitiative geförderten Forschungsprojekts iResilience. Dazu wurden in Zusammenarbeit mit den Städten und Stadtentwässerungsbetrieben in Köln und Dortmund drei Reallabore als Pilotgebiete geschaffen: Köln-Deutz, Dortmund Jungferntal und Dortmund Hafen. Anhand der Themen Überflutungsvorsorge, Hitze und Gesundheit sowie Urbanem Grün hat das Forschungsteam in drei Jahren (2019–2021) neue Formate der kollaborativen Planung (Ko-Planung) zur Entwicklung von Klimaanpassungsmaßnahmen ausprobiert.

Im Unterschied zu der bisherigen Klimaanpassungspolitik und -praxis, die sich überwiegend auf die Aufrechterhaltung des Status quo (Widerstandsfähigkeit von Systemen) konzentriert hat (UBA 2014: 113), fokussiert sich iResilience mit seinen Formaten auf die Veränderungsfähigkeit und die Anpassungskapazität der lokalen Akteur:innen (siehe Abbildung 1). Die individuellen und kollektiven Anpassungskapazitäten werden durch sechs Dimensionen determiniert: Ressourcenausstattung, soziales Kapital, Anpassungsbewusstsein, Governance, Soziodemografie und Wissen (UBA 2014: 138 ff). Das Projekt fokussiert mit seiner Forschung also weniger auf das Was, die entwickelte Klimaanpassungmaßnahme, sondern auf das Wie, den kollaborativen Erarbeitungsprozess, welcher durch die Interaktionen der Akteur:innen im Rahmen der Ko-Planung positiv auf die Anpassungskapazitäten einzahlt und die Lebensqualität in den Quartieren verbessert.

Die Abbildung zeigt ein Diagramm, das das zentrale Projektziel von iResilience darstellt.
Erste Ebene: Das Ziel ist die Verbesserung der urbanen Resilienz. Ein Teil davon ist die Verbesserung der urbanen Klimaresilienz. 
Zweite Ebene: Die Verbesserung unterteilt sich in zwei Elemente: Die Veränderungsfähigkeit und die Widerstandsfähigkeit. Veränderungsfähigkeit wiederum unterteilt sich in die Transformationsfähigkeit und in die Kollektive und individuelle Anpassungsfähigkeit. Die Widerstandsfähigkeit unterteilt sich in die Sensitivität und die Exposition. 
Dritte Ebene: Transformationsfähigkeit unterteilt sich in verschiedene Dimensionen: Governance, Sozial-Kapital (Zusammenhalt, Vertrauen), Ressourcenausstattung. Die Anpassungsfähigkeit unterteilt sich in Anpassungsbewusstsein, Soziodemographie und Wissen. Sensitivität hat die Dimensionen Robustheit, Redundanz, Modularität, Diversität. Exposition unterteilt sich in Räumliches Vorkommen und klimatischer Einfluss. 
Vierte Ebene: Hier werden die Aktivitäten und Beiträge zur Verbesserung der urbanen Klimaresilienz aus den Reallaborprozessen in Dortmund und Köln aufgezählt: Aufbau/Verbesserung des System-, Ziel- und Transformationswissens im Quartier, Soziale Innovationen und neue Formate, Konkrete Ergebnisse oder Umsetzungen aus LAGs, Digitale Tools und Innovationen für Stadt und Quartier, Roadmap „klimaresilientes Quartier“ und „Drehbuch zur Übertragbarkeit“.
Abbildung 1: Zielhierarchie iResilience/ Urbane Klimaresilienz. Quelle: iResilience, Difu in Anlehnung an UBA 2014.

Für die Ko-Planung war der Reallabor-Ansatz von zentraler Bedeutung. Reallabore gelten als ein innovatives Format der Kooperation, Wissensgenerierung und Wissensteilung zwischen Personen unterschiedlicher Fachdisziplinen und Gesellschaftsbereichen. „Reallabore arbeiten im Modus transdisziplinärer Forschung, das heisst in ihnen arbeiten Wissenschaftler:innen und Praxisakteur:innen auf Augenhöhe zusammen, gestalten Forschungsprojekte und Ergebnisse gemeinsam durch Ko-Design & Ko-Produktion sowie die Differenzierung und Integration unterschiedlicher Wissensbestände, Methoden und Konzepte“ (Schäpke et al. 2017: 5).

Vor diesem Hintergrund war für die durch iResilience entwickelten Formate die Frage zentral, wie die Akteur:innen im geschützten Arbeitsraum des Reallabors vom „Wissen zum Handeln […] kommen“ (MWK 2013: 31, siehe auch Ukowitz 2017). Es wurde untersucht, welche Formate Soziale Innovation befördern. Die Förderung sozialer Innovation umfasst dabei nicht nur einen höheren Partizipationsgrad in Planungsprozessen.

Vielmehr sollten die Menschen in den drei Reallaboren durch die Formate unterstützt werden, Wissen zu teilen und neues Wissen zu generieren, Eigenverantwortung zu übernehmen, Verantwortung zu teilen, neue Entscheidungsstrukturen zu entwickeln und bestehende zu nutzen sowie Netzwerke zu knüpfen.

Darüber hinaus sollte übertragbares Handlungswissen generiert werden, das „auch an andere Orte und in die gesellschaftliche Breite getragen werden kann” (MWK 2013: 31, siehe auch Ukowitz 2017).

Ko-Planung im Projekt iResilience

Das Forschungsteam arbeitete im Rahmen der drei Reallabore mit unterschiedlichen Personenkreisen zusammen: Vertreter:innen aus den Quartieren, der Wirtschaft, der Politik, der Verwaltung und Stadtentwässerung und Eigenbetrieben sowie bürgerschaftlichen Initiativen. Es initiierte und begleitete unterschiedliche Ansprache-, Kommunikations- und Ko-Planungs-Formate. Der Arbeitsphase in den Formaten ging eine intensive Vorbereitung voraus, in welcher mit den Stadtverwaltungen und Stadtentwässerungsbetrieben der Städte Köln und Dortmund die Konzeption und Inhalte der Ko-Planungsprozesse gemeinsam formuliert wurden. Ko-Planungsprozesse ermöglichen allen Beteiligten im Reallabor, inklusive dem Projektteam, ein gemeinsames Planen, Entwickeln und Erproben von Klimaanpassungsmaßnahmen. Das (Selbst-)Erproben dürfen und gemeinsame Lernen sind wichtige Ziele der Ko-Planung.

Abbildung 2 veranschaulicht beispielhaft die unterschiedlichen Ebenen der transdisziplinären Zusammenarbeit in einen Zeitstrahl von 2019 bis 2022. Auf der obersten Ebene, dem Plenum, werden sowohl das ganze Reallabor als auch alle Themen (Starkregen, Hitze und Gesundheit sowie Urbanes Grün) übergreifend betrachtet. Es kommen Fachkundige, Anwohnende, Immobilieneigentümer:innen, Gewerbetreibende und städtische Vertreter:innen wie Verwaltung und Stadtentwässerungsbetriebe zusammen, um über die Herausforderungen des Klimawandels auf der Ebene des Quartiers zu sprechen und übergreifende Lösungsansätze zu sammeln. Auf der mittleren Ebene, den thematischen Arbeitsgruppen (them. AG) wird auf je ein Thema fokussiert. Hier steht das Finden von konkreten Orten (zum Beispiel Starkregen-Hotspots) und Herausforderungen (zum Beispiel erhöhter Hilfebedarf von alleinstehenden älteren Menschen in Hitzeperioden) im Fokus.

In den lokalen Aktionsgruppen (LAGs), die die unterste Ebene darstellen, werden die identifizierten Orte oder Herausforderungen analysiert und passgenaue Lösungen gemeinsam vorbereitet (zum Beispiel bauliche Maßnahmen) oder pilothaft umgesetzt (zum Beispiel soziale Innovationen wie eine Hitzesprechstunde).

Die Abbildung zeigt einen Zeitstahl von 2019 bis 2022: 
In 2019 liegen das Auftaktplenum und das Projektstartplenum, jeweils mit den drei Themen Starkregenvorsorge, Hitze und Gesundheit und Urbanes Grün. Auch liegen dort die thematischen AGs – je eine zu einem Thema. 
In 2020 liegt das erste Treffen der Roadmapping-Gruppe und Treffen von lokalen Aktionsgruppen. Ende 2020 liegt das Event, sowie weitere Treffen der Thematischen AGs und der LAGs. 
In 2021 liegt zu Beginn das Halbzeitplenum und ein Treffen der Roadmapping-Gruppe, in der Mitte ein weiteres Event, sowie Treffen der thematischen AGs und der LAGS. Gegen Ende liegen zwei Treffen der Roadmapping-Gruppe und das Abschlussplenum, das wieder alle drei Themen vereint.
Abbildung 2: Ko-Planungsformate im Projektablauf. Quelle: iResilience, sfs.

Ein wesentlicher Fokus bei iResilience lag auf der Initiierung und Begleitung der LAGs.

Mit Ko-Planung ist, insbesondere in diesem Format gemeint, dass unterschiedliche lokale Akteursgruppen gemeinsam öffentlich-private, gemeinschaftliche oder auch private Lösungen zur Klimavorsorge zusammen entwickeln.

Um eine qualitative Bewertung des Formates vornehmen zu können wurden Definitionsmerkmale (Was ist eine LAG?) und Hypothesen (Wann ist diese erfolgreich?) entwickelt. Zu ihnen zählte einmal die eigene Betroffenheit durch eines der genannten Themen. Diese Betroffenheit sollte sich lokal verorten lassen. Basis hierfür waren die eigene Erfahrung der Akteur:innen und die durch das Forschungsteam bereitgestellten kleinräumigen Klima- und Klimawirkungsanalysen und Starkregengefahrenkarten. Somit sollte sich der Teilnehmerkreis auf lokal ansässige und zuständige Personen beschränken, die ein Eigeninteresse an der Zusammenarbeit und Lösung eines Problems hatten, demnach intrinsisch motiviert waren. Weiterhin mussten diese Teilnehmenden aus mindestens zwei Akteursgruppen kommen, davon mindestens ein:e lokal ansässige:r oder betroffene:r Akteur:in.

Damit ein gemeinsamer Ko-Planungsprozess entstand, waren mehrere Treffen pro LAG vorgesehen. In der Zusammenarbeit innerhalb der LAG gab es keine Hierarchien, denn die Teilnehmenden arbeiteten Seite an Seite miteinander und lernten voneinander. Als Initial für eine LAG war jeweils ein:e Akteur:in vorgesehen, welche die inhaltliche Patenschaft übernahm. Die Themenpat:in brachte die Idee ein und initiierte und forcierte, gemeinsam mit dem Projektteam, den kollaborativen Arbeitsprozess. Im Projekt iResilience entwickelten sich LAGs zu jedem Thema.

Grundlage hierfür waren rund 25 Ideen aus den Plena und den thematischen Arbeitsgruppen. Diese stammten meist direkt aus der Bevölkerung, aber auch aus den Stadtverwaltungen beispielsweise den Stadtentwässerungsbetrieben oder den Umweltämtern. Wenn sich genügend Interessierte, Betroffene oder Zuständige für eine Idee fanden, wurde eine LAG gegründet. Die qualitative und quantitative Bandbreite der LAG-Prozesse und erarbeiteten Ergebnisse ist – trotz der Corona-Pandemie – enorm. Es gibt ein breites thematisches und strukturelles Spektrum (Dauer, Anzahl der Teilnehmenden, Intensität und andere). Wirft man einen Blick auf die einzelnen Ergebnisse der LAGs, zeigt sich, dass die Teilnehmenden der LAGs die Potenziale zur Vernetzung, des Lernens und Wissenteilens, der Übernahme von (neuer) Verantwortung, unter anderem durch den Ko-Planungsprozess, unterschiedlich ausgeschöpft haben. Auch die erarbeiteten Maßnahmen sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von einem Konzept für die bauliche Umgestaltung einer Straße (Kasemattenstraße für Morgen – siehe unten) bis zur direkten Umsetzung von Maßnahmen (zum Beispiel das Bauen von Hochbeeten oder Entwicklung von Informationsmaterial).

Kasemattenstraße für Morgen in Köln Deutz

Fokus der LAG Kasemattenstraße für morgen! war die laut Simulationen der StEB Köln (Stadtentwässerungsbetriebe Köln) überflutungsgefährdete Kasemattenstraße, die einen topographischen Tiefpunkt mit Einstaugefahr bildet (siehe Abbildung 3). Auch die projekteigene, kleinräumige Hitzesimulation (siehe Abbildung 4) zeigt eine hohe Belastung. Beides war für die zuständige StEB Köln ausschlaggebend, die Kasemattenstraße als Ort für eine LAG vorzuschlagen, um Ideen für eine klimaresiliente Umgestaltung zu entwickeln. So übernahm sie die Rolle der Themenpatin. Gemeinsam mit dem Forschungsteam wurde die Idee weiterverfolgt und Teilnehmende für eine LAG akquiriert: Zuständige aus den relevanten Fachämtern der Stadt Köln fanden sich schnell. Die Anwohnenden zu überzeugen, war schwieriger: Ansprachen, die sich auf die Sensibilisierung gegenüber lokalen Starkregengefahren fokussierten, liefen zunächst ins Leere. Über eine thematische Öffnung (Aufwertung des urbanen Raums) und verschiedenste Ansprache-Formen (zum Beispiel Infostände; Events) konnten Anwohnende für das Vorhaben gewonnen werden. Anfängliche Skepsis lösten bei den Bürger:innen die fehlenden Finanzmittel des Projekts aus, da eine Umsetzung ungesichert schien. Auch fühlten sich die Anwohnenden von Starkregen bislang nicht betroffen.

Die Abbildung zeigt die Starkregengefahrenkarte der StEB Köln. Als Kartenausschnitt ist die Kasemattenstraße in Deutz gewählt. Zu erkennen ist, dass im Bereich der Kasemattenstraße eine sehr hohe Starkregengefährdung vorliegt. Der Bereich ist dunkelblau eingefärbt.
Abbildung 3: Starkregengefahrenkarte der StEB Köln, einsehbar unter hw-karten.de. Quelle: StEB Köln.
Die Abbildung zeigt eine Hitzesimulation (Szenario: Starker Klimawandel, Gefühlte Temperatur (UTCI) um 14 Uhr in 2 m Höhe). Zu sehen ist eine Karte von Köln Deutz, der Bereich an der Kasemattenstraße ist mit einem Rechteck hervorgehoben. In diesem Bereich ist eine extreme, sehr starke und starke Hitzebelastung zu sehen.
Abbildung 4: Simulierte Hitzebelastung für Köln-Deutz. Quelle: iResilience, Geo-Net.

Das Projektteam hat im Prozessverlauf den Kommunikationsfokus auf die Aufwertung der Fläche gelegt: Steigerung der Aufenthaltsqualität in dem von Starkregen besonders betroffenen Bereich (Parkplatzfläche) zum Beispiel durch die Entsiegelung. Das Thema Klimaanpassung (insbesondere Überflutungsgefährdung) wurde bei der Kommunikation mitgedacht, aber nicht in den Vordergrund gestellt. Besonders bei der Gewinnung von Teilnehmenden aus der Bevölkerung war das Forschungsprojekt als intermediärer Akteur gefragt: Hier musste zwischen der Fragestellung einer klimaresilienten Umgestaltung der Straße (Fragestellung und Motivation StEB Köln und städtischer Fachämter) und der Schaffung von Aufenthaltsqualität (Motivation der Bevölkerung) vermittelt werden.

Die insgesamt fünf Treffen (siehe Abbildung 5) fanden in Teilen Vor-Ort oder pandemiebedingt als Videokonferenz statt. Eine feste, den LAG-Prozess gestaltende Gruppe wurde durch sporadisch teilnehmende Akteur:innen punktuell ergänzt. So blieb der Prozess auch für neue Ideen offen, erschwerte jedoch gleichzeitig das gemeinsame Arbeiten, da so Fragestellungen und Ideen teilweise mehrfach diskutiert wurden.

Diese Abbildung zeigt das Ablaufdiagramm der LAG Kasemattenstraße mit drei Ebenen: Oben die Projektebene, in der Mitte die Akteure vor Ort und unten das Forschungsteam. Es sind insgesamt 5 Treffen der LAG dargestellt. Auf der Ebene des Projektes sind dargestellt, wie aus 6 Entwürfen über die Schritte Sammeln, Vertiefen, Entwickeln, Auswählen und Entscheiden am Ende ein Entwurf geworden ist.
Abbildung 5: LAG-Prozess Kasemattenstraße für Morgen. Quelle: iResilience, HCU.

Das erste Treffen Vor-Ort startete nach einer Projektvorstellung mit einer Ideensammlung zur Flächenumgestaltung. Die Starkregenproblematik vor Ort aus Sicht der StEB wurde räumlich verdeutlicht und die Erwartungshaltung der Teilnehmenden abgefragt. Jede:r Einzelne konnte ihre/seine Ideen anhand von Karten vorstellen.

Im nächsten Prozessschritt wurden vom Forschungsteam alle Ideen gesichtet, thematisch geclustert und zeichnerisch vom Projektpartner HCU (HafenCity Universität Hamburg) dargestellt. Diese Entwurfsvarianten bildeten die Basis für die weitere Arbeit und wurden gemeinsam in der Gruppe in den Treffen weiterentwickelt. Aus den vorgeschlagenen Ideen wurde ersichtlich, dass das Wissen zum Thema Starkregen seitens der Zivilgesellschaft unzureichend und weiterer fachlicher Input nötig ist. Zentrale Elemente der Ideensammlung waren die Schaffung eines Platzes gesäumt mit urbanem Grün sowie die Reduzierung oder der Entfall von Flächen für den motorisierten Verkehr.

Das zweite Präsenztreffen konzentrierte sich auf die Vermittlung von Wissen zu Starkregen: Durch das Projektteam wurde dargestellt, mit wie viel Wasservolumen im schlimmen Starkregenfall zu rechnen ist und welche Folgen sich für Straßenraum und anliegende Gebäude ergeben. Mit Hilfe von diesem Wissen wurden Rückschlüsse auf die Entwurfsvarianten gezogen. Das dritte Vor-Ort-Treffen diente zur Kombination des erworbenen Wissens. Die Gruppe verständigte sich darüber hinaus auf das Ziel, eine Vorzugsvariante erarbeiten zu wollen. Um diese Variante zu erstellen und auszuwählen, wurden Parameter gesammelt, unter anderem Tauglichkeit zur Starkregenvorsorge, Erhalt der Bestandsbäume, Versorgungsleitungen im Untergrund, verkehrliche Situation, Aufenthaltsqualität, zusätzliches Grün. Insbesondere die verkehrliche Situation und die Aufenthaltsqualität konnten die Anwohnenden einschätzen und Hinweise geben. Besonders in diesem Treffen zeigte sich, dass das Wissen aller gleichwertig mit eingebracht werden konnte, was einen Arbeitsprozess Seite an Seite ermöglichte. Abgeleitet von den Parametern wurden die Varianten vom Forschungsteam angepasst.

Das vierte Treffen musste digital stattfinden. Hier wurden alle Varianten unter den Parametern besprochen, gleichberechtigt Vor- und Nachteile benannt und Favoriten ausgemacht. Herausgekommen ist eine Vorzugsvariante (siehe Abbildung 6). Eine digitale Umfrage, die das gesamte Quartier adressierte, bestätigte diese Auswahl.

Diese Abbildung zeigt den Entwurf für die Klimarobuste Kasemattenstraße. Zentral ist ein Weg mit einer wassergebundenen Wegedecke, links daneben befindet sich eine Mulde und rechts neben dem Weg befindet sich der Park „Von-Sandt-Platz“. Die Ränder des Weges sind mit Sträuchern und Blumen bewachsen, vereinzelt stehen Bäume am Wegesrand. Auf der linken Seite sind im Hintergrund Gebäude zu erkennen, diese weisen eine Fach und Fassadenbegrünung auf.
Abbildung 6: Gemeinsam entwickelte Vorzugsvariante. Quelle: iResilience, HCU.

Im fünften Treffen wurden die Umfrageergebnisse besprochen und das weitere Vorgehen geplant. Der ausgewählte Entwurf wurde von zwei LAG-Mitgliedern, einem Anwohner und einem Verwaltungsmitarbeiter, und dem Projektteam der Politik vorgestellt. Parallel reichte das Projektteam mit dem Amt für Straßen- und Verkehrsentwicklung der Stadt Köln eine Skizze in einem Förderprogramm ein und bereitete den erforderlichen politischen Beschluss vor. Die treibende Kraft dahinter ist das Forschungsprojekt als intermediärer Akteur.

Wasser-Tanken im Dortmunder Hafenquartier

Die Idee Wasser-Tanken im Hafenquartier aufzustellen entwickelte sich während einer Quartiersveranstaltung zu Urbanem Grün. Zentral war die Frage, wie Regenwasser nachhaltig zur Bewässerung von öffentlichem Urbanem Grün genutzt werden kann. Ein Teilnehmer brachte den Vorschlag Wasser-Tanken für das Hafenquartier ein. Er hatte bereits in Münster sogenannte Wasser-Tanken – geschlossene Wassercontainer mit Überlaufschutz – aufgestellt. Dies sollte eine Verantwortungsübernahme der lokal Ansässigen für Grünstrukturen im direkten Wohn- und Lebensumfeld erleichtern und das soziale Miteinander und Gemeinschaftsgefühl fördern. Im Rahmen des Projekts iResilience fand er die Möglichkeit, seine Idee bekannt zu machen und wurde Themenpate für eine LAG. Er und das Forschungsteam luden im Nachgang der Veranstaltung alle Teilnehmenden und weitere Projekt-Interessierte ein. Zusätzlich erfolgte ein Aufruf über den projekteigenen Instagram-Account. Durch diese Ansprache konnten weitere Bürger:innen sowie Vertreter:innnen aus sozialen Einrichtungen, Vereinen, Gemeinschaftsgärten, Urban Gardening-Projekten sowie aus dem Quartiersmanagement und der Quartiersarchitekt als Akteure für die LAG gewonnen werden.

Das Forschungsteam war Gastgeber des ersten LAG-Treffens im März 2021. Der Themenpate war der Experte und erläuterte neben technischen Daten, der Funktionsweise und der Optik auch das Verfahren der Aufstellung. Die Wasser-Tanke wird an das Fallrohr eines Gebäudes oder ähnlich angeschlossen, um das Regenwasser der Dachfläche aufzufangen. Das Regenwasser kann dann zur Bewässerung von Pflanzen genutzt werden und wird so im natürlichen Wasserkreislauf gehalten. Vorteilhaft ist, dass Wasser im öffentlichen/ privaten Raum zur Verfügung steht und genutzt werden kann. Weitere positive Effekte sind, dass durch den Prozess – Ort finden, Wasser-Tanke aufstellen, Grün pflegen – eine Vernetzung in der Nachbarschaft stattfinden kann. Alle Teilnehmenden konnten ihre Fragen, zum Beispiel zu Bauweise, Überlaufschutz, Vandalismus, stellen und mit dem Themenpaten klären. Mögliche Standorte für Wasser-Tanken wurden gemeinsam identifiziert. Ein Vertreter des Quartiersmanagements konnte bereits in Aussicht stellen, dass die Wasser-Tanken gegebenenfalls durch den Quartiersfonds förderfähig sind. Das Forschungsteam fasste im Nachgang alle Informationen zusammen, koordinierte eine Route und Treffpunkte für eine gemeinsame Begehung der potenziellen Standorte und terminierte diesen. Die LAG-Mitglieder überlegten sich die Standorte sowie die Anzahl der benötigten Tanken und erarbeiteten die Grundlagen für den Förderantrag.

Im April 2021 wurden gemeinsam mögliche Standorte besucht. Dazu zählten zwei öffentliche Gemeinschaftsgärten sowie zwei halböffentliche Gärten sozialer Einrichtungen – überall würde eine Wasser-Tanke das Gießen deutlich erleichtern. Ein weiterer Wunsch-Standort befand sich vor einem Privathaus, wegen der geringen Gehwegbreite, konnte dieser nicht realisiert werden. Für die anderen Standorte wurde die Größe der jeweiligen Wasser-Tanken berechnet und Detailfragen geklärt, zum Beispiel zur Zugänglichkeit oder zur Platzierung des Regensammlers, also dem Anschlussstück von Fallrohr zum Container (siehe Abbildung 8). Bei der gemeinsamen Auswahl des Wasser-Tanken-Materials wurden individuelle Wünsche, wie Holzverkleidung oder Gestaltbarkeit mit einbezogen.

Nachdem die Wasser-Tanken-Standorte festgelegt wurden, stellte die LAG im Mai 2021 unter Federführung eines LAG-Mitglieds aus einem ansässigen Trägerverein einen Förderantrag beim Quartiersfonds Nordstadt des Amtes für Stadterneuerung der Stadt Dortmund. Nach Bewilligung durch die Bezirksvertretung konnte im Juli 2021 mit den Arbeiten an den Standorten begonnen werden. Die Planung und den Aufbau setzte der Themenpate mit den LAG-Mitgliedern und weiteren Engagierten um. Je nach Standort wurden die Regenspeicher mit Holz verkleidet, bemalt oder bepflanzt (siehe Abbildung 7). Zudem wurden seitens der LAG-Mitglieder Schilder entworfen, um über nachhaltige Regenwassernutzung zu informieren.

Abbildung 7: Links: Wasser-Tanke beim Gartenprojekt im Blücherpark.
Rechts: Anschlussdetail an Fallrohr. Quelle: iResilience, sfs und nordwaerts.

Nach Fertigstellung aller Wasser-Tanken folgte ein offizieller Pressetermin. Durch die Anwesenheit der Bezirksbürgermeisterin wurde das Engagement der Beteiligten politisch gewürdigt. Mittlerweile hat der Themenpate und einzelne Mitglieder der LAG Wasser-Tanke eine eigene Webseite.

Das Netzwerk Wasser-Tanke breitet sich über die Quartiergrenze Hafenquartier aus: Zahlreiche Interessierte aus unterschiedlichen Zusammenhängen engagieren sich mittlerweile für weitere Wasser-Tanken in Dortmund (siehe Abbildung 8).

Das Projekt iResilience wurde umfassend ausgewertet. Basis dafür waren einerseits Interviews mit den beteiligten Akteur:innen aus den LAGs, sowie teaminterne Reflexionstreffen zur eigenen Arbeit. Abschließend soll nun reflektiert werden, inwiefern das Konzept der LAG in der Projektpraxis anwendbar war. Im Fokus stehen dabei die Relevanz der (Klima-)Betroffenheit vor Ort, die Bedeutung einer Umsetzungsperspektive sowie das Vorhandensein einer vermittelnden Instanz innerhalb des LAG-Prozesses. Diese drei Thesen, welche zu Beginn des Artikels bereits angerissen wurden, werden nun tiefer beleuchtet, sowie die beiden LAGs Kasemattenstraße für morgen und Wasser-Tanke miteinander verglichen.

Diese Abbildung zeigt das Ablaufdiagramm der LAG Wassertanke mit drei Ebenen: Oben die Projektebene, in der Mitte die Akteure vor Ort und unten das Forschungsteam. Die dargestellten Treffen untergliedern sich in die Digitale Klimawoche (Ideensammlung), das erste Treffen der LAG (Vertiefung der LAG Idee), das zweite Treffen der LAG (mögliche Standortauswahl) und das letzte Treffen (Aufbau die Wassertanke).
Abbildung 8: LAG-Prozess Wasser-Tanke. Quelle: iResilience, HCU.

These 1 – Die eigene Betroffenheit durch Klimafolgen motiviert zur Teilnahme

Ein Merkmal des LAG-Konzepts ist die direkte Betroffenheit der Akteur:innen, die sich zusammenfinden, um an einer Idee kooperativ zu arbeiten. Die Funktion der Betroffenheit wurde zwar im Projektvorfeld nicht näher definiert, die Betroffenheit kann aber Bindeglied zwischen den einzelnen Personen und somit identitätsstiftend sein oder Motivationstreiber für die Beteiligung – oder bestenfalls beides.

Grundlage der Reallaborarbeit war die Reflexion der Klimafolgen für die Quartiere mit den lokalen Akteur:innen. So wurden in den ersten Projektmonaten kleinräumige Hitzekarten erstellt, die die straßenzug- und hinterhofspezifische Ist-Situation sowie die prognostizierten Hitze-Entwicklungen verdeutlichen. Zudem standen in beiden Städten entsprechende Starkregengefahrenkarten zur Verfügung. Die Karten wurden in den Plenen vorgestellt und wo es thematisch passte, bei der Entwicklung von Ideen zu LAGs vom Forschungsteam herangezogen. Den lokalen Akteur:innen wurde somit aufgezeigt, dass eine objektive Betroffenheit an bestimmten Orten gegeben ist. Dies sollte zur Mobilisierung und zur Gründung von LAGs dienen. Es können aber aus dem Projekt heraus keine Rückschlüsse gezogen werden, dass die durch Daten belegte, also objektive Betroffenheit bei den Bürger:innen einer Betroffenheit gleichkommt, die motivierend wirkt. Dies zeigt sich im Übrigen ebenso bei der Ansprache von Vermieter:innen und Wohnungsgenossenschaften. Anders scheint es bei den Verwaltungsmitarbeitenden zu sein: Eine entsprechende Datenbasis ist ein Argument, sich mit den Orten entsprechend zu befassen.

Es hat sich gezeigt, dass für verschiedene Akteursgruppen unterschiedliche Anspracheformen und unterschiedliche Möglichkeiten zur Motivation genutzt werden müssen. Die Datenlage war für die StEB Köln und die Fachämter der Stadt Köln an der Kasemattenstraße Motivation genug. Bei den Anwohnenden jedoch hat dies nicht gereicht: Hier lag keine Erfahrung einer überfluteten Straße vor, sodass erst der thematische Schwenk auf die Aufenthaltsqualität motivierend wirkte. Bei der LAG Wasser-Tanke stellt sich die Betroffenheitssituation anders dar. Ein Studierender präsentierte eine einfache Lösung zur Regenwasserbewirtschaftung und wird zum Themenpaten, mit der Idee passgenaue Wasser-Tanken für das Quartier und die lokalen Akteur:innen aufzustellen und in Betrieb zu nehmen. Der Themenpate handelt nicht aus einer individuellen, eigenen Betroffenheit heraus, sondern setzt sich für Urbanes Grün ein. Die LAG-Mitglieder waren motiviert sich an dem Prozess zu beteiligen, da sie einen persönlichen Nutzen im Quartier haben, unabhängig davon, ob ihnen die vorher fehlende Wasserverfügbarkeit bewusst war oder nicht.

Eine objektive Betroffenheit führt bei den Professionellen zu einer Handlungsbereitschaft, bei Ehrenamtlichen/Privaten braucht es die gefühlte Betroffenheit oder/und einen Nutzen.

Daten und Fakten laufen ins Leere, zumindest wenn diese nicht durch eigene Erfahrungen verifiziert werden können.

These 2 – Die Umsetzung ist nicht Teil der Ko-Planung, aber ohne Umsetzbarkeit keine LAG

Ko-Planung ist ein längerer Prozess – der Zeit und Energie von allen haupt- und ehrenamtlichen LAG-Mitgliedern fordert. Welche Rolle spielt in diesem Format die Umsetzungsperspektive auf die erarbeiteten Ergebnisse?

Das Forschungsteam wurde bereits zum Projektstart, bevor die LAGs überhaupt angegangen wurden, mit der Frage nach der Umsetzung konfrontiert. Insbesondere die Anwohnenden spiegelten dem Team, dass ein ehrenamtliches Engagement ihrerseits nur gewährleistet werden kann, wenn finanzielle Mittel für eine Realisierung der Ergebnisse vorhanden sind. Deutlich zu kommunizieren, dass keine frei zu investierenden Projektmittel eingeplant waren, war für viele enttäuschend, aber notwendig, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Das Forschungsteam berücksichtigte die Frage nach der Realisierbarkeit fortan explizit und je nach Fragestellung. Neben den nötigen finanziellen Ressourcen braucht es oftmals auch personelle Ressourcen oder/und politische Unterstützung zur Umsetzung. Dies stets im Blick zu haben war für das Forschungsteam eine Herausforderung.

Die LAG Kasemattenstrasse für morgen ist die umfangreichste und komplexeste Fragestellung mit einem ebenso komplexen Ergebnis – was aus Bürger:innen-Sicht eher realisierungsfern wirkt. Deswegen wurde die Diskussion einer potenziellen Ergebnisumsetzung transparent geführt: Gemeinsam wurde zum Beispiel nicht nur besprochen, dass das Ergebnis zusammen der Politik vorgestellt wird, sondern auch dass das Projektteam potenzielle Fördermitteltöpfe ausfindig macht und bei der Antragstellung unterstützt. So konnten im Prozess Fragen zur Umsetzbarkeit beantwortet werden, mit dem Erfolg, dass die lokalen Akteur:innen die ganze Zeit am Ball geblieben sind.

Die LAG Wasser-Tanke war hingegen die einzige, die bereits mit Auftritt des Themenpaten finanzielle Ressourcen zur Umsetzung hatte – aus diesem Grund stand die Mobilisierung der lokalen Akteur:innen für die LAG vor ganz anderen Voraussetzungen, denn die Ergebnisoffenheit des Prozesses war eingeschränkt. Der LAG-Prozess lief daher vergleichsweise (zu anderen LAGen) sehr komprimiert und die Umsetzung konnte erfolgen.

Auch andere Beispiele aus dem Projekt zeigen, wie wichtig Umsetzungsperspektiven sind, damit lokalen Akteur:innen sich beteiligen.

Neue Formate, die einiges von den Akteur:innen verlangen und langfristig die sozio-kulturelle Praxis verändern sollen, brauchen kurzfristige Erfolge, das heißt Umsetzung.

Ein Gefühl des für die Schublade Arbeitens demotiviert, verhindert die Teilnahme und eine LAG kommt nicht zustande.

These 3 – Ohne Vermittler:in keine Ko-Planung

Eine weitere These ist, dass es ohne eine Vermittler:in zwischen den Akteur:innen keinen kooperativen Arbeitsprozess gibt. Das erscheint als naheliegender Befund. Vergegenwärtigt man sich jedoch, wie Klimaanpassung auf der Quartiersebene aktuell verhandelt wird, so wird klar, dass die ansässigen Akteur:innen aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik nur selten im direkten Austausch miteinander stehen. Somit braucht es eine Vermittler:in, welche die relevanten Akteur:innen, deren Wissen, Ideen und Handlungsspielräume aktiviert und in einem strukturierten Arbeitsprozess zusammenbringt. Trotz ihrer Unterschiede kann sowohl für die Kasemattenstraße für Morgen als auch für die Wasser-Tanken die Bedeutung einer vermittelnden Instanz als aktive Prozessermöglicher:in, Prozessbegleiter:in sowie teilweise als Prozesstreiber:in festgestellt werden. Die LAG fungierte hierbei als vermittelnder Rahmen. In ihm kommen die Akteur:innen auf neutralem Grund zusammen. Keiner von ihnen hat die Rolle der Gastgeber:in beziehungsweise des Prozessverantwortlichen inne. Diese Rolle wurde durch das Forschungsteam übernommen. Wie oben beschrieben reichten die Aufgaben dabei von der Koordination und Vorbereitung der Arbeitstreffen, über die Bereitstellung wichtiger Grundlageninformationen und der fachlichen Qualifizierung der Ideen bis hin zu der Moderation und Dokumentation der einzelnen Treffen.

Mehrwert für Quartiere

Durch die LAGs könnte ein vielschichtiger Mehrwert für die Quartiere generiert werden. Dieser entsteht im Wesentlichen durch das Zusammenspiel des angebotenen organisatorischen Rahmens, der Vernetzung der Akteur:innen, der Möglichkeit einer vertrauensvollen Kooperation, der inhaltlichen Qualifizierung der Ideen und der lokalen Verankerung der Prozesse. Mit Blick auf die Thesen wird aber klar, dass dies nicht voraussetzungslos ist. Die objektive Betroffenheit durch Starkregen und Hitze reicht, gerade mit Blick auf die Motivation der Bevölkerung, nicht aus. Ohne die konkrete Erfahrung, zum Beispiel Wasser im Keller, oder die Verknüpfung mit anderen Zielsetzungen wie beispielsweise die Aufwertung der Quartiersfreiräume, bleibt das Wissen um die persönliche Betroffenheit abstrakt und veranlasst nicht zum kooperativen Handeln.

Auch eine nur vage beziehungsweise fehlende Umsetzungsperspektive der entwickelten Maßnahmen wirkt sich negativ auf die Bereitschaft der Akteur:innen aus, gemeinsam an Lösungen für ihr Quartier mitzuwirken. Hier haben sich einfache Lösungen als schneller umsetzbar erwiesen. Wie jedoch die LAG Kasemattenstraße für Morgen zeigt, kann, mit einer entsprechenden Akteurskonstellation und Prozessbegleitung, auch in und mit Planungsprozessen kooperativ und zielführend agiert werden. In der Gegenüberstellung wird deutlich, dass die Aussicht auf finanzielle Unterstützung – in Dortmund durch einen fest zur Verfügung stehenden Fördertopf – Eigeninteressen bündelt und ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lässt, das motivierend wirkt und zur Nachahmung einlädt. Durch die vermittelnde Rolle des transdisziplinären Forschungsteams wurden die lokalen Akteur:innen im Quartier auf kurzem Wege miteinander vernetzt und arbeitsfähig gemacht.

Dadurch überbrückt das Format LAG eine heute noch bestehende personelle, organisatorische und kommunikative Lücke in aktuellen Planungsprozessen.

Gerade mit Blick auf die lokale Verankerung der LAGs bieten die im Forschungsprojekt gemachten Erfahrungen Anknüpfungspunkte zum Beispiel für bestehende Instrumente der Städtebauförderung (Quartiersmanagement). Darüber hinaus ergeben sich, durch die neuen lokalen Netzwerke zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung, Möglichkeiten für neue Kooperationen zum Beispiel beim Unterhalt, Betrieb und der Pflege der entwickelten Maßnahmen.

About the author(s)

Anne Roth, Deutsches Institut für Urbanistik.

Christine Linnartz, Stadt Köln und StEB Köln.

Stephanie Bund, TU Dortmund.

Ann-Cathrin Welling, Stadt Dortmund.

Luc Knödler, Fachgebiet Architektur und Landschaft der HafenCity Universität Hamburg.

References

BMI (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) (2021): Memorandum „Urbane Resilienz“ – Wege zur robusten, adaptiven und zukunftsfähigen Stadt. Berlin.

MWK (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Baden-Württemberg) (2013): Wissenschaft für Nachhaltigkeit. Stuttgart. https://www.badenwuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Brosch%C3%BCre_Wissenschaft_f%C3%BCr_Nachhaltigkeit.pdf, Zugriff am 20.12.21.

Schäpke, Niko; Stelzer, Franziska; Bergmann, Matthias; Singer-Brodowski, Mandy; Wanner, Matthias; Caniglia, Guido und Daniel J. Lang (2017): Reallabore im Kontext transformativer Forschung. Ansatzpunkt zur Konzeption und Einbettung in den internationalen Forschungsstand. Leuphana Universität Lüneburg, Institut für Ethik und Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung. Lüneburg.

UBA (Umweltbundesamt) (2014): Deutschland im Klimawandel: Anpassungskapazität und Wege in eine klimarobuste Gesellschaft 2050, Ufoplan Endbericht, Forschungskennzahl FKZ 3711 41 102.

Ukowitz, Martina (2017): Transdisziplinäre Forschung in Reallaboren. Ein Plädoyer für Einheit in der Vielfalt. In: GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society 26 (1), 9– 12.

Weiterführende Informationen:
http://iresilience-klima.de/
https://www.instagram.com/iresilience_klima/