pnd – rethinking planning - Editorial

Published 22.04.2024

Editorial

Diverse Akteure gestalten Stadt – räumlich und sozial, mit und ohne Aufforderung oder Einladung, durch ihr Zusammenwirken, ihre Handlungsmöglichkeiten, Bedarfe und Interessen. Unter welchen Umständen dies geschieht, ist regelmäßig Gegenstand von Debatten. Damit einher gehen auch neue Rollenverständnisse und Verantwortlichkeiten, die sich in längerfristige Veränderungen einordnen lassen: eine Verschiebung der Gestaltungsmacht des Staates hin zu privaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie eine zunehmende Fragmentierung der Gesellschaft, die sich auch sozialräumlich manifestiert. Allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, ist zentrales politisches Anliegen. Dies umfasst den Zugang zu immateriellen sowie materiellen Strukturen, Ressourcen und Angeboten. Im dichten, städtischen Kontext fallen darunter insbesondere die Erreichbarkeit und Aneignung von öffentlichen Räumen sowie deren Ausgestaltung durch individuelle Mitwirkung.

In einer gerechten Stadt (vgl. Neue Leipzig-Charta) wäre eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe die gerechte Verteilung und gleichberechtigte Gestaltung von Chancen unter Bewohner:innen und Nutzer:innen. Dies bleibt eine zentrale Herausforderung: teilzuhaben, also sich auch gelegentlich einzubringen, setzt neben Interesse vor allem Ressourcen voraus, die individuell ungleich verteilt sind. Können und müssen also nicht alle beteiligt werden? Wo verlaufen bei der Auswahl die Grenzen der Beteiligung? Unter welchen Umständen wird beteiligt? Ob Beteiligung (formal) überhaupt geschieht bleibt im internationalen Kontext voraussichtlich eine Grauzone, denn der SDG-Indikator 11.3.2 soll mangels erhobener Kennzahlen aus der globalen Datenbank gestrichen werden. Er lautet: “Proportion of cities with a direct participation structure of civil society in urban planning and management that operate regularly and democratically”. Weniger als 30 Prozent der Länder halten diese Daten nach. Auch dies zeigt: Die Verantwortung für eine kokreative Stadt kann weder an die Zivilgesellschaft abgegeben werden, noch allein bei den Kommunen und ihren Verwaltungen liegen. 

Diese Ausgabe von pNd – rethinking planning beschäftigt sich deshalb mit den Möglichkeiten und Grenzen der Teilhabe und Beteiligung in der Stadt und deren Entwicklungsprozessen, im Sinne von Zugang haben, teilnehmen und mitwirken. Die Artikel der Ausgabe widmen sich dabei unterschiedlichen Schwerpunkten. Einige Beiträge beschäftigen sich mit Möglichkeiten, die sich ergeben, geschaffen, genutzt oder verwehrt werden sowie den Konstellationen von Macht, die sich in Beteiligungsprozessen abbilden. Andere Autor:innen schauen auf die Vielfalt der Teilhabenden – einschließlich Menschen aus verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontexten, sowie der Einbeziehung der Natur und anderer nichtmenschlicher Akteure. Im weiteren Teil des Heftes stehen Konflikte und Komplexität im Vordergrund, die in Beteiligungs- und Planungsprozessen allgegenwärtig sind, wenn unterschiedliche Interessen, Werte oder Perspektiven aufeinandertreffen, die nicht miteinander vereinbar sind. 

Die Bestandsaufnahme und Beleuchtung von Herausforderungen und Hürden kann einen Beitrag leisten, um die Wahrnehmung für Grenzen von Beteiligung und (Un)Möglichkeiten der Teilhabe zu schärfen und den Blick auf offene und gestaltbare Prozesse zu lenken. Inwieweit vollzieht sich also ein zukunftsfähiger Paradigmenwechsel durch Koproduktion et cetera? Oder setzten sich in Beteiligungsprozessen bekannte Spannungsfelder und Dilemmata einfach fort? Es geht um nicht weniger als die zukünftigen (Un)Möglichkeiten von Teilhabe, die Akzeptanz schaffen und Legitimation ermöglichen in einer Stadt für alle. 

Viel Freude beim Lesen wünschen:

die Herausgeber:innen dieser Ausgabe:
Nina Berding, Katharina Frieling, Moritz Maikämper

und die pnd-Redation:
Laura Brings, Agnes Förster, Katharina Frieling, Moritz Maikämper
Mitarbeit: Diana Polanski, Patrik Weiner

About the author(s)

Nina Berding, Dr.phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung an der RWTH Aachen University. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen auf der Erforschung von Alltag im städtischen Zusammenleben und ethnografischen Methoden der Raumanalyse.

Nina Berding, Dr., research associate at the Department of Planning Theory and Urban Development at RWTH Aachen University. Her work focuses on research of everyday life in urban coexistence and ethnographic methods of spatial analysis.

Katharina Frieling ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain und Doktorandin am Fachgebiet Stadtplanung der BTU Cottbus-Senftenberg. Sie forscht zu sozialräumlicher Transformation, lebenswerten Orten und Placemaking in der Stadtentwicklung.

Katharina Frieling, research associate at the Faculty of Applied Social Sciences, RheinMain University of Applied Sciences, doctoral candidate at the Chair of Urban Planning, Brandenburg University of Technology. Her research deals with socio-spatial transformation, liveable places and placemaking in urban development.

Moritz Maikämper, Dr.-Ing., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft. Mit Teilhabe und Beteiligung an der Stadtentwicklung befasst er sich im Netzwerk Bürgerbeteiligung, der Allianz vielfältige Demokratie und bei StadtAgenten Cottbus e. V.

Moritz Maikämper, Dr.-Ing., research associate at the ARL - Academy for Spatial Development in the Leibniz Association. He is involved with (social) participation in urban development in the Netzwerk Bürgerbeteiligung, the Allianz vielfältige Demokratie and StadtAgenten Cottbus e. V.