Published 15.02.2021

Stadterweiterung in Frankfurt am Main Nordwest

Im Spannungsfeld zwischen Regionalpolitik, Zwischenstadt und Innovationsdruck

Urban Expansion in Frankfurt Northwest

Field of Tension Between Regional Policy, Zwischenstadt and Innovation Pressure

Keywords: Stadterweiterung; Zwischenstadt; städtebauliche Entwicklungsmaßnahme; Beteiligung; Urban expansion; urban development measure; participation

Abstract:

Frankfurt am Main wächst und versucht, dem steigenden Wohnungsbedarf bis 2030 ­mittels des städtebaulichen Großvorhabens Frankfurt Nordwest – Stadtteil der Quartiere zu begegnen. Der Artikel beschreibt aus Sicht der Praktiker:innen, wie sich die Frankfurter Planung in einem Spannungsfeld zwischen ergebnisoffenen regionalpolitischen Dis­kursen, den eng gefassten technischen Herausforderungen des Umgangs mit der Zwischenstadt sowie dem an hohe formale Hürden geknüpften Anwendungsvoraussetzungen einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme bewegt. Die Stadt versucht, dieser Situation mithilfe eines zielgerichteten aber ergebnisoffenen, diskursiven Planungs­prozess zu begegnen und damit eine zukunftsfähige Vorstellung der Stadt von morgen zu verwirklichen.

The city of Frankfurt is constantly growing. Local planning authorities try to meet the high prospective demand for housing by developing the big housing area Frankfurt Northwest – an urban district of neighborhoods. The following article describes planning pratices in the conflicting fields of contested regional politics and narrow technical restrictions in the Frankfurt Zwischenstadt on the one hand and the exclusive formalized requirements for the application of the German legal instrument of urban development measures on the other hand. The city of Frankfurt tries to master this situation in applying a purposeful planning process without a fixed expected outcome while developing a sustainable vision of the city of tomorrow.

Frankfurt wächst. Bis zum Jahr 2030 ist die Prognose der Stadt, dass Frankfurt (Main) auf 810.000 Einwohner anwachsen wird (vgl. Stadt Frankfurt am Main 2015: 62). Schon jetzt ist der Wohnraum in der Stadt knapp und verteuert sich seit vielen Jahren, während die Leerstandsquote dauerhaft mit aktuell circa 3 % niedrig ist. Der Pro-Kopf-Wohnraum, der den Frankfurter Haushalten zur Verfügung steht, sinkt seit einigen Jahren und liegt derzeit mit 36 m² deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Bis zum Jahr 2040 besteht in Frankfurt ein Wohnungsbedarf von über 90.000 Wohneinheiten (vgl. IWU 2016: 14).

In einer Stadt mit derartigen Wachstumsbedingungen zeigen sich die planerischen Herausforderungen nicht nur im Bereich des Wohnungsmarkts. Vielmehr findet eine Über­lagerung von steigendem Straßenverkehrsaufkommen, ausgelastetem ÖPNV, stadtklimatischer Erwärmung und einem Mangel an Grün- und Freiflächen statt. Gewerbebetriebe konkurrieren um Flächen mit Gemeinbedarfseinrichtungen wie Schulen und Wohnungsbau. Die steigenden Ansprüche in diesen Bereichen stehen einem verknappten Flächenangebot gegenüber, da Frankfurt seine Konversions- und Innenentwicklungspotenziale seit den 1990er Jahren konsequent genutzt hat. Mit diesen Fragen ist die Stadt Frankfurt am Main deutschlandweit nicht einzigartig. Besonders sind in Frankfurt allerdings die politischen und raumstrukturellen Rahmenbedingungen für eine planerische Steuerung dieser Prozesse, was im Folgenden anhand des aktuell größten geplanten Siedlungsbauprojekts Hessens, des Stadtteils der Quartiere im Frankfurter Nordwesten verdeutlicht werden soll.

Die Frankfurter Planungsaufgabe

Um die städtischen Herausforderungen integriert zu betrachten und eine Planungs­perspektive zu entwickeln, wurde von 2015 bis 2018 in Frankfurt eine gesamtstädtische räumliche Perspektivplanung, das Integrierte Stadtentwicklungskonzept 2030 (ISTEK 2030) erarbeitet. Der Prozess fand unter Einbeziehung aller Fachressorts und viel­fältiger ­Akteure aus der Stadtöffentlichkeit statt. An dessen Ende stand die Definition von so genannten Strategieräumen, in denen Lösungen für die vielfältigen Heraus­forderungen der Stadt zu entwickeln sind. Einer dieser Räume, der Frankfurter Nordwesten, sollte mit der Zielsetzung weiterentwickelt werden, dort neuen Wohnraum für bis zu 30.000 Personen zu entwickeln. Aus diesem Grund wurde Ende 2017 von der Stadtverordnetenversammlung unter der Leitung der Römer-Koalition von CDU, SPD und Grünen der Beschluss gefasst, in diesem Gebiet vorbereitende Untersuchungen zu einer städtebaulichen Entwicklungs­maßnahme zu beginnen. Dieser Prozess ist derzeit im Gange und soll bis Ende 2021 abgeschlossen werden.

Abbildung 1: Lage des Untersuchungsgebiets im Integrierten Stadtentwicklungskonzept Frankfurt 2030.
Quelle: Ernst Basler und Partner 2019, im Auftrag von Stadtplanungsamt Frankfurt am Main.

Zwischenstadt und multicodierte Landschaft

Eine Besonderheit der Planung in Frankfurt ist die polyzentrale und sehr stark ver­netzte Lage in der Region Rhein-Main. Als europäischer Knotenpunkt dient die Region nicht nur als auf sich selbst bezogene Metropolregion, sondern ist zudem geprägt durch inter­nationale Verkehrsknoten. Die Konsequenz dieser Konfiguration ist die funktionale Multi­codierung der Räume außerhalb der bebauten Stadt. Die verbleibenden Freiflächen sind geprägt von Siedlungsrändern, Autobahnen, Schieneninfrastruktur ebenso wie von Stromleitungsbauten, Umspannwerken und sonstigen technischen Folgeeinrichtungen. Darüber hinaus haben diese Freiräume aber auch eine wichtige Erholungsfunktion für die Bevölkerung der Region und weisen eine landwirtschaftliche Nutzung auf, die ursprünglich kleinbäuerlich geprägt war und mit regionalen Produkten wie Streuobstwiesen zur Apfelweinproduktion wichtige Identifikationselemente im Landschaftsbild einbringt. Dies führt dazu, dass bauliche Entwicklungen sich in einem hart umkämpften Feld der öffent­lichen Diskussion bewegen. An den Diskursen zum Neuen Stadtteil der Quartiere wird dies verdeutlicht.

Abbildung 2: Luftbild Untersuchungsraum. Quelle: Stadtplanungsamt Frankfurt am Main,
Luftbild: Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main 2016.

Infrastrukturtrassen als Entwurfsaufgabe

Das Untersuchungsgebiet unterliegt schwerwiegenden Restriktionen durch die quer verlaufende Autobahn A5 sowie drei Stromtrassen für Höchst- und Hochspannung. Aus Immissionsschutzgründen sind von diesen Infrastrukturen Abstände einzuhalten, die die Nutzbarkeit des Gebiets für den Wohnungsbau stark beeinträchtigen. Auch das Orts- und Landschaftsbild – nicht zuletzt das Image des Gebiets – wird durch die Masten und Kabel sowie durch die A5 beeinflusst. Seit kurzem findet diese Prägung auch ihren formellen Ausdruck in dem Ziel des Landesentwicklungsplans Hessen (LEP), einen Abstand von 400 m zu einer Höchstspannungsleitung einzuhalten. Von diesem auf allen untergeordneten Planungsebenen einzuhaltenden Ziel sind alle neuen Baugebiete betroffen, die dem Wohnen dienen (Ziel 5.3.4–7 in LEP Hessen , 3. Änderung 2000). Es war eine zentrale Auf­gabe für die Studien, einen Umgang mit dieser Infrastruktur zu finden und gegebenenfalls Vorschläge für deren Umgestaltung zu machen. Wie kann ein dicht verknüpfter, qualitäts­voller Stadtteil entstehen, der von Infrastrukturtrassen durchdrungen ist?

Abbildung 3: Restriktionen im Untersuchungsgebiete. Quelle: Stadtplanungsamt Frankfurt. am Main,
Kartengrundlage: Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main.

Den Stadtteil aus der Landschaft entwickeln

Weiterhin sind Anforderungen aus der Landschaftsplanung und dem Naturschutz im Untersuchungsraum zentral. Das Gebiet liegt teilweise im Landschaftsschutzgebiet und hat als Kaltluftentstehungsgebiet wie auch als Kaltluftleitbahn wichtige Klimafunktionen für die bestehenden Stadtteile. Ein Teil der Fläche dient zudem als Trinkwasserschutz­gebiet und in den quer durch das Gebiet verlaufenden Bachtälern und freien Ackerflächen liegt eine große Artenvielfalt vor. Angesichts der starken anthropogenen Prägung des ge­samten­ Rhein Main Gebiets sind diese Aspekte von besonderer Bedeutung und spielen in der öffentlichen Diskussion eine große Rolle. Als Folge entstand im Projekt ein Konzept, welches die Aufgabe formuliert, den neuen Stadtteil aus der Landschaft heraus zu ent­wickeln und dabei deren besondere Bestandteile durch die Entwicklung aufzugreifen und aufzuwerten.

Abbildung 4: Konzeptionelle Rahmenbedingen für die Studien zu Stadt und Landschaft.
Quelle: ­Projektbüro Stadtlandschaft, Kassel, im Auftrag von Stadtplanungsamt Frankfurt am Main 2019.

Komplexität des Planungsauftrags

Das Ergebnis ist, dass es im Untersuchungsgebiet keine ungebundenen Flächen im Sinne der räumlichen Planung gibt. Für die Studien zu Stadt und Landschaft und die weiteren vorbereitenden Untersuchungen bedeutet dies, vielfältige, komplexe Restriktionen aufzulösen und tragfähige Abwägungen zu treffen, um dieses Gebiet zu entwickeln. Es sind Planungsebenen von kommunalen über landesplanerischen bis hin zu Bundesfach­planungen betroffen und eine Vielzahl von Akteuren muss an einem Strang ziehen, um diese Komplexität aufzulösen. Die planerischen Gestaltungsmöglichkeiten durch die Stadt Frankfurt sind eingeschränkt, da der kommunalen Steuerung weitgehend ent­zogene Infra­strukturplanungen und regionalplanerische Regulierungen die Gestaltungsfragen bestimmen. Eine Entwicklung des Gebiets kann folglich nur mit diesen Akteuren und nicht gegen sie erfolgen.

Der Planungsprozess

Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen wurden zunächst Gutachten zu rel­evanten Planungsthemen im Gebiet – wie Klima, Artenschutz, Immissionsschutz und Entwässerung – erstellt. Parallel wurde ein Beratungsgremium, das Consilium, eingesetzt, um die politischen Entscheidungsträger fachlich zu unterstützen. Ein intensiver Bürger­dialog begleitet den gesamten Prozess. Im Rahmen einer Informationsveranstaltung wurden im November 2019 die Ergebnisse der Gutachten vorgestellt und zusammen mit den An­wesenden diskutiert. So konnten die Rahmenbedingungen für eine daran an­schließende Ausschreibung entwickelt werden, die ebenfalls im November 2019 europaweit veröffentlicht wurde. Die so genannten Studien zu Stadt und Landschaft wurden in Form einer Mehrfachbeauftragung an sieben deutsche und internationale Planungsteams aus Stadt- und Landschaftsplanern vergeben. Zur weiteren Definition der Auslobungsbedingungen wurden im Rahmen des Bürgerdialogs I im Februar 2020 städtebauliche Qualitäten definiert, die durch die Studien erfüllt werden sollten. Durch die Form der Mehrfachbeauftragung, die an das Modell des Wettbewerblichen Dialogs angelehnt konzipiert wurde, wurden parallel zur Bearbeitung der Aufgabe durch die Teams in einem Bürgerdialog II und einer Jury-Rücksprache die ersten Ideen diskutiert und zur Überarbeitung kommentiert. Den Abschluss bildete der Bürgerdialog III und eine abschließende Jurysitzung im November 2020. Die dort zur Umsetzung empfohlene Studie bildet nun die Basis für die Er­arbeitung des Endberichts über die vorbereitenden Untersuchungen und kann auf der Projekt­webseite des Stadtplanungsamts Frankfurt eingesehen werden.

Abbildung 5: Prozessgrafik Vorbereitende Untersuchungen und Studien zu Stadt und Landschaft.
Quelle: Eigene Darstellung, Stadtplanungsamt Frankfurt am Main.

Aufgrund der Covid-19 Pandemie musste der Bürgerdialog II und die Jury-Rücksprache jedoch grundsätzlich verändert werden. So wurde innerhalb von kürzester Zeit der Bürgerdialog über eine städtische Beteiligungsplattform in zwei Schritten aufgesetzt. Ergänzend gab es in Zusammenarbeit mit der Lokalpresse den Stream einer Podiumsdiskussion mit Live-Chat sowie einer Ausstellung in den Räumen des Planungsdezernats. Die Jury-Rücksprache wurde gesplittet in eine erste, auf einer Videokonferenz basierende, und eine zweite, live durchgeführte Rücksprache. Aufgrund der veränderten Pandemie-Lage und der gewonnenen Erkenntnisse, wie dem Infektionsschutz auch bei einer Live Veranstaltung Rechnung getragen werden kann, war geplant, den Bürgerdialog III sowie die Abschluss-Jury unter Auflagen in physischer Präsenz stattfinden zu lassen. Die pandemische Entwicklung im Herbst 2020 zwang das Team des Stadtplanungsamts erneut, grund­sätzlich umzusteuern, sodass der letzte Bürgerdialog in eine digitale Live-­Konferenz mit Workshop-Elementen umgewandelt werden musste und die Jurysitzung als digitaler-­analoger Hybrid stattfand. Trotz dieser Unwägbarkeiten konnte im Abschluss des Studienverfahrens einer der sieben Entwürfe zur Umsetzung empfohlen werden. Auf dieser Basis werden nun die vorbereitenden Untersuchungen vom Stadtplanungsamt Frankfurt fortgeführt.

Abbildung 6: Virtuelle Dialoge während der Covid-19 Pandemie.
Quelle: polidia GmbH, im Auftrag von Amt für Informations- und Kommunikationstechnik Frankfurt am Main.

Frankfurter Stadtpolitik und Regionalpolitik

Die besondere räumliche Situation des Rhein-Main-Gebiets findet ihre institutionelle Form in einem besonderen Planungsinstrument: dem regionalen Flächennutzungsplan. Die ­darauf aufbauende besondere Verfasstheit der regionalen Entwicklungsplanung hat stadtpolitische Konsequenzen für das Projekt, die im folgenden Abschnitt in ihrem Spannungsverhältnis erläutert ­werden.

Dynamik städtischer Willensbildungsprozesse

Schon in dem Beschluss der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zu den vor­bereitenden Untersuchungen zeigt sich eine weitere Besonderheit des Projekts: Der Beschluss wurde mit dem Zusatz versehen, dass „die Untersuchungen ergebnisoffen“ zu erfolgen hätten. Dahinter steht die Tatsache, dass in der Frankfurter Stadtpolitik die ­Frage, ob eine städtebauliche Entwicklung in diesem Strategieraum erfolgen soll, nicht ab­schließend geklärt ist. Die vorbereitenden Untersuchungen, eigentlich ein eher tech­nisches Instrument aus dem Baugesetzbuch, in welchem die Anwendungsvoraus­setzungen für eine Entwicklungsmaßnahme nach § 165 BauGB abgeprüft werden sollen, sind im Projekt Frankfurt Nordwest folglich auch Teil eines andauernden und dynamischen demokratischen Willensbildungsprozesses. Dieser findet zum einen innerhalb der Stadtöffentlichkeit Frankfurts statt, zum anderen auch auf der regionalpolitischen Ebene.

Regionale Planung und regionale Politik

Für die Region erstellt der Regionalverband FrankfurtRheinMain für insgesamt 75 ­Kommunen im Rhein-Main-Gebiet den Regionalen Flächennutzungsplanung (RegFNP). Der ­RegFNP ist nicht nur der vorbereitende Bauleitplan, sondern gleichzeitig auch der Regionalplan für das Verbandsgebiet und bildet mit ihm ein Planwerk. Der Regionalplan wird vom Regierungspräsidium Darmstadt aufgestellt. Über die Inhalte des RegFNP entscheiden zwei parlamentarische Gremien: die Regionalversammlung für den regional­planerischen Teil und die Verbandskammer des Regionalverbandes für die Flächen­nutzungsplanung. Die Stadt Frankfurt kann folglich nicht ohne die Zustimmung der Region auf bisherigen Außenbereichsflächen Baulandentwicklung betreiben.

Im aktuell gültigen RegFNP ist das Untersuchungsgebiet beispielsweise als Vorrang­gebiet Landwirtschaft oder als Teil des Landschaftsschutzgebiets mit regionalplanerischen Flächen­bindungen versehen. Um das Gebiet als Wohnbaufläche zu entwickeln, bedarf es einer Änderung der übergeordneten Planung. Somit ist das Projekt nur mit der Region zu entwickeln und nicht gegen sie. Insbesondere in den unmittelbaren Nachbarstädten zum Untersuchungsraum der vorbereitenden Untersuchungen bestehen Vorbehalte gegen ein Heranwachsen Frankfurts an ihre Gemeindegrenzen. Andererseits weist die gesamte Region einen großen Wohnraumbedarf aus, sodass die bisher verfolgte Strategie, Wohnraum in der Region zu entwickeln und damit die Kernstadt zu entlasten nicht mehr trägt. Künftig wird also in allen Teilen des RegFNP die Frage zu beantworten sein, wie und wo künftig Wohnungsbau erfolgen soll. Das als Grundlage für den neuen RegFNP vom Regierungspräsidium erarbeitete Räumliche Entwicklungskonzept von 2019 (REK) sieht vor, dass verkehrlich gut erschlossene Standorte priorisiert werden sollen und auch mit Mindestdichten als regionalplanerischem Ziel belegt werden (vgl. Regierungspräsidium Darmstadt 2019: 60–61). Somit steht in den nächsten Jahren eine grundlegende regionale Diskussion um den neuen RegFNP und dessen Vorschläge zur Deckung des regionalen Wohnraumbedarfs an, in dessen Licht auch der neue Frankfurter Stadtteil zu sehen ist. Ob sich in der Region Mehrheiten für dieses Projekt finden lassen, ist bislang allerdings ungewiss.

Frankfurter Strategie – planerisches Vorgehen bei Ungewissheit

Die Folge dieser Planungskultur, die der Region ein hohes Gewicht gibt, ist ein intensiver politischer Abstimmungsprozess mit allen Unwägbarkeiten für die Planungspraxis. Diese Ungewissheit steht in einem starken Spannungsverhältnis zu den Anwendungs­voraussetzungen einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, die ein abschließendes Urteil über die Zügigkeit und Einheitlichkeit der Umsetzung voraussetzt. Mit diesem Gegensatz umzugehen, ist eine weitere Herausforderung für die Stadtplanung. Wie kann eine Entscheidung über die vorbereitenden Untersuchungen vor dem Hintergrund dieser planungspolitischen Unwägbarkeiten gefällt werden?

Die Frankfurter Strategie hat im Verfahren der vorbereitenden Untersuchungen hierauf zu reagieren versucht, indem sie die Ergebnisoffenheit der Untersuchungen zum Prinzip erklärt. Der Zeitraum der Untersuchungen wird folglich genutzt, um über die Studien zu Stadt und Landschaft in maximaler Transparenz und einer neuen Qualität der öffent­lichen Kommunikation mit Bürger:innen und Expert:innen gleichermaßen sowie den politi­schen Entscheidungsträger:innen Varianten der Entwicklung zu diskutieren. Der erste Teil dieses Diskurses, die Studien zu Stadt und Landschaft, hat im November 2020 seinen Abschluss gefunden. Die Ergebnisse zeigen, dass ein neuer Stadtteil heutzutage unter einem er­heblichen Innovationsdruck steht, um Legitimität zu erlangen. Neben den technischen und freiraumplanerischen Anforderungen traten im offenen Dialog viel­fältige Zukunftsfragen auf, wie die zu lokaler Kreislaufwirtschaft und landwirtschaftlicher Produktion, klimagerechter Stadtplanung und zukunftsfähiger Mobilität. Die Covid-19 Pandemie hat zudem das Thema des vernetzten Arbeitens im Quartier auf eine ganz andere Ebene geführt, sodass der neue Stadtteil innovative Konzepte zu einem wahrlich gemischten Stadtteil, des Wohnens und Arbeitens vereint, enthalten wird. Das offene, diskursive Entwurfsverfahren trug diesen Anforderung Rechnung und hat sich als taugliches Instrument für die Findung einer städtebaulichen Grundform an dieser Stelle erwiesen.

Die Schwierigkeit des Jahres 2021 wird in Frankfurt nun sein – bei bestehenbleibender Ungewissheit und sich dynamisch verändernden schwierigen Rahmenbe­dingungen – aus ­diesem ergebnisoffenen Prozess mit seinen Innovationsmomenten in einen ziel­gerichteten und rechtlich formalisierten Entscheidungsprozess zu kommen, mit der Frage­stellung, ob der neue Stadtteil der Quartiere in eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme überführt werden soll. Von den vielen gelungenen und innovativen Ideen des Planungs­prozesses sollen möglichst viele in die Realisierungsphase übernommen werden, was vor dem Hintergrund eines engen rechtlichen Rahmens gegebenenfalls auch eine innovative Anwendung der Rechtsinstrumente des BauGBs im Frankfurter Projektgebiet zur Folge haben wird.

About the author(s)

Birte Biemann, Stadtplanerin und Bauassessorin, arbeitet für das Stadtplanungsamt Frankfurt (Main) in der Abteilung Gesamtstadt im Team Sonderprojekte und forscht an der Universität Kassel im Forschungsverbund Neue Suburbanität.

Birte Biemann, urban planner, works for the municipal department for urban planning Frankfurt (Main) in the team for special projetcs and is a researcher at Kassel University in the research project new suburbanity.

Antonius Schulze Mönking, Dipl. Ing. Architektur und Städtebau und Bauoberrat, ist im Stadtplanungsamt Frankfurt (Main) in der Abteilung Gesamtstadt, Team Sonderprojekte tätig, arbeitet im Projekt Stadtteil der Quartiere im Frankfurter Nordwesten.

Antonius Schulze Mönking, architect and urban planning engineer, works for the muni­cipal department for urban planning Frankfurt (Main) in the team for special projects and is senior project manager for new housing development in Frankfurt Northwest.

References

Stadt Frankfurt am Main (Stadt Frankfurt am Main, Bürgeramt, Statistik und Wahlen) (Hg.) (2015): Frankfurter Statistische Berichte 2015. Frankfurt am Main.

Stadt Frankfurt am Main (Stadt Frankfurt am Main, Stadtplanungsamt) (Hg.) (2019): Frankfurt 2030.Wachstum nachhaltig gestalten – urbane Qualitäten stärken Integriertes Stadtentwicklungskonzept. Frankfurt am Main.

IWU (Institut Wohnen und Umwelt) (Hg.) (2016): Wohnungsbedarfsprognose Frankfurt am Main. Darmstadt.

Regierungspräsidium Darmstadt (Hg.) (2019): Gutachten REK. Räumliches Entwicklungskonzept Südhessen. Darmstadt.