Published 2.05.2024

Lokale Klimapolitik und stadtgesellschaftliche Teilhabe

Der Prozess Bonn4Future

Local Climate Policy and Civic Participation

The Bonn4Future Participation Process

Keywords: Koproduktion; Bürgerbeteiligung; Klimapolitik; Governance; Zivilgesellschaft; Co-production; citizen participation; climate policy; governance; civil society

Abstract:

Im November 2019 beschloss der Bonner Stadtrat, dass Bonn bis spätestens 2035 klimaneutral werden soll. Das in der Folge durch einen Bürgerantrag angestoßene stadtweite Mitwirkungsverfahren Bonn4Future – Wir fürs Klima sollte dafür sorgen, dass die Einwohner:innen den Weg dorthin mitgestalten können. Innovativ war die kooperative Umsetzung des Verfahrens: Der initiierende Verein Bonn im Wandel führte das Projekt zwischen 2020 und 2023 in Kooperation mit der Stadt durch, die das Vorhaben finanziell förderte. Unter anderem in vier Klimaforen konnten jeweils circa 100 zufällig ausgewählte Einwohner:innen sowie stadtgesellschaftliche Akteure konkrete Vorschläge zum Umgang mit der Klimakrise erarbeiteten. Der Beitrag analysiert die verschiedenen Mitwirkungsebenen des Prozesses und ihre Grenzen.

Entstehungsgeschichte und Hintergrund

Im November 2019 beschloss der Stadtrat, dass Bonn bis spätestens 2035 klimaneutral werden soll (Stadt Bonn: 2019). Bevor die Stadtverwaltung eine Strategie für die Umsetzung entwickelt hatte, formulierte der Verein Bonn im Wandel zusammen mit der bürgerschaftlichen Initiative Klimawache Bonn einen Bürgerantrag nach § 24 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen. Ziel war es, den Bonner Einwohner:innen die Möglichkeit zu geben, den Weg zur Klimaneutralität mitzugestalten. Der Antrag wurde gemeinsam mit der Stadtverwaltung zu einer Beschlussvorlage weiterentwickelt. Im September 2020 beschloss der Rat der Stadt Bonn die Durchführung eines Mitwirkungsprozesses zur Realisierung des Klimaziels als „komplexes Beteiligungsverfahren“ auf Basis der Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn (Stadt Bonn 2014: 19). So wurde zwischen 2020 und 2023 das Mitwirkungsverfahren Bonn4Future – Wir fürs Klima umgesetzt. 

Innovativ war die kooperative Umsetzung des Verfahrens: Der initiierende Verein Bonn im Wandel führte das Projekt in Kooperation mit der Stadt durch, die das Vorhaben finanziell förderte und durch eine Projektkoordination im Programmbüro Klimaneutrales Bonn 2035 sowie der Stabsstelle Bürgerbeteiligung begleitete. Dieser Prozess ermöglichte die umfassende Mitwirkung von Einwohner:innen sowie stadtgesellschaftlichen Akteuren an der Ausgestaltung einer zentralen Herausforderung der Bonner Stadtpolitik. 

Der folgende Artikel bezieht sich auf die beiden Mitwirkungsebenen des Prozesses und beschreibt die Ziele der Akteure und die Grenzen der Beteiligung. Die Ebenen waren (1) die erstmalige Koproduktion in der Gestaltung eines Planungsprozesses zwischen der Stadt Bonn und einem Verein als zivilgesellschaftlichem Akteur und (2) die Beteiligung der Einwohnerschaft in mehreren sogenannten Klimaforen.

Vor dem Hintergrund der vielfältigen Facetten dieses ambitionierten Prozesses im sehr dynamischen Umfeld der lokalen Klimapolitik entsteht ein Bild der Möglichkeiten und der Grenzen stadtgesellschaftlicher Teilhabe an der Stadtentwicklung. 

Zu sehen sind: strategische Ausrichtungen und Improvisationsgeschick, große Pläne und kleine Verfahrensschritte, Routinen und Innovationen, die alle bei der Bewältigung der Herkulesaufgabe der Erreichung lokaler Klimaneutralität Bedeutung haben. Aufgrund der Zielsetzung des Beitrags erfolgt eine Konzentration auf die Prozessdimension; inhaltliche Aspekte der Klimapolitik werden weitgehend ausgeblendet.

Bonn4Future – ein Governance-Experiment

Der Prozess Bonn4Future wurde von der Stadt über eine Zuwendung gefördert und vom Verein Bonn im Wandel umgesetzt. Den beiden Kooperationspartnern wurde ein Prozessbeirat zur Seite gestellt, der mit Mitgliedern aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik besetzt war, das Verfahren beratend begleitete und über das Konzept der wissenschaftlichen Evaluation durch die Universität Bonn entschied. So kam es zu einer vollkommen neuen Akteurskonstellation mit einem Verein als wesentlichem Akteur, der im Rahmen einer Zuwendung einen komplexen Beteiligungsprozess zu einer zentralen Aufgabe der Stadtentwicklung inhaltlich weitgehend eigenständig und mit nur geringer Einflussnahme durch die Kommune gestaltete. Bonn4Future steht damit gleichzeitig beispielhaft für einen neuartigen Umgang mit den in der Neuen Leipzig-Charta (BMI 2021) als Leitprinzipien einer auf das Gemeinwohl ausgerichteten Stadtentwicklung benannten Bausteinen Partizipation und Koproduktion.  

Das entwickelte Konzept eines mehrstufigen Mitwirkungsverfahrens (Bonn4Future 2020) basierte vor allem auf dem Transformationsverständnis des Vereins und seiner vielfältigen Netzwerkpartner:innen aus der Zivilgesellschaft. Neben vier Klimaforen wurden Klimaaktionstage mit Bonner Initiativen und Vereinen veranstaltet, deren Diskurse und Ergebnisse auf einer prozessbegleitenden Internetplattform gezeigt wurden und zur Vernetzung und Qualifizierung der bislang getrennt operierenden Akteure beitragen sollte (Abbildung 1). Zu den Klimaforen waren jeweils 100 zufallsausgewählte Einwohner:innen sowie stadtgesellschaftliche Akteure und Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung eingeladen. Während im ersten Forum Zukunftsbilder für eine klimaneutrale Stadt entwickelt wurden, erarbeiteten die Teilnehmenden in den parallelen Foren 2 und 3 Projektideen zu den Themenbereichen Wohnen und Mobilität. Im Klimaforum 4 wurden schließlich gemeinsam Maßnahmen aus vielen verschiedenen Handlungsfeldern entworfen und in einem 37 Punkte umfassenden Bürger:innen-Klima-Aktionsplan gebündelt. 

Das Schaubild zeigt den zu Prozessbeginn geplanten Ablaufplan mit verschiedenen Veranstaltungsformaten, dem Aufbau einer Nachhaltigkeitsplattform, den Sitzungen des Prozessbeirats und die intendierten Impulse auf Politik und Bürger:innen.
Abbildung 1: Bonn4Future-Prozessablauf, Stand April 2021. Quelle:  Bonn im Wandel.

Parallele Erstellung des Klimaplans 2035

Auf Basis eines Bürgerantrags von Fridays for Future Bonn und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren hatte die Stadt bereits Mitte 2019 den Klimanotstand ausgerufen. In Folge dieses Beschlusses wurde nach Freigabe des Haushaltes 2021/2022 gegen Ende 2021 ein Konsortium aus verschiedenen Fachakteuren mit der Erstellung eines Klimaplanes 2035 zur Ermittlung und Konzeption der notwendigen Maßnahmen beauftragt. So kam es – auch aufgrund einer pandemiebedingten Verzögerung des Bonn4Future-Prozesses – zu einer Parallelität aus Fachgutachten und Bürger:innenmitwirkung, die die Verwaltung und den zivilgesellschaftlichen Träger:innen weitgehend unvorbereitet traf und dazu führte, dass alle Akteure neue Wege einschlagen mussten. 

Der Klimaplan 2035 zeigt auf, wie gesamtstädtisch eine bilanzielle Klimaneutralität erreicht werden kann. Der Bürger:innen-Klima-Aktionsplan beschreibt eine Vielzahl möglicher Maßnahmen, die zur Erreichung dieses Ziels beitragen können. In einem aufwendigen Prozess wurden die beiden Konzepte zusammengeführt. Vor allem in der finalen Phase beider Prozesse im Winter 2022/23 waren intensive Abstimmungen zwischen den Planwerken notwendig, bei denen insbesondere versucht wurde, Anregungen und Projektvorschläge der Teilnehmer:innen aus den Klimaforen in die Maßnahmenkataloge des Klimaplans 2035 zu integrieren (vgl. Stadt Bonn 2023). Im März 2023 beauftragte der Stadtrat die Stadtverwaltung dann, den Klimaplan 2035 umzusetzen und die Empfehlungen aus dem Bürger:innen-Klima-Aktionsplan zu prüfen und soweit sinnvoll und möglich zu berücksichtigen. 

Realisierung des Mitwirkungsprozesses 

Die Verantwortung für Bürger:innenbeteiligung hat mit dem Bonn4Future-Prozess das Rathaus verlassen und der Prozess wurde in der Stadt sichtbar gemacht: Klimaforen und Klimaaktionstage fanden in der Universität, im Theater oder in einem Kulturzentrum statt und wurden auch während der Corona-Pandemie von Teilnehmenden aus vielen Teilen der Gesellschaft besucht. Schwierigkeiten werden deutlich, wenn man den Prozess vor dem Hintergrund der Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn betrachtet, die von einer trialogisch besetzten Gruppe aus zufällig ausgewählten Einwohner:innen sowie Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung erarbeitet und Anfang 2014 beschlossen wurden. Diese Leitlinien sind seitdem im Ortsrecht verankert, bilden die Grundlage für alle freiwillig durchgeführten Beteiligungsprozesse in Bonn und ergänzen die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Beteiligung (Stadt Bonn 2014: 5). Sie treffen unter anderem Aussagen über die Qualitätsanforderungen bei der Realisierung von Bürger:innenbeteiligung und setzen den Rahmen für die Planung und Umsetzung von Beteiligungsprozessen sowie für den Umgang mit den Ergebnissen der Bürger:innenbeteiligung. Bonn4Future wurde auf Basis der Leitlinien Bürgerbeteiligung initiiert und beschlossen, so dass deren Regelungen greifen, auch wenn Bonn4Future kein klassisches Bürger:innenbeteiligungsverfahren war.Grund genug danach zu fragen, wo mit Blick auf die Leitlinien die größten Herausforderungen bei der Umsetzung lagen.

Die Abbildung zeigt das Cover der Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn, das in Form eines Puzzles darstellt, auf welchen Grundsätzen die qualitätvolle Bürgerbeteiligung in Bonn basiert.
Abbildung 2: Cover Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn. Quelle: Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn. 

Grundlage jedes Beteiligungsverfahrens ist laut den Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn ein Beteiligungskonzept. Ein solches wurde auch für Bonn4Future – in außergewöhnlich umfassender Form – erstellt und bildete den Rahmen für den aus mehreren aufeinander aufbauenden Ebenen bestehenden Prozess. Eine der zentralen Forderung der Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn ist es, klare Prozessziele zu benennen und diese den Prozessbeteiligten und der Öffentlichkeit zu vermitteln. Doch gerade dies fiel im Zuge dieses offenen Prozesses besonders schwer, so dass die Ziele wenig konkret formuliert wurden. Die Rede ist unter anderem davon, dass „alle Beteiligten erfahren (sollen), was die Klimakrise bedeutet, dass sie gebraucht werden, um die Weichen richtig zu stellen und was sie tun können“ (Bonn im Wandel 2020: 10) und dass der Prozess Mut machen sowie Zusammenhalt und Engagement fördern soll. Zudem sollten die Diskussion und der Austausch zwischen Politik und Verwaltung bei der Entwicklung tragfähiger Maßnahmen unterstützt und Ideen, Anregungen und Vorschläge (aus dem Prozess) berücksichtigt werden (ebd.). Im Prozessverlauf unterblieb eine weitere Konkretisierung der Ziele – die weitere Abstimmungsprozesse erfordert und gegebenenfalls neue Konflikte generiert hätte. Dies führte unter anderem dazu, dass die im Rahmen von Bonn4Future bearbeiteten Themenfelder und damit auch die Ergebnisse extrem weit gefasst und letztlich für die Beteiligten – Verein Bonn im Wandel, Verwaltung und Politik – schwer operationalisierbar und steuerbar wurden. Die große Fülle an Themen und Projektideen in den 37 Maßnahmenvorschlägen reicht von Wohnen, Mobilität und Ernährung über Wirtschaft, Landwirtschaft, Natur bis hin zu Kulturwandel et cetera. (Bonn4Future 2023b).

Laut den Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn müssen Beteiligungsprozesse zudem so ausgestaltet werden, dass ein verlässlicher Umgang mit den Beteiligungsergebnissen gewährleistet ist (Stadt Bonn 2014: 9). Im Prozess Bonn4Future war lange offen, was das Endergebnis der Beteiligung sein könnte, und zwar nicht nur im Hinblick auf dessen inhaltliche Ergebnisse, sondern auch in Bezug auf die Maßstabsebene und die Ausformulierung der Bürger:innenideen. Damit war es auch schwer, Vereinbarungen über den konkreten Umgang mit den Ergebnissen des Prozesses zu treffen, was letztlich auch unterblieb. Dies wäre lediglich eine methodische Schwäche gewesen, hätte nicht der Klimaplan des Gutachterkonsortiums zeitlich mit dem Beteiligungsprozess gleichgezogen und neben den erwarteten technischen Aussagen (zur CO2-Einsparung in Kraftwerken, der Energieeinsparung in kommunalen Gebäuden, der Umstellung der Busflotte der Stadtwerke, …) auch eine Vielzahl von governance- und quartiersbezogenen Maßnahmen formuliert, die den Vorschlägen aus dem Mitwirkungsverfahren ähnelten.

Die ursprünglich nicht vorgesehene Parallelität führte in Bonn zu einem neuen Blick auf die beiden Prozesse. Bonn4Future war von den initiierenden Vereinen nicht als Beteiligung zu einem kommunalen Planungsverfahren konzipiert, musste nun aber doch auf die Vorschläge der Gutachter:innen und deren Klimaplan 2035 reagieren – und umgekehrt. Es öffnete sich ein Gelegenheitsfenster, weil allen beteiligten Akteuren klar wurde, dass eine Abstimmung zwischen Klima-Aktionsplan der Bürger:innen und dem Klimaplan 2035 des Gutachterkonsortiums unumgänglich war. Zwar wurden die Ergebnisse beider Prozesse weiterhin in getrennten Ratsvorlagen behandelt und diskutiert. In aufwendiger Arbeit entstand jedoch eine differenzierte Verweisstruktur, die beide Planungen miteinander verzahnt und den Ratsmitgliedern und Verwaltungsmitarbeiter:innen verdeutlicht, wo Ergebnisse übereinstimmten, sich ergänzten und wo auch Unterschiede bestanden. So konnten eher spontan, improvisiert und mit immensem Aufwand ein großer Teil der Ergebnisse aus den Klimaforen bei der Erstellung des Klimaplans 2035 berücksichtigt werden. 

Es gibt darüber hinaus noch einen weiteren Aspekt, der mit Blick auf Bonn4Future und die  Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn von Bedeutung ist. In den Leitlinien wird großer Wert auf die Information der Öffentlichkeit, die Einbindung der Einwohner:innen und deren Ermutigung zur Mitwirkung gelegt. Dies spielt im Mitwirkungskonzept zu Bonn4Future ebenfalls eine wichtige Rolle (Bonn4Future 2020: u.a. 24). Auch für den Prozessbeirat war insbesondere die Einbeziehung schwer erreichbarer Zielgruppen (die auch die Leitlinien Bürgerbeteiligung einfordern) ein zentrales Thema, das in den Sitzungen vielfach diskutiert wurde und für das der Beirat Anregungen gab und Unterstützung leistete. 

Die Ergebnisse der Evaluation zeigen in Bezug auf die Realisierung dieses Ziels ein differenziertes Bild. Sie machen deutlich, dass „Bonn4Future die Diversität der Teilnehmenden im Laufe des Prozesses dank umfangreicher Maßnahmen gesteigert hat“ (Promediare und Geographisches Institut Universität Bonn 2023: 30). Der „Kreis der Mitwirkenden in den Klimaforen war divers, spiegelt aber nicht die Vielfalt der städtischen Gesellschaft wider“ (ebd.: 5). Zudem stellen die Evaluator:innen fest, dass die vier „Ziele des Beteiligungsprozesses, zu informieren, zu ermutigen, sich auszutauschen und Verständnis für Klimaschutzziele und -maßnahmen zu schaffen, […] zwar für unmittelbar am Prozess beteiligte Bürgerinnen und Bürger erreicht [wurde], nicht aber für die Allgemeinheit der Bonner:innen in ihrer vielfältigen Zusammensetzung“ (ebd.: 6). Die Evaluation macht darüber hinaus deutlich, dass Einwohner:innen, die „weniger affin zum Thema Klimaschutz sind“ (ebd.: 6) , der Einladung zur Teilnahme an den Klimaforen selten gefolgt sind. Dies hat sicherlich verschiedene Gründe und ist nicht unbedingt ungewöhnlich für Prozesse dieser Art. Allerdings hat es eine besondere Bedeutung, wenn für die Realisierung des Klimaziels möglichst alle Bonner:innen erreicht werden sollen.

Im Anschluss an Bonn4Future ergeben sich daraus für den weiteren Weg hin zur Klimaneutralität und zur Gestaltung weiterer Mitwirkungsprozesse besondere Handlungserfordernisse. Dies gilt vor allem bezüglich des Umgangs mit den Ergebnissen von Bonn4Future, aber auch im Hinblick auf die Einbeziehung und Ermutigung der Stadtgesellschaft und Einwohner:innen zur Mitwirkung bei der Realisierung des Klimaziels.

Koproduktion als Herausforderung für alle Akteure

Während in Bezug auf Bürger:innenbeteiligung ein elaboriertes Instrumentarium bereitsteht, so begeben sich Kommunen und zivilgesellschaftliche Akteure bei koproduktiven Prozessen auf noch weitgehend unerprobtes Gelände, in dem neue Kooperationsformen und Rollenverständnisse entwickelt werden müssen. Als umso mutiger ist daher einzuschätzen, dass die Stadt Bonn und der Verein Bonn im Wandel bereit waren, dieses Neuland zu erobern. Die Schwierigkeiten sind dabei allerdings nicht zu unterschätzen: „In collaborative practice, […] problems are treated as puzzles as participants work jointly to put pieces together to create a shared picture of the future and a strategy for getting there. This open ended approach is at odds with both bureaucratic norms and the ideal of finding the one right policy“ (Innes und Booher 2018: 11).  

Der Verein Bonn im Wandel als Initiator und Koordinator des Bonn4Future-Prozesses ist gut mit den im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit aktiven Akteuren vernetzt. Daher konnte er von Beginn an ehrenamtliches Engagement aktivieren, ohne das der breit angelegte Prozess – trotz Förderung durch die Kommune – nicht zu organisieren wäre. 

In einer Nische entstanden, konnte sich der Verein als Intermediär im Verlauf des Prozesses zunehmend professionalisieren und übernahm angesichts von Kapazitätsproblemen der Kommune wichtige Aufgaben, nicht nur bei der Prozessgestaltung, sondern auch bei der Abstimmung zwischen kommunalen Ämtern sowie in Richtung der Lokalpolitik. 

Löffler und Timm-Arnold (2013) haben in Bezug auf Koproduktion ein Modell mit vier Ebenen entwickelt, das Aufgaben der Stadtentwicklung den vier Kategorien Mit-Steuern, Mit-Entwickeln, Mit-Umsetzen und Mit-Bewerten zuteilt. 

Der Bonn4Future-Prozess hatte für Bonn auf mehreren dieser Ebenen Neuigkeitswert und kann deshalb als besonders ambitionierter Ansatz angesehen werden: 

  • Das Mit-Steuern der lokalen Klimapolitik durch den zivilgesellschaftlichen Akteur erfolgte durch die Formulierung der Aufgabenstellung, die Wahl der Methode und die gemeinsame Festlegung des Budgets. Nach Zustimmung der Stadt zum
    Zuwendungsantrag steuerten die Mitglieder des Vereins die einzelnen Bausteine des Prozesses – wobei die kooperierenden Mitarbeiter:innen des kommunalen Programmbüro Klimaneutrales Bonn 2035 sowie der Stabsstelle Bürgerbeteiligung in die Planung und Umsetzung eingebunden waren.
  • Auch das Mit-Entwickeln des Gesamtprozesses wurde durch Bonn im Wandel dominiert. Die Konzeption, Umsetzung und Aufbereitung der Klimaforen als zentrale Bausteine des Prozesses erfolgten maßgeblich durch den Verein. Zwar wurden die Formate grundsätzlich ergebnisoffen durchgeführt, aber der Verein prägte durch das Framing die Zielsetzung und die Ausrichtung der Projektvorschläge. Die Erarbeitung von Losungsansätzen erfolgte vor allem im Rahmen der Klimaforen durch die Teilnehmer:innen und wurde von Bonn im Wandel zu 37 Bürger:innen-Aktionsplänen kondensiert. 
  • Anders als bei traditioneller Bürger:innenbeteiligung an kommunalen Planungsverfahren umfasst das koproduktive Mit-Umsetzen die gemeinsame Durchführung von Projekten durch öffentliche, wirtschaftliche wie zivilgesellschaftliche Akteure. Dies gilt auch für die 37 in den Klimaforen formulierten Maßnahmenvorschläge, die sich keineswegs ausschließlich an die Verwaltung richten. Für offene Dialogprozesse als Grundlage einer koproduktiven Umsetzung erarbeitet die Bonner Verwaltung derzeit ein Konzept (s.u.). 
  • Das notwendige Mit-Bewerten der Prozessqualität erfolgte während des Bonn4Future-Prozesses durch die Evaluation der Universität Bonn sowie den auch zivilgesellschaftlich besetzten Prozessbeirat. Nach Abschluss des Bonn4Future-Prozesses schlug der Prozessbeirat die Einrichtung eines koproduktiv aufgestellten Gremiums vor, um einen Reflektionsraum zur weiteren Unterstützung und Qualitätssicherung des Prozesses zu übernehmen. Ein Vorschlag, der nun auch aufgegriffen wird. 

Diese intensiven Kooperationsbeziehungen auf allen Ebenen trafen auf die oben beschriebenen Schwierigkeiten. 

So war Bonn4Future kein ausformuliertes und routiniertes Verwaltungsverfahren, sondern eher eine sehr dynamische Beta-Version, in deren Rahmen Verwaltung, lokale Politik und zivilgesellschaftliche Initiativen mal mehr mal weniger vertraut miteinander kooperierten - ganz im Sinne einer mutigen Stadtentwicklung, die ihre Grenzen auszuloten versucht. 

Als Problem kristallisierte sich auch das teils zurückhaltende Agieren der Verwaltung heraus, vor allem da sich zeigte, dass die Fülle der Aufgaben deutlich größer war als zunächst geplant, insbesondere unter den Erschwernissen der Corona-Pandemie. Zwischen den im Zuwendungsbescheid festgeschriebenen Verfahrensschritten und den sich entwickelnden Dynamiken entstand kontinuierlicher Beratungsbedarf, der alleine durch den Prozessbeirat nicht ausreichend befriedigt werden konnte. Auch die Arbeitsweise des Vereins mit basisdemokratischen internen Arbeits- und Entscheidungsabläufen machte den Prozess schwergängig.

Es wäre erstaunlich, wären in diesen neuen, koproduktiven Beziehungen nicht auch Konflikte zwischen einem im Beteiligungsprozess an Bedeutung gewachsenen Verein mit sehr engagierten Mitstreiter:innen und dem Handeln einer an klaren Zuständigkeiten und Arbeitsweisen orientierten Stadtverwaltung entstanden. Immer wieder stellte Bonn im Wandel als neuer Player die verabredete Verantwortungsteilung mit der Verwaltung in Frage, kratzte an deren Selbstverständnis und rieb sich daran bis an die Grenzen der Belastbarkeit des ehrenamtlichen Engagements auf. So wurde im Bonn4Future-Prozesseine neue Rollenteilung erprobt, ohne die konkreten Zuständigkeiten zu Beginn und während des Prozesses klar zu formulieren. Dem koordinierenden Verein wurde große Verantwortung übergeben und Freiheiten zugestanden. Dadurch konnte und musste er letztlich mehr Aufgaben übernehmen, als für ihn und die Sicherung der Prozessqualität gut waren. Aufgrund der starken Dynamik des Vereins und der gerade erst im Aufbau befindlichen Personalkapazitäten in der Verwaltung zur Realisierung des Klimaziels waren die Geschwindigkeiten und Handlungsfähigkeiten zwischen den Partner:innen ungleich verteilt. Der Fokus beider Akteure lag auf der Durchführung des Beteiligungsprozesses; die Verbreitung und Koordination ins Rathaus hinein (von Seiten der Verwaltung) und in die Öffentlichkeit (von Seiten des Vereins) kamen zu kurz.

Lehren für eine koproduktive Stadtentwicklung

Im Rückblick auf die beiden untersuchten Aspekte Partizipation und Koproduktion entsteht ein differenziertes Bild aus großer Energie und mutigen Schritten, aber auch Hemmnissen und improvisierten Lösungen. Eine erste Bewertung, welche Lehren für die weitere Ausgestaltung des kooperativen und koproduktiven Prozesses hin zur Klimaneutraltiät gezogen werden können, erfolgt im Folgenden in sechs Schritten entlang der zentralen Empfehlungen des Prozessbeirats und den Ergebnissen der wissenschaftlichen Evaluation.

Gemeinsam ein neues Zusammenspiel der Akteure gestalten

Zivilgesellschaftlich getragene Prozesse und Projekte, die stark in die kommunale Entscheidungsfindung und Aufgabenrealisierung eingreifen, erzeugen in Verwaltungen häufig Unsicherheit und Konfliktpotenzial. Selten machen sie an den Grenzen von Ämterzuständigkeiten halt und durchkreuzen Politikbereiche sowie -ebenen. Auch verbinden sie eine Vielzahl an Interessensgruppen mit unterschiedlichen Vorstellungen, Werten, Agenden und Wissensformen. Wenn Kommunen es allerdings schaffen, Lösungen für diese Herausforderungen zu finden, dann können sie auch viele ihrer Aufgaben besser erledigen, denn diese verlangen zumeist nach einer Querschnittsperspektive (vgl. Willinger 2022). Am Beispiel des Bonn4Future-Prozesses wird deutlich, dass Lokalpolitik und Stadtverwaltungen angesichts der Dringlichkeit klimapolitischer Konzepte und Maßnahmen vor der Aufgabe stehen, Einwohner:innen und Stadtgesellschaft eine weitaus stärkere Mitwirkung in allen Phasen der Politikgestaltung und -umsetzung zu ermöglichen. Das dann entstehende neue Zusammenspiel von Koproduktions- und Beteiligungsformen muss mit den Anforderungen lokaler Demokratie und transparentem staatlichen Handeln in Einklang gebracht werden. 

Erforderlich sind dafür ein Bewusstseinswandel bei allen Akteuren, ein Verständnis für den Antrieb und die Handlungslogiken der jeweils anderen Akteure und darauf basierend die Öffnung von Prozessen für eine Mitwirkung und neue kooperative Trägerschaften.

Wichtig ist dabei auch, dass die ungleichen Akteure von Beginn an Zuständigkeiten, Handlungsfelder, Handlungsmöglichkeiten und deren Grenzen konsequent ausloten, klar benennen und vereinbaren. Auch wenn zur Bewältigung der Klimakrise eine Vielzahl an Handlungsfeldern bearbeitet werden muss, gilt es thematische Schwerpunkte zu setzen. Es sind kooperative Settings zu entwickeln, die Handlungsfähigkeit auf allen Seiten gewährleisten und eine Verstetigung der Zusammenarbeit ermöglichen. Nur so kann es gelingen zu Ergebnissen zu kommen, die von den Akteuren auch umgesetzt werden (können). Überforderung, Abwehrhaltung, Enttäuschungen und falsche Erwartungen auf allen Seiten können weitgehend vermieden – oder zumindest reduziert – werden.

Qualitätsstandards für Mitwirkungsprozesse weiterentwickeln

Bonn4Future ist im Hinblick auf die Notwendigkeit neuer, kooperativer Arrangements durchaus kein Einzelfall. Bürger:innenbeteiligung entwickelt sich hin zu einer stärkeren Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure. Mit Blick auf die Realisierung solcher koproduktiven Prozesse hat der Prozessbeirat Bonn4Future deshalb empfohlen, die Leitlinien Bürgerbeteiligung aus den Erfahrungen mit Bonn4Future heraus um kooperative Formate mit zivilgesellschaftlichen und unternehmerischen Akteuren zu ergänzen und die formulierten Qualitätskriterien weiterzuentwickeln. Als wichtig sieht er dabei – neben der Reflexion der Rollenverteilungen und einer sachgerechten, zielorientierten Umsetzung ohne politische Grabenkämpfe – auch eine neue Fehlerkultur an. So könnten Partizipation und Koproduktion konzeptionell verbunden und die Umsetzung von Strategien durch Akteure außerhalb der Verwaltung besser vorbereitet werden. Dass die Zuständigkeit für die Prüfung und Umsetzung der im Bürger:innen-Klima-Aktionsplan enthaltenen Maßnahmen mittlerweile auf die städtischen Ämter verteilt und diesen im Rahmen von Workshops durch das Programmbüro Klimaneutrales Bonn übergeben wurde, sollte deshalb nur ein Baustein der Umsetzung sein.

Experimente bewusst als Lernfeld begreifen

Auch wenn es zunächst nicht geplant war: Die Verbindung der Prozesse des Klimaplans 2035 und des Bürger:innen-Klima-Aktionsplans kann, zumindest im Nachhinein, als Beispiel für eine strategische Planung dienen, in der netzwerkartige, kooperative Akteursbeziehungen (Bonn4Future), Verfahren der Selbststeuerung der Stadt (Klimaplan 2035) sowie hoheitlich-imperative Steuerungsinstrumente (ggf. Folgebeschlüsse zur Verkehrslenkung, Energiewende et cetera) so verbunden werden, dass Legitimität und Problemlösungskapazität entstehen. Eine solche Strategieentwicklung kann nicht als routinemäßiges Verwaltungshandeln erfolgen, sondern nur als offener Prozess. Dies ist in Bonn schlussendlich durch die Nutzung eines Gelegenheitsfensters gelungen, als das Zusammentreffen der zunächst unvereinbar scheinenden Planwerke positiv interpretiert wurde. Die Erfahrungen aus diesen planerischen Experimenten sollten in Theorie und Praxis ausgewertet werden, um Grundlagen für die Anpassung lokaler Planungskulturen an die in allen Städten drängenden neuen Herausforderungen zu schaffen.

Koproduktives Mit-Steuern verstetigen

Eine weitere wichtige Lehre ist, dass eine systematische Einbindung stadtgesellschaftlicher Akteure, wie der Hochschulen, der Industrie- und Handelskammer, der Kirchen und zivilgesellschaftlicher Initiativen in die Steuerung zu einem breit getragenen Transformationsprozess beitragen kann. In den komplexen Prozessen partizipativer und koproduktiver Governance haben sich intermediäre Gremien als äußerst hilfreich erwiesen, die an der Schnittstelle zwischen den Institutionen angesiedelt sind und als Wächter des Prozesses auf Qualität drängen und den Prozess unterstützen können. So wurde insbesondere die beratende und vermittelnde Funktion des breit aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik besetzten Prozessbeirats im Nachgang von Kommune, Verein und den wissenschaftlichen Evaluator:innen als äußerst hilfreich bewertet. Auch wenn angesichts der hohen Prozessdynamik die ursprünglich ebenfalls zugedachte Funktion als Multiplikator:in in die Stadtgesellschaft nicht wie geplant erfüllt werden konnte.

Um die neuen Governance-Ansätze zu verankern und die dauerhafte Mitwirkung der Stadtgesellschaft an der Klimapolitik abzusichern, hat der Prozessbeirat daher in seinen abschließenden Empfehlungen die Einrichtung eines Gremiums empfohlen, das sich aus stadtgesellschaftlichen Akteuren und einigen in den Klimaforen engagierten Einwohner:innen zusammensetzt. Es sollte Stadtverwaltung und Politik hinsichtlich der Konzeption und Umsetzung der erforderlichen neuen Formen der Mitwirkung und Governance beraten, bei der Vernetzung und Gewinnung stadtgesellschaftlicher Akteure unterstützen und gemeinsame Handlungsoptionen von Stadtverwaltung und stadtgesellschaftlichen Akteuren ausloten (vgl. Prozessbeirat Bonn4Future 2023). 

Dieser Vorschlag wird nun von der Stabsstelle Bürgerbeteiligung aufgenommen, die ein Konzept für die Weiterführung klimapolitischer Teilhabe auf der Ebene von Gesamtstadt und Quartieren erarbeitet.  Eine aktuell erschienene Ratsvorlage (Stadt Bonn 2024) beschreibt die beabsichtigten Schritte und stellt diese in den Gremien der Bundesstadt Bonn zur Diskussion. Die bewährten Beteiligungsformate aus Bonn4Future – insbesondere die Klimaforen – sollen dezentralisiert und verstetigt werden, wobei ein weiterer Abbau von Zugangsbarrieren für bisher unterrepräsentierte Gruppen angestrebt wird. Darüber hinaus sollen innovative Mitwirkungsansätze insbesondere durch die Schaffung diverser kooperativer Räume auf gesamtstädtischer Ebene erprobt werden, in denen gemeinsam zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft Maßnahmen entwickelt und umgesetzt
werden. Die Entwicklung und Koordination dieser neuen Koproduktionsangebote soll in einer neuen Struktur gemeinsam von Verwaltung und Zivilgesellschaft getragen werden (ebd.: 2ff.).

Neue Formate entfesseln die Kreativität – und schaffen Verpflichtungen

Aktuelle politische Diskussion und Veränderungen im Wähler:innenverhalten zeigen die potenzielle Sprengkraft klimapolitischer Maßnahmen. Umso bedeutsamer ist, dass mit dem innovativen Format der Klimaforen im Rahmen des Bonn4Future-Prozesses vorbildliche Gelegenheiten geschaffen wurden, um gemeinschaftlich Lösungen für diese zentrale stadtentwicklungspolitische Herausforderung zu erarbeiten. Das sorgsam moderierte Zusammentreffen von Bewohner:innen aus allen Stadtteilen und gesellschaftlichen Milieus führte zu überraschenden und gleichzeitig ausgewogenen Vorschlägen. Der Mut, neue Wege zu gehen, wurde belohnt.

Im Rahmen entsprechender Mitwirkungsverfahren sollte gerade mit Blick auf die Begeisterung der involvierten Akteure und Einwohner:innen großer Wert darauf gelegt werden, dass Ergebnisse entstehen, die bei den betreffenden Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung anschlussfähig sind, so dass sie tatsächlich eine Chance auf Umsetzung haben. Dazu müssen unter anderem die Adressat:innen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung, die die im Mitwirkungsverfahren erarbeiteten Vorschläge umsetzen sollen, frühzeitig in den Prozess einbezogen werden. Hier steht vor allem die Verwaltung als Wächterin der Verfahrensqualität in der Verantwortung. Doch auch die prozesskoordinierenden zivilgesellschaftlichen Akteure sollten sich dazu verpflichtet fühlen.

Breitenwirkung und Ermutigung zur Mitwirkung als Daueraufgabe

Klimaneutralität kann nicht als Eliten-Projekt gelingen, sondern nur dann, wenn das Mit-Umsetzen durch die Stadtgesellschaft in ihrer ganzen Breite erfolgt: vom Großunternehmertum bis zur Naturschutzinitiative und durch alle sozialen Milieus. Die oben aufgezeigten Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Erreichung, Gewinnung und Einbeziehung der Bonner:innen in den partizipativen und koproduktiven Prozess weisen auf weitere Handlungserfordernisse bei der Planung und Ausgestaltung entsprechender Verfahren hin. Grundsätzlich muss es für solch groß angelegte Prozesse wie die Realisierung des Klimaziels der Stadt Bonn besondere und dauerhafte Anstrengungen geben, die weit über den Bonn4Future-Prozess und seine Umsetzung durch Verwaltungseinheiten hinausreichen. Letztlich geht es auch darum, dass möglichst die einzelnen Einwohner:innen und stadtgesellschaftlichen Akteure handlungsfähig werden und ihren Teil zur Realisierung des Klimaziels beisteuern – zum Beispiel in Bezug auf ihr Konsum- und Mobilitätsverhalten oder die gewählten Wohnformen. Im Rahmen von Transformationsprozessen dieser Art muss deshalb neben Beteiligungsmöglichkeiten auch besonderes Gewicht auf die Gestaltung von Maßnahmen zur Erreichung und Aktivierung der breiten Öffentlichkeit gelegt werden. Dafür braucht es Informationen, es müssen aber im Sinne eines aktivierenden Planungsverständnisses vor allem Handlungsoptionen aufgezeigt werden.

Eine breitere zivilgesellschaftliche Trägerschaft des Prozesses könnte ein Schlüssel dafür sein, weitere stadtgesellschaftliche Gruppen und bisher nicht erreichte Einwohner:innen einzubeziehen. 

Es spricht einiges dafür, die Koordination eines entsprechenden koproduktiven Prozesses in einer Gemeinschaft unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Organisationen durchzuführen, Verantwortung und Arbeitsbelastung auf mehrere Schultern zu verteilen und verschiedene stadtgesellschaftliche Blickwinkel aufzunehmen. 

Fazit

Die Bewältigung der Klimakrise stellt die Kommunen vor große Herausforderungen. Es wird immer deutlicher, dass die notwendige Transformation in der Gesellschaft und in den kommunalen Prozessen nur gelingen kann, wenn alle stadtgesellschaftlichen Akteure und Einwohner:innen einbezogen werden und sich engagieren (können). Dies ist nur mit einem konsequenten Kulturwandel im Verhältnis der Akteure und klaren Vereinbarungen bezüglich der Inhalte und Aufgabenverteilung zu erreichen. Es gilt neue Handlungsansätze, Akteurskonstellationen und Kooperationsmöglichkeiten auszuloten und zu erproben, um gemeinsam angemessene und gangbare Wege zu finden.  

In Bonn haben zivilgesellschaftliche Akteure und Kommune im Rahmen des Prozesses Bonn4Future wichtige Grundlagen hierfür gelegt und Erfahrungen gesammelt, auf die andere Kommunen aufbauen können. Bonn4Future stellt eine Innovation der lokalen Demokratie dar. Die Ergebnisse geben der Stadt, den Einwohner:innen und den zivilgesellschaftlichen Akteuren einen Auftrag für die Zukunft und sie machen vor allem eines deutlich: Es gibt kein weiter so – weder in Bonn, noch in anderen Kommunen. 

About the author(s)

Marion Stock ist Referentin für Demokratie und Bürgerbeteiligung bei der Stiftung Mitarbeit und verantwortlich für das bundesweite Netzwerk Bürgerbeteiligung. Sie hat die Erarbeitung der Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn fachlich begleitet und war Vorsitzende des Prozessbeirates von Bonn4Future.

Marion Stock is consultant for democracy and citizen participation at the Stiftung Mitarbeit and responsible for the nationwide Network for Citizen Participation. She accompanied the process of developing the Bonn Citizen Participation Guidelines and was chairwoman of the advisory board of Bonn4Future.

Stephan Willinger ist Stadtforscher am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR und Projektleiter der Nationalen Stadtentwicklungspolitik. Er forscht zu urbaner Governance, Koproduktionsprozessen und Narrativen und war Vorsitzender des Prozessbeirates zum Bonn4Future-Prozess. 

Stephan Willinger is researcher at the Federal Institute for Building, Urban and Spatial Research BBSR and coordinates the national urban development policy. He researches urban governance, co-production processes and narratives and was chairman of the advisory board for the Bonn4Future process.

References

BMI (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) (Hg.) (2021): Neue Leipzig-Charta. 2021.

Bonn im Wandel e.V., Klimawache Bonn (o. J.): Bürgerantrag Bonn4Future. https://bonnimwandel.de/bonn4future-wir-fuers-klima-buergerantrag/, Zugriff am 28.02.2024.

Bonn4Future (2020): Konzept zum Mitwirkungsprozess. https://www.bonn4future.de/sites/default/files/media/file/2021-01/Bonn4Future%20Mitwirkungskonzept_V4final.pdf, Zugriff am 28.02.2024.

Bonn4Future (2022): Bericht im Nachgang des vierten Klimaforums (Oktober 2022). https://www.bonn.sitzung-online.de/vo020?VOLFDNR=2008848&refresh=false, Zugriff am 28.02.2024.

Bonn4Future (2023a):  Umgang mit Ergebnissen des Mitwirkungsverfahrens Darin:  Klimaneutral und gut leben in Bonn - so können wir es schaffen. Empfehlungen und gute Ideen aus dem Mitwirkungsverfahren Bonn4Future. https://www.bonn.sitzung-online.de/vo020?0--anlagenHeaderPanel-attachmentsList-0-attachment-link&VOLFDNR=2010559&refresh=false, Zugriff am 28.02.2024.

Bonn4Future (2023b): Klimaaktionsplan der Bürger:innen. https://beteiligung.bonn4future.de/sites/default/files/media/file/2022-11/Klimaforum%204%20-%20Der%20Klima-Aktionsplan.pdf, Zugriff am 28.02.2024.

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Löffler, Elke und Timm-Arnold, Peter (2013): BürgerInnen in der Mitgestaltungs-Kommune. Aktuelle Tendenzen, Ansätze und Perspektiven von Koproduktion in deutschen Kommunen, Ein Diskussionspapier für den Kommunalkongress 2013 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh 2013.

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